Landnutzung unter Stress

Landwirtschaft

Landnutzung: Kleine Schritte mit großer Wirkung

Die Vielfalt landwirtschaftlicher Nutzungssysteme ist groß. Von den Pastoralisten in den Trockenzonen der Erde bis zu den Waldbauern in Indonesien, von den Großbetrieben in den USA bis zu den Familienbetrieben im Bergischen Land. Alle haben das gleiche Ziel der Einkommens- und Ernährungssicherung. Doch gleichzeitig sind die Bauer in den abgelegenen Regionen von der Ernährungssouveränität abgeschnitten und müssen den Folgen des Klimawandels etwas entgegen setzen. Diesen Bauern widmete sich der Themenblock „Landnutzung unter Stress“ auf dem Tropentag 2011 an der Universität Bonn.

Kleine Schritte

Forschungsergebnisse zeigen, dass nicht immer gleich an dem großen Rad gedreht werden muss, wenn den Menschen vor Ort Sicherheit und Wohlstand gewährleistet werden soll.
So konnte Birgit Müller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig zeigen, dass ein ausgeklügeltes Futtersystem den Pastoralisten in bei ihrer Tierhaltung in den ariden und semi-ariden Regionen helfen kann. In Afrika werden rund drei Millionen Hektar Weideland mit Schafen und Ziegen beweidet. Die Tierhaltung erwirtschaftet rund 120 Millionen US-Dollar an Wertschöpfung. Doch das sehr stark vom Niederschlag abhängige System wird durch Überweidung zunehmend fragiler. Studien zeigen, dass in zehn Prozent der Jahre die Herden unterhalb der möglichen Herdengröße liegen. Zusätzliche Fütterung in der Trockenzeit könnte das so genannte „Destocking“ der Herden verhindern. Doch birgt die Zusatzfütterung neue Gefahren: Es werden Abhängigkeiten vom Zusatzfutter geschaffen, die Herden werden zu groß und die Futterflächen überweidet. Zusatzfutter verschafft nur kurzfristige Hilfe und zeitigt langfristige Schäden.
In einem neuen System wird zwar auch Zusatzfutter für die Trockenzeit verabreicht, aber Weiden wurden zusätzlich nach der Trockenheit der Regeneration überlassen und nicht beweidet. Dieses Modell hat ökologische und ökonomische Vorteile. Die Futtergrundlage bleibt längerfristig bestehen und teures Zusatzfutter wird weniger eingesetzt.

Traditionen umdenken

Steven Woods von der Universität Arizona hat sich die Tierhaltung der Beduinen in Jordanien angeschaut. Sie weiden mit ihrem Vieh traditionell wo Land nicht in Kultur genommen wurde oder eingezäunt ist. Staatliche Subventionen für Zusatzfutter haben die Herden größer werden lassen, so dass schon am Ende der Regenzeit manche Weiden in schlechtem Zustand sind. Die Tierproduktion ist die einzige Einkommensquelle der Beduinen. Eine Rückkehr zu einem Subsistenzbetrieb ohne Marktbindung nicht mehr möglich. Weite Teile Jordaniens weisen weniger als 200 mm Niederschlag auf. Ackerbau ist nicht immer erfolgreich und Tierhalter zahlen eine Gebühr, um die Vegetationsreste mit ihren Herden zu beweiden. Nach Woods steht dabei das Weideverbot kultivierten Landes noch immer als Barriere im Vordergrund. Dabei könnte ein gezielter Anbau von Gerste als „offenes Weideland“ so etwas wie eine Futterbank werden. Eine neue Chance für die Tierhalter.

Armut und Entwaldung

Sunny Winujiwati Hotmarisi Reetz von der Georg-August-Universität Göttingen stellt in ihrer Forschung den Zusammenhang zwischen Armut und Entwaldung in Indonesien her. Kleinbauern besitzen oftmals nur wenig mehr als einen halben Hektar Land. „Großbauer“ ist man schon mit einem und zwei Hektar. Rund die Hälfte der Entwaldung wird in Indonesien durch die Kleinbauern verursacht. Aber anhand von Parametern wie Elektrizität, Motorrädern, Handtraktoren oder Marktentfernung konnte sie ein differenzierteres Bild zeichnen. Nur die ärmsten und reichsten Dörfer roden den Regenwald. Dazwischen gibt es eine gesellschaftliche Wohlfahrt, die den Wald unangetastet lässt. Wer beispielsweise eine bewässerte Ackerkultur zu pflegen hat, ist mit der intensiv beschäftigt und erzielt ein ausreichendes Einkommen, dass ein Roden des Waldes nicht mehr statt findet. Effekte, die den Regenwald schützen, sind auch Ausbildung im Bereich der nachhaltigen Landbewirtschaftung.

Die beiden Seiten des Marktzugangs

Marktzugang gilt bei der Entwicklung von Bauern als ökonomische Treibfeder. Maria Salonen von der Universität Helsinki hat dem Begriff ein Gesicht gegeben. Im peruanischen Amazonasbecken, groß wie Deutschland, verglich sie Straßen und den Amazonas als Transportwege und die Auswirkungen auf die Bevölkerung. Für die Überbrückung von 80 Kilometer Luftlinie für den nächsten großen Markt müssen die Peruaner rund 100 Kilometer Straße oder 150 Flusskilometer zurücklegen. Zeit spielt dabei auch eine Rolle. So werden Kräuter und Schnittblumen nur innerhalb einer Wegstrecke von vier Stunden transportiert. Frischer Fisch über die Dauer eines Tages, Ananas und Kokosnuss über zwei Tage und Maniok und Zitrusfrüchte über drei Tage hinweg. Je nachdem, wie die Menschen solche Strecken bewältigen, bilden sich Produktionsringe um die die Stadtzentren. Umgekehrt spiegelt die Infrastruktur der Stadt ins Umland auch die Zerstörung des Regenwaldes wider. Je zunehmender Infrastruktur werden entferntere Forstressourcen erschlossen. So führen die Wünsche der Bevölkerung nach Marktzugang auch zu unerwünschten Effekten. Maria Salonen will nun die sozialen und Umwelteffekte einer Verbesserung der Infrastruktur herausarbeiten, um Marktzugang und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen.

Lesestoff:

Auftakt Tropentag

Zahlungswilligkeit für Umweltleistung und zertifizierte Produkte in den Entwicklungsländern

Roland Krieg

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