Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd
Landwirtschaft
Wie kompliziert das Recht auf Umweltprüfung ist
„Siedlungsbrei statt Landschaftsschutz im Inntal?“ Das fragt der BUND Naturschutz in Rosenheim. Über den aktuellen Streit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen Vorlageentscheid gefällt.
Landschaftsschutzgebiet
Im Gegensatz zu einem Naturschutzgebiet stellt ein Landschaftsschutzgebiet (LSG) die abiotischen Ressourcen n den Vordergrund. Es geht um den Schutz des Naturhaushalts und seiner Funktionsfähigkeit. Neben Pflanzen und Tieren soll auch das Wasser, das Klima und das Landschaftsbild geschützt werden. Das LSG Inntal-Süd wurde 1852 ausgewiesen und umfasst rund 4.600 Hektar Land zwischen Tirol und Rosenheim. Damit liegt das LSG im sensiblen Alpenvorland, das mit seinem Landschaftscharakter und seiner Außergewöhnlichkeit etwas Besonderes ist. Flusstäler in den Alpen müssen aber immer mehr Funktionen erfüllen. Neben dem Naturschutz, drängeln sich Gewerbe- und Siedlungsgebiete. Direkt südlich von Rosenheim befinden sich viele Auseen, entlang des Inns nach Österreich führt parallel die Autobahn 93.
Es gibt also viel Druck, dessen Auswirkungen der vormalige Landespräsident des Bund Naturschutz in Bayern (BN) Prof. Hubert Weiger schon als „Siedlungsbrei“ bezeichnet hat. „Diese krebsartige Gebietsentwicklung hat mit einem organischen Wachstum nichts mehr zu tun.“
Klage gegen Verkleinerung
Im April 2013 hat der Landkreis Rosenheim mit der „Inntal-Süd“- Verordnung den „Landschaftsraum östlich und westlich des Inns zwischen der Staatsgrenze zu Österreich in der Gemeinde Kiefersfelden und der Stadtgrenze zur Stadt Rosenheim“ geschützt. Ausdrücklich den Flusslauf des Inns und seiner Auen. Demnach dürfen keine Handlungen vorgenommen werden, die den Charakter des Gebietes verändern. So dürfen keine Stege, keine Zäune und keine Gebäude ohne die Genehmigung des Landkreises gebaut werden. Der Landkreis Rosenheim tritt als untere Naturschutzbehörde auf.
Allerdings umfasste die neue Verordnung ein Gebiet, das 650 Hektar kleiner war, um die laufende Bebauung nicht zu behindern. Und dieser Eingriff wurde ohne eine Umweltprüfung durchgeführt. Die Flächen waren über das gesamte Gebiet verteilt. Neue Ausgleichsflächen zwischen Oberaudorf und Kiefersfelden haben den Verlust nicht ausgeglichen.
Der BN klagte 2014 gegen die Verkleinerung ohne Umweltprüfung beim Bayerischen Verwaltungsgericht, das ein Jahr später dem BN die Antragsbefugnis absprach. Möglich wurde aber die Revision beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig, das wegen Auslegungszweifel den EUGH um eine Vorabentscheidung bat.
Das Urteil
Der Landkreis Rosenheim und die Landesanwaltschaft Bayern gehen davon aus, dass die „Inntal-Süd“-Verordnung keinen Plan und kein Programm darstelle, die in den Geltungsbereich der EG 2001/42 (Prüfung von Umweltauswirkungen) falle, da es sich um eine abstrakte Regel handele. Dann hätte eine Umweltprüfung stattfinden müssen. Wohl hat der EuGH schon früher festgestellt, dass bei erheblichen Umweltauswirkungen auch eine Umweltprüfung bei Plänen und Programmen durchzuführen sei, aber nur wenn die Pläne und Programme im Detail ausgearbeitet sind und zusätzlich in den Anhängen der Richtlinie EU 2011/92 (Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten) aufgeführt sein.
Der EuGH sieht zwar die Prüfungspflicht auch bei Plänen und Programmen (EG 2001/42) an, aber erkennt sie nicht als verpflichtend nach EU 2011/92 an. Da beide Voraussetzungen erfüllt seinen müssen, kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die nationale Maßnahme (des Landkreis Rosenheims) nicht unter die Prüfungspflicht fällt.
„Wir sind mit dem Ausgang durchaus zufrieden“, sagt BN-Geschäftsführer Peter Rottner nach dem Urteil. Es wurde „grundsätzlich festgestellt“, „dass es sich bei Schutzgebietsverordnungen je nachdem wie sie verfasst sind um sogenannte ‚Pläne und Programme‘ handeln kann, die einer Strategischen Umweltprüfung unterzogen werden müssen. Schade ist nur, dass der EuGH im konkreten Fall keine Verpflichtung für eine strategische Umweltprüfung sieht.“ Der BN feiert das Urteil als Teilerfolg. Schließlich steht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes Leipzig noch aus.
Az: ECLI:EU:C:2022:102
Roland Krieg
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