Landwirte-Kritik am DLG-Erntebarometer
Landwirtschaft
Helfen oder verwirren nicht verifizierte Erntedaten?
Mit dem Erntebarometer der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) sowie des Kölner Pflanzenschutzspezialisten Adama und dem Deutschen Raiffeisenverband (DRV), haben Landwirte die Möglichkeit, anonym und unverbindlich ihre Erntedaten einzugeben. Seit einigen Jahren gibt es diese Möglichkeit für die Getreide-, Rapsernte, Daten über Kartoffeln und Zuckerrüben, Körner- und Silomais. Auch Aussaatflächen und Angaben über den Pflanzenschutz nach Aufwand und Mittel sind möglich.
Mit der Pflichtangabe Postleitzahl können Landwirte rund um das Jahr ihre Daten eingeben, mit de Angaben auf einer Deutschlandkarte zugeordnet werden. Landwirte können ihre Daten einfach und unkompliziert regional und bundesweit einordnen. Das Ackerbarometer ist eine Fieberkurve, die abhängig von Qualität und Datenmenge einen Überblick für die Praktiker generiert.
Verwirrende Daten
Vergleiche sind hilfreich. Gerade in einem Geschäft, das sehr stark von der Witterung abhängig ist. Auf einem Ankündigungsportal aber gibt es eine Kommentar-Funktion zur aktuellen Meldung über das Erntebarometer, die der Nutzer „agricola pro agricolas“ [1] am 26. September ausführlich genutzt hat, was bis um 06. Oktober von 15 Lesern und Leserinnen positiv und nur einmal negativ bewertet wurde.
Dem Kommentierenden fiel vor allem in diesem Jahr der Unterschied zwischen den Ertragsmeldungen im Erntebarometer und den offiziellen Marktberichten auf. Offenbar nutzen überwiegend Landwirte mit überdurchschnittlichen Erträgen das Portal und erzeugten „Jahr um Jahr Erntedruck in Reinstform.“ Beispielsweise lieg der Durchschnittsertrag bei Winterweizen in diesem Erntejahr nach dem Erntebarometer bei 8,3 Tonnen. Der Deutsche Bauernverband hat nach Analyse der Angaben aller Landesbauernverbände einen bundesweiten Ertragsdurchschnitt von 7,3 Tonnen gemeldet. Der Dinkelertrag wird mit zehn Tonnen angegeben.
Der Kommentierende spricht von verwirrenden Zahlen und bezweifelt deren Echtheit. Die Zahlen können ja anonym und unverbindlich eingegeben werden. Hohe Erntemengen generieren Preisdruck und spielten eher in die Hände der aufnehmenden Hand. Stattdessen sollten die Landwirte „die realen, ehrlichen Mengen und Qualitäten, die über die geeichten Waagen laufen“ im Portal melden.
Die Folgen sind für den Kommentator klar: Wer mit stolz geschwellter Brust überhöhte Erträge meldet, sei „betriebswirtschaftlich sehr emsig dabei …, das eigene Grab zu schaufeln.“
Wer meldet welche Daten?
Daten sind für einen transparenten Markt wichtig. In der Landwirtschaft verfolgt eine Armee an Börsenspezialisten den gesamten Jahresverlauf von der Aussaatfläche, über den monatlichen Vegetationsstand bis zur Ernte. Hinzu kommen kurzfristige und langfristige Wettereignisse, Veränderungen auf Import- und Exportmärkten, politische Entscheidungen über Quoten und Zollsätze sowie Lagerbestände. Das US-Landwirtschaftsministerium ist weltweit die führendste Nachrichtenquelle über Marktveränderungen. Spezialisten für Getreide und Ölsaaten, die Regionalbörsen in Deutschland, die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft und nahezu jeder Börsenticker verbreitet Nachrichten und Meldungen, die zu Preisänderungen an den Terminmärkten