Krisenjahr 2011
Landwirtschaft
Krisenkommunikation DVT
Das Jahr 2011 bestand für die Agrarbranche aus einer Aneinanderreihung von
Skandalen. Dioxin im Januar, Radioaktivität im Frühjahr und EHEC im Sommer.
Nicht alle Themen waren im Rückblick auch wirklich skandalträchtig. Dioxin war
nicht gesundheitsgefährlich und EHEC hat die ebenfalls international arbeitsteilige
Biobranche getroffen.
Weil Dioxin und EHEC die Verbraucher beschäftige, wirken sie auf die
Agrarbranche wieder zurück. So ist das Krisenjahr 2011 auch zu einer Krise
zwischen Verbraucher und Bauern1) geworden.
Wahrnehmung und Selbstkritik
Nicht nur der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) kritisierte die
Wahrnehmung der Öffentlichkeit, die oft mit zweierlei Maß messe und einer interessengesteuerten
Kampagne unterliege, so DVT-Präsident Helmut Wulf auf der Jahrestagung in
Berlin. Beim nicht gesundheitsgefährlichen Dioxin werden gleich die Grundzüge
der Agrarwirtschaft in Frage gestellt, obwohl es sich um einen Einzelfall handele.
Beim EHEC sei die Biobranche nachsichtiger gewesen. Zum einen differenzierten
die Medien die Fälle nicht, zum anderen haben die Verbraucher zu wenig Kenntnis
über die moderne Landwirtschaft.
Das Krisenjahr nimmt der DVT aber auch zum Anlass zur Selbstkritik. Die
Branche müsse mehr in Sachen Kommunikation und Krisenvorsorge unternehmen,
weiter in Qualitätssicherung und Kontrolle investieren, mehr Wertschätzung für
Lebensmittel und die Lebensmittelproduktion praktizieren und vermitteln und
viertens: die Zusammenarbeit in der Kette verbessern. Das gelte für die bessere
Einbindung und Kontrolle der Vorstufen.
Für Wulf ist das Thema Krisenvorsorge ein stufenübergreifendes. Eine alleine
werde das Problem nicht lösen können.
Blesers dringender Appell
Die Selbstkritik unterstrich Peter Bleser, Parlamentarischer Staatssekretär
im Bundeslandwirtschaftsministerium. Auch die internationalen Märkte reagieren
sensibel auf Dioxin- und EHEC-Berichte. Es koste viel Mühe, die
Handelsverbindungen wieder herzustellen. Gemäß dem Motto „Mache nichts, bei dem
du die Kontrolle verlieren könntest“ müsse in der Kette die Rückverfolgbarkeit
und Organisation straffer gestaltet werden. Bleser rechtfertigt die aus den
Krisen resultierende Politik, denn sie erschüttern immer wieder die Grundfeste
der kompletten Agrarwirtschaft. Ohne Veredlungswirtschaft wie Milch, Fleisch
und Eier verliere der Agrarstandort Deutschland an Wert. Die Bundesregierung habe
aus dem Krisenjahr gelernt, dass Verbraucher der Politik vertrauen, wenn sie
das Gefühl haben, sie sage die Wahrheit. Die auf dem Bundesinstitut für
Risikobewertung und Robert-Koch-Institut basierte wissenschaftliche Diskussion
habe gezeigt, dass die Kommunikation funktioniere
Meist jedenfalls. Die frühe und im Nachhinein falsche Meldung aus
Hamburg, dass EHEC durch die spanischen Gurken kämen, habe diesen Fall auch
entschädigungspflichtig gemacht. Die Futtermittelindustrie fordert auch für das
Dioxin-Geschehen eine Entschädigung. Doch nach Bleser habe das keine Aussicht,
da keine Gesundheitsgefährdung bestand.
Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband, zieht aus
dem Krisenjahr die Lehre, dass der „ineffiziente föderale Flickenteppich“ weg
muss. Es könne nicht sein, dass bei solchen Ereignissen Verbraucher 16
verschiedene Landesseiten ansteuern müssen, um sich ordentlich zu informieren.
Lesestoff:
1) Bauern und Verbraucher haben eine
unterschiedliche Semantik
Roland Krieg