Landesbauerntag auf der MeLa

Landwirtschaft

Teller oder Tank? Viel Übereinstimmung

Zum zweiten Mal kamen über 70.000 Besucher auf die Mecklenburgische Landwirtschaftsaustellung, die von Donnerstag bis Sonntag ihre Bedeutung für Technik, Ackerbau, Tierhaltung, Unterhaltung und zahllosen Sonderthemen rund ums Land unterstrich. Umso erstaunlicher, weil der Veranstaltungsort Mühlengeez bei Güstrow eher abseits liegt. Das Thema Teller oder Tank stand am Freitag auf dem Landesbauerntag im Mittelpunkt und wurde im Detail leidenschaftlich, aber im großen übereinstimmend diskutiert. Die Produktion von Lebensmitteln bleibt vornehmste Aufgabe der Bauern. Danach erzeugen sie Futtermittel für die Tierhaltung, die mit ihren veredelten Produkten am Ende auch auf dem Teller landen. Erst was „übrig bleibt“ wird energetisch oder stofflich genutzt. Dabei zeigten die Podiumsteilnehmer sachliche Argumente auf, die Mehrfachlösungen ermöglichen.

Ost-Grün ist anders

Ganz ohne politische Sticheleien kommt kein Bauerntag aus. Landesbauernpräsident Rainer Tietböhl verwahrte sich dann auch gleich zu Beginn gegen die Vorschläge der G-Länder, die einen radikalen Wechsel in der Agrarpolitik fordern [1]. Vor allem weil es auf die Erntedankfeste zugeht und die Landwirtschaft zeigen kann, wie viel Fleiß und Arbeit hinter den Ernteergebnissen stehen, führen Träumereien statt Wirtschaft zu keinem Ergebnis. Die Bauern seien einer Modernisierung nicht abgeneigt, aber sie wollten keinen Kahlschlag. Die Umsetzung der grünen Vorschläge werden dem ländlichen Raum ein Drittel weniger Geld zur Verfügung stellen: „So geht das nicht!“, sagte Tietböhl. Dabei geht es nicht nur um die Landwirtschaft. Das Geld fehle auch dem Handwerk und den Dienstleistern im ländlichen Raum.
Speziell den grünen Spitzenkandidaten Jürgen Trittin kritisierte Tietböhl. Mit dem Begriff „Drogenhändler“ habe er die ganze Tierhaltungsbranche beleidigt.
Jürgen Suhr, Landesvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen, stellte klar: „Ich bin nicht Jürgen Trittin! Mit missfällt nicht nur im Wahlkampf manche populistische Äußerung. So hat mir auch diese Aussage nicht gefallen.“ Im Osten gehen die grünen Uhren anders.
Auch Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus warnte vor fehlenden Finanzmitteln für den ländlichen Raum. In der nächsten Förderperiode bis 2020 verliert Mecklenburg-Vorpommern rund 750 Millionen Euro. Dann würde die Tierhaltung abgeschafft, Menschen verlieren ihre Arbeit und Monokulturen werden angebaut. Dann sei auch der Ökolandbau kaputt: „Das dürfen wir nicht zulassen.“

Teller oder Tank?

