Ländliche Räume nach 2013
Landwirtschaft
Kolloquium „Regionale Entwicklungspolitik“ in Goslar
Im Goslarer Rathaus kamen Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft auf Einladung der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), des Johann Heinrich von Thünen-Instituts (vTI) sowie dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung (ML) zusammen, um über die Entwicklungsperspektiven der strukturschwachen ländlichen Räume zu diskutieren. Diese sind in besonderem Maße vom demographischen Wandel und von verschlechterten wirtschaftlichen Perspektiven betroffen. Die kommunalen Haushalte und regionalen Rahmenbedingungen lassen Ihnen auch oft nur noch wenig Gestaltungsspielraum.
Darüber hinaus macht eine kritische Reflexion über die Entwicklungsperspektiven strukturschwacher ländlicher Räume deutlich, dass die klassischen Instrumente der regionalen Struktur- und Entwicklungspolitik nicht ausreichen, um den Herausforderungen gerecht zu werden und die Chancen, die sich aus einer Neubewertung regionaler Potenziale für eine nachhaltige Regionalentwicklung ergeben könnten, zu nutzen.
Bilanz ziehen: Wo stehen die strukturschwachen ländlichen Räume
Prof. Dr. Peter Dehne (Hochschule Neubrandenburg) begann mit einer kritischen Reflexion über die Entwicklungsperspektiven ländlicher Räume und konzentrierte sich dabei auch auf die Bedeutung des sozialen Zusammenhalts. Dehne wies darauf hin, dass neben der bedeutenden und viel diskutierten Sicherung der Daseinsfürsorge die qualitative Bildung ein zentrales Handlungsfeld in den ländlichen Räumen sei, bisher aber zu wenig Beachtung fände. Aber auch Fragen des Images, der regionalen Identität und der Bildung von Nischenstrategien seien für zukünftige Entwicklungsstrategien sehr wichtig.
Prof. Dr. Peter Weingarten (vTI) stellte das bestehende komplexe Fördersystem, seine Auswirkungen und Politikmaßnahmen zur Entwicklung ländlicher Räume vor. Insbesondere ging er auf die Struktur des ELER-Programms und seine Programmschwerpunkte in Deutschland ein. Er wies darauf hin, dass das ELER-Programm zwar der Vielfalt der Regionen und Problemlagen Rechnung trägt, aber Förderpolitik nur rahmensetzend sein kann. Die Bundesregierung will daher in ihrem jüngst beschlossenen Handlungskonzept zur Weiterentwicklung ländlicher Räume ihre Politikbereiche besser koordinieren und Regionen mehr Möglichkeiten einräumen, ihre Zukunft stärker nach ihren individuellen Bedürfnissen gestalten zu können.
Abteilungsleiter Rainer Beckedorf (ML) zog Bilanz zur bisherigen Entwicklungspolitik für die ländlichen Räume Niedersachsens und gab einen Ausblick auf die zukünftige Ausrichtung der niedersächsische Landes- und Landesentwicklungspolitik. Dabei stellte er heraus, dass eine regional angepasste Politik nötig sei, eine entsprechend thematische Orientierung unbedingt auch die aktuellen Herausforderungen reflektieren müsse und die Ressortkoordinierung im Sinne einer effektiveren Entwicklung für die ländlichen Räume zu verbessern sei. Er forderte Offenheit der Landesregierung für neue Instrumente zur Unterstützung der notwendigen Entwicklungsschritte.
Die Region im Dreiländereck des Harzes
Mit einem engagierten Impulsstatement zu den Handlungsmöglichkeiten und -hemmnissen der kommunalen Ebene von Bürgermeister Ralf Abrahms (Bad Harzburg) wurde die Podiumsdiskussion eingeleitet. Die weitere Diskussion beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit der Bedeutung des Tourismus und der Energieforschung als Impulsgeber für die Regionalentwicklung im Harz. Als Anforderungen für die Zukunft wurden die Vereinfachung der Förderprogramme, ein offener Dialog der Beteiligten, Attraktivität der Region für die Bevölkerung, eine Verbesserung des regionalen Bildungssystems und die Förderung aller Branchen mehrheitlich genannt.
Dennis Gutgesell (stellvertretender Landrat des Landkreises Uecker-Randow) stellte die Doppelstrategie (Anpassung und Gegensteuern) des Landkreises Uecker-Randow, der beim Ranking im Prognos Zukunftsatlas 2007 den vorletzten Platz einnimmt, vor. Der Landkreis Uecker-Randow ist der Harzregion insoweit „voraus“, dass demographischer Wandel und Strukturschwäche die regionale Entwicklung bereits nachhaltig geschwächt haben. Gutgesell führte engagiert und überzeugend aus, dass betroffene Regionen sich auf unabwendbare Entwicklungen vorbereiten und im Rahmen der Anpassung kreativ nach Alternativen suchen müssen. Eine ganzheitliche Strategie, die mit allen relevanten Akteuren und der Bevölkerung entwickelt wird, ist unabdingbar.
Was können die strukturschwachen ländlichen Räume künftig machen?
In ihrem Schlussplädoyer fassten Prof. Dr. Ingo Mose (Universität Oldenburg) und Dr. Guido Nischwitz (Universität Bremen) die Referate, Statements und Diskussionen des Tages zusammen und formulierten Anforderungen an eine erfolgreiche regionale Entwicklungspolitik in und für strukturschwache ländliche Regionen.
Sie warnten davor, die Hoffnung auf eine Beibehaltung der bisherigen Fördermöglichkeiten zu setzen und gaben den strukturschwachen ländlichen Regionen für ihre zukünftige Entwicklung Empfehlungen: Offenheit und Mut für regions- und problemspezifische Entwicklungsstrategien, die institutionelle und organisatorische Erneuerung der Region vorantreiben, den Wandel und Interdependenzen managen, Anlässe und Anreize für regionale Integrations- und Kooperationsprozesse schaffen, konsequentes Erschließen und Inwertsetzen eigener Entwicklungspotenziale.
Die Ergebnisse des Kolloquiums fließen in die angewandte Forschungsarbeit der ARL und des vTI ein. Der starke Zuspruch und die erfolgreiche Diskussion zwischen Wissenschaft und Praxis im Rahmen der Veranstaltung sind Anlass, die Zusammenarbeit der Institutionen und des ML zukünftig stärker auszubauen.
Die Präsentationen des Kolloquiums werden auf den Homepages der Veranstalter eingestellt. Darüber hinaus wird die Thematik auch in die Vorbereitung des Fachkongresses „Leitlinien der niedersächsischen Landesentwicklung“ des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung im November 2009 einfließen.
ML, Foto: roRo