Land im Ausverkauf
Landwirtschaft
Protest gegen Land Grabbing
Weltweit Schlagzeilen hatte der Fall Madagaskar gemacht: Der südamerikanische Konzern Daewoo wollte mehr als eine Million Hektar Land auf der Insel vor Afrika kaufen. Seit dem wird das Thema „Land Grabbing“ immer wieder international für die Öffentlichkeit thematisiert und am Sonntag führten das Inkota-Netzwerk und FIAN auf dem Potsdamer Platz in Berlin ein Straßentheater auf, um auf die negativen Folgen für die heimische Bevölkerung aufmerksam zu machen. Der vergangene Sonntag ist der zentrale Aktionstag von La Via Campesina, dem internationalen Kleinbauernnetzwerk, dass sich für die Rechte der Bauern einsetzt, um das Recht auf Nahrung zum Erhalt der Ernährungssouveränität umzusetzen.
Großflächige Landnahme
Bis zu 50 Millionen Hektar weltweit sollen durch ausländische Investoren bereits als großflächige Landnahme (Land Grabbing) den Besitzer gewechselt haben. Evelyn Bahn vom Inkota-Netzwerk führte am Abend vorher in einer Diskussionsveranstaltung die Gründe an: Investoren suchen Ackerflächen für den Anbau von Energiepflanzen, die Golfstaaten mit wenig landwirtschaftlicher Nutzfläche und steigender Wasserknappheit sowie wachsender Bevölkerung suchen Flächen für die Nahrungsmittelproduktion und internationale Fonds bieten schließlich Boden als reines Spekulationsobjekt an.
Ausländische Investoren locken die Länder mit Versprechungen, Arbeitsplätze zu schaffen, die Infrastruktur zu verbessern und moderne Technologie ins Land zu holen.
In Berlin verteilte FIAN „Land-Lose“ an das Publikum: |
Flächen der Armen für die Reichen
Der legitime Austausch von Rohstoffen und Grundnahrungsmitteln läuft aus dem Ruder, wenn die Partner nicht auf Augenhöhe verhandeln. Bahn führt an, dass die meisten Länder in Asien und Afrika, die im Visier der Investoren liege, eine hohe Korruptionsrate haben, was den Flächenausverkauf begünstigt. Oft erfahren die Bauern erst nach den geheimen Vertragsverhandlungen, dass ihnen das Land ihrer Väter nicht mehr gehört. In Afrika wird Fläche gemeinschaftlich genutzt und weist keinen Besitztitel auf. Gehört das Land den Investoren, verlieren Viehhirten Weiderechte und Kleinbauern Einkommensquellen aus dem Sammeln von Wildfrüchten.
Die Lage verschärft sich, weil nach Roman Herre von FIAN ausgerechnet die Regionen betroffen sind, in denen Armut herrscht und Kleinbauern hungern. Vor kurzem bereiste er 14 Tage lang Kambodscha und untersuchte Landnahmen von Investoren aus Thailand, den Vereinten Arabischen Emirate und Australien. In Kambodscha kanalisieren politische Eliten den Landbesitz, der für Ölpalmen, Teakholz, aber auch Grundnahrungsmittel wie Exportreis bebaut wird. Mehr als drei Millionen Hektar haben in dem südostasiatischen Land den Besitz gewechselt und bedrohen 150.000 Menschen mit Vertreibung.
TNC ausgestalten
Die UN-Organisation für Wirtschaft und Entwicklung hat im vergangenen Jahr das Thema Landnahme im Welt Investment Bericht ebenfalls aufgenommen. Statt Land Grabbing spricht die UNCTAD von „Transnational Cooperations“. Die Ausgestaltungen der Produktions- und Lieferbeziehungen können sehr unterschiedlich sein. Von Lizenzproduktion und Vertragsanbau kann der Investor bis zur Form der Direktinvestition Betriebsmittel und das Landes vollständig unter Kontrolle bringen. Nach Angaben der UNCTAD werden seit einigen Jahren mehr als drei Milliarden US-Dollar jährlich in Direktinvestitionen im Agrarbereich gesteckt. Kambodscha und Laos stehen dabei noch vor Malaysia auf den ersten beiden Plätzen.
Die UNCTAD erkennt die Gefahren für die Ernährungssouveränität: Die Nahrungsmittelproduktion und damit die heimische Verfügbarkeit kann zurückgehen, der Zugang zu Nahrung wird für die betroffenen Bauern schwerer und die ausländische Produktion beeinflusst die Ressourcennutzung.
Uelzen-Ukraine |
Forderungen
Für die UNCTAD ist ein internationales Regelwerk erforderlich, dass bei Investitionen soziale und Umweltaspekte berücksichtigt und die lokalen Kleinbauern nicht vertreibt.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Der Ausschuss für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit der Bundesregierung hatte im Mai 2009 einen entsprechenden Antrag, das Thema Land Grabbing auf die nationale und internationale Tagesordnung zu setzen, abgelehnt. Die CDU/CSU-Fraktion sieht den Schlüssel für die Lösung in der „guten Regierungsarbeit“ der Zielländer.
Doch von nichts kommt nichts. Kurz bevor Herre in Kambodscha weilte, war auch Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel dort. Aber, so Herre, für die Anliegen der Nichtregierungsorganisationen vor Ort hatte er durchschnittlich nur drei Minuten Zeit. Auch die GTZ, die vor Ort die Technische Hilfe umsetzt, will, so Herre, mit dem Thema nicht die Partnerländer „kompromittieren“.
Internationale Grundrechte gibt es nach Roman Herre genug. Vom Recht auf Nahrung bis zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind genug Hebel vorhanden, negative Auswirkungen zu vermeiden.
Grundsätzlich müsse darüber diskutiert werden, ob die Industrieländer Kleinbauern oder Agribusiness haben wollen. Evelyn Bahn sieht die Regierungen der Industrieländer in der Pflicht, das Thema Land Grabbing bei den betroffenen Regierungen anzusprechen, um damit die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen vor Ort zu unterstützen.
Herre verweist auf Leitlinien gegen Vertreibung von Miloon Kothari, die er bei der UN Menschenrechtskommission aufgestellt hat. Sie finden zu wenig Beachtung.
Im Vordergrund steht bei den Gegenmaßnahmen auch das Verbraucherverhalten. Konsumenten sollen sich die Produkte genau anschauen, woher sie kommen. Gegenüber Zertifizierungen zeigen sich Bahn und Herre skeptisch, solange keine sozialen Standards aufgenommen sind.
Lesestoff:
Ein Film über das Theaterstück auf dem Potsdamer Platz wird es auf der Seite www.fian-berlin.de geben. Das Inkota-Netzwerk finden Sie auf www.inkota.de
Den World Investment Report 2009 finden Sie auf www.unctad.org (Den Bericht auf Herd-und-Hof.de darüber hier).
Die Kothari-Leitlinien gegen die Vertreibung finden Sie auf den Seiten der UN Menschenrechtskommission: www2.ohchr.org/english/issues/housing/docs/guidelines_en.pdf
Roland Krieg (Text und Fotos)