Für Dr. Backhaus stellt sich kein Gegensatz dar. Beides muss gehen und beides werde funktionieren. Hunger und Armut resultieren aus einem Verteilungsproblem, nicht weil zu wenig Lebensmittel erzeugt werden. In Deutschland stehen rund 170.000 Lebensmittelprodukte in den Regalen und pro Kopf landen 80 Kilogramm pro Jahr im Müll. Neben diesen Verschwendungsreserven, die es zu schließen gilt, dürften die Menschen aus gesundheitlichen Gründen auch an Genügsamkeit, nicht aber an Enthaltsamkeit denken. Wenn jeder Mensch 600 Gramm Fleisch in der Woche isst, dann müssten jährlich rund 221 Millionen Tonnen davon produziert werden. Im Vorjahr lag die Fleischerzeugung aber bereits bei 301 Millionen Tonnen, rechnete er vor. Auch beim Veredlungsprodukt Fleisch handelt es sich um ein Verteilungsproblem. Er empfahl die Ernährungsregeln der DGE, mehr Obst und Gemüse zu essen und auf die tägliche Fleischmahlzeit zu verzichten.
Wenn das Thema Bioenergie heute zum Problem geworden ist, dann liege dass nicht daran, dass die Bauern auf das falsche Pferd gesetzt haben, sondern weil sie in die falsche Spur gesetzt wurden. Als die Grünen das Landwirtschaftsministerium führten, rechnete Renate Künast vor, dass die Bauern mit der Energiewende zu neuen Ölscheichs werden können. Auch das hat die Bodenpreise in die Höhe getrieben. In Mecklenburg-Vorpommern kostete ein Hektar Land in den 1990er Jahren zwischen 500 und 800 DM, heute muss der Käufer bis zu 50.000 Euro auf den Tisch legen.
Die Reihenfolge der Nutzung steht fest: Zuerst kommt die Lebensmittelerzeugung, dann die Futtermittelproduktion und zum Schluss die Erzeugung von Biomasse für Energie und Textilien oder die Chemie.
Das kürzlich bei Güstrow eröffnete Strohheizwerk zeige einen Weg, wie Energie mit Rohstoffen erzeugt werden kann, die nicht in Konkurrenz zur Nahrung stehen. Dort werden 625 Tonnen Stroh von 160 Hektar in Biowärme umgewandelt, die für Gewächshäuser, eine Kita, Sporthalle und Arztpraxis zur Verfügung steht. Backhaus warnte, dass die Diskussion über Bioenergie nicht übertrieben werden darf. Weltweit werden nur vier bis sechs Prozent energetisch verwendet.

Korrekturen

Ministerialdirektor Clemens Neumann aus dem Bundeslandwirtschafts-ministerium verteidigte das Erneuerbare Energien Gesetz: „Das EEG ist eine Erfolgsgeschichte!“. Dennoch bedarf es Korrekturen. Das EEG aus dem Jahr 2009 wurde wegen der Effekte großer Maisanbauflächen für große Biogasanlagen 2012 korrigiert. Im Herbst steht eine weitere Überarbeitung an, doch sollte das Gesetz eine Laufzeit von drei Jahren aufweisen, damit Investoren auch wirtschaftlich planen können. Der Maisanbau für die „Biogas AGs“ sei durchaus eine Fehlentwicklung gewesen, weswegen jetzt auch kleine Bauernanlagen von 75 kW gefördert werden. Auch der Einsatz von Gülle wird noch nicht im gewünschten Umfang eingesetzt. 60 Prozent sollen das Ziel sein, was dann auch eine deutliche Verbesserung der verringerten Nährstoffauswaschung nach sich zöge. Bis aber Effekte nach einer Gesetzesänderung sichtbar werden, vergehe eine Zeit. Ziel sind landwirtschaftliche Anlagen und eine Kreislaufwirtschaft auf dem Hof. Ein Problem sind die Altanlagen, weil sie gegenüber dem heutigen Stand eine zu geringe Effizienz aufweisen. Neu dürfen nur noch Biogasanlagen mit einem Wärmenutzungskonzept gebaut werden. Auch das ist eine Erfahrung aus der bisherigen Energiewende.

Überlebenswichtig

Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, bezeichnet die Energiewende schlicht als „Überlebenswichtig“, um aus der Falle der „fossilen und atomaren Energie“ herauszukommen. In Japan könne man verfolgen, dass die Landwirtschaft am meisten unter der Atomkatastrophe leidet: Die Landwirte können ihre Ware nicht verkaufen, haben ihr Land verloren und können nicht woanders hinziehen. Die Energiewende erfordert Geduld. Sie kann nicht im Vierjahres-Rhythmus einer Legislaturperiode abgerechnet werden, sondern beansprucht eine Laufzeit von 20 bis 30 Jahren.
Dennoch ist die Energiewende zu einem Fremdwort in der Gesellschaft geworden. Auch Haushalte haben elektronisch aufgerüstet und verbrauchen mehr Strom als vorher. Kraftwärmekopplung ist das Zauberwort. Sie müsse nicht nur gefördert, sondern auch vorgeschrieben werden. Und am Ende bedeutet Energiewende auch Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft.
Alleine der Wunsch nach Elektromobilität wird den Strombedarf langfristig steigern. Lösungen, ohne die Naturressourcen zu belasten sind gefragt und auch für Mecklenburg-Vorpommern vorhanden: Leindotter [2].Eine Veränderung im Ackerbau vermindert die Nährstoffeinträge oder die Erosion. Bayern leidet unter Wassererosion und Mecklenburg-Vorpommern unter der Winderosion, wie die Massenunfall vor Rostock gezeigt habe [3].
Weiger forderte, die Probleme ehrlich zu diskutieren. Photovoltaik müsse von den Ackerflächen runter. Deutschland habe genug Dächer, um die Nutzungskonkurrenz auf dem Feld zu verringern.

Das neue EEG

Die Dächer hat auch Dr. Helmut Born, bis vor kurzem noch Generealsekretär des Deutschen Bauernverbandes, im Sinn. Möglicherweise soll der Sonnenstrom auch am besten dort produziert werden, wo die meiste Sonne ist: In Nordafrika. Deutschland kann seinen Wald für die Energiewende nutzen. Rund 12 Millionen Hektar stehen zur Verfügung, aus denen 100 Millionen Kubikmeter geerntet werden. Mit Pellets, Scheitholz und Hackschnitzel hat sich ein differenzierter Markt etabliert. Was für Möbel, den Hausbau oder für Papier verwendet wird, kommt in einem zweiten Schritt der Energienutzung zugute. Die Steigerung der Produktivität auf dem Acker könne Flächen frei setzen, die für die heimische Energieversorgung oder für die Milchproduktion genutzt werden können. Milchpulver ist derzeit in China stark gefragt. Wohin es geht, könne das EEG steuern.
Für die Reform des EEG hat er folgendes Ziel vorgeschlagen: Die Biogasanlage muss in die Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebes integriert werden. Sonst entstünden große Anlagen, die auf Dauer die hohen Transportkosten nicht mehr tragen können. Wo eine Wärmenutzung nicht möglich ist, soll das Biogas zu Biomethan veredelt und zu Blockheizkraftwerken in der Stadt geführt werden.

Energieexporte aus MV

Jürgen Suhr malte die Vision aus, dass Mecklenburg-Vorpommern zu einem „Energieexportland“ werden kann. Vor einigen Jahren hätte auch niemand daran gedacht, dass der Ausstieg aus der Atomenergie möglich sei. Suhr spricht der Landwirtschaft eine bedeutende Rolle zu, Ressourcen nachhaltig zu nutzen. In der gesamten Diskussion dürfe nicht vergessen werden, Energie einzusparen: „Den wachsenden Energiehunger kann man nicht mit grenzenloser Energielieferung befriedigen.“ Eine Balance zwischen Einsparen, Effizienz und Bereitstellung würde auch die Flächenkonkurrenz beenden und damit den Druck von den Lebensmittelpreisen nehmen.
Für den Bau von Biogasanlagen müssten Folgewirkungen analysiert werden. Das sei Aufgabe der Politik. Sie müsse auf ein Gesamtkonzept drängen, dass auch die Nährstoffeinträge in die Ostsee oder die Degradation der Böden berücksichtigt. Es müsse deutlich werden, dass solche Maßnahmen „etwas kosten“. Sie bringen aber auch etwas: Wenn die Blaualgen in der Ostsee blühen, schädige das dem Tourismus, der im Bundesland ebenfalls einen hohen Stellenwert habe. Aus diesem Grunde favorisiert Suhr die volle Modulation von 15 Prozent der Agrargelder aus der ersten in die zweite Säule.

Neue Sorten braucht das Land

Minister Backhaus griff den Vorwurf der Maiswüsten auf, die in Mecklenburg-Vorpommern zu sehen sein sollen. Nur 14 Prozent der Fläche werden mit Mais angebaut, wenn es auch punktuell deutlich mehr sein kann. Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik mit dem Einzug von Fruchtfolgen ist nach Dr. Backhaus ein ausreichendes Kriterium für den weiteren Rückgang des Maisanbaus. Mais wandere zu zwei Dritteln in den Trog und nicht in die Biogasanlage. Die Maispflanze ist so beliebt, weil sie „ökonomisch durchgestylt“ ist. Schuld daran haben vier Weltkonzerne, die überhaupt den Saatgutmarkt zu stark unter Kontrolle haben. „Wir brauchen eine alternative Pflanzenzüchtung“, forderte er auf der MeLa.

Herd-und-Hof.de hat Dr. Backhaus im Anschluss an die Diskussion befragt, was er sich darunter vorstelle. Denn gerade im heimischen Futteranbau gibt es Defizite: Der Norden ist für Soja zu kalt, Ackerbohnen und Futtererbsen sind im Ertrag nicht stabil und Züchtung auf der Basis auch moderner grüner Gentechnik findet keine Akzeptanz.

Backhaus erneuerte den Vorwurf, dass der Saatgutmarkt falsch aufgeteilt ist. In den Saatgutbanken lagern mehr als 2.000 Futtereiweißpflanzen, die nicht bearbeitet werden. Groß Lüsewitz bei Rostock hingegen arbeitet seit Jahren erfolgreich an der Blauen Lupine, die auch bereits Spitzenerträge von 42 dt/ha erzielen kann. Futtergräser seien ebenfalls ein vernachlässigter Forschungsbereich [4] und Klee wird noch immer unterschätzt. Das Eiweißkompetenzzentrum wird nach Mecklenburg-Vorpommern kommen und die Forschungslandschaft bereichern.

Clemens Neumann ergänzt, dass in der jüngsten Vergangenheit auch die Zuckerrübe als Energierübe eine neue Wertschätzung erfährt. Die KWS hat bereits seit 2009 eine auf den Markt gebracht. Nach Neumann werden sich die Alternativen regional angepasst ergeben: Soja im Süden und Luzerne im Norden. Einer der Treiber wird der Ökolandbau sein, der ab 2014 nur noch Futter von der eigenen Fläche einsetzen will. Mais habe längst Konkurrenz erhalten, die auch einen anderen Ackerbau nach sich zieht. Die Durchwachsene Silphie beispielsweise ist eine mehrjährige Pflanze, die zwar erst ab dem zweiten Jahr richtigen Ertrag bringt, aber auch noch nach Raps bis in den November blüht und den Bienen neues Futter bietet.

Oft sind die im Alternativen noch zu wettbewerbsschwach. Prof. Weiger forderte daher eine Förderung, bis die Pflanze züchterisch auf Wettbewerbsniveau gebracht ist.

Konkret will Mecklenburg-Vorpommern die Bauern mit 70 bis 100 Euro pro Hektar fördern, wenn sie zehn Prozent ihrer Fläche mit Leguminosen bebauen. Der genaue Betrag stehe noch nicht fest.

Als es an die Umsetzung der Ideen kam, mischte sich auch Bauernpräsident Tietböhl ein. Er ist skeptisch: Zehn Prozent sei viel zu hoch. Auch die Blaue Lupine erzielt nicht jedes Jahr 42 dt/ha. Da müsse er die Illusion rauben, dass alles schnell und einfach gehe. Vor allem Züchtungsarbeit ist ein „Ausdauerthema“.

Lesestoff:

[1] AMK-Vorschlag G-Länder

[2] Camelina sativa war in Deutschland im 18. Jhd. weit verbreitet und wird vor allem in Frankreich noch heute als würziges Speiseöl verwendet. Ein Fürsprecher des Leindotters im Mischanbau mit anderen Kulturen ist Dr. Norbert Makowski aus Mecklenburg-Vorpommern. Versuche haben ergeben, dass von einem Hektar eine Dezitonne (dt) Leindotter und 30 dt Gerste, oder vier dt Leindotter mit 35 dt Weizen geerntet werden können. Auch mit Erbsen lässt sich Leindotter anbauen und erzielt rund 400 Euro zusätzlich pro Hektar. Zum Vergleich: In diesem Jahr wurden durchschnittlich 67 dt Wintergerste und 78 dt Winterweizen geerntet.

[3] Winderosion verursacht Massenkarambolage auf der A 19

[4] Futtergräser

Roland Krieg; Fotos: roRo

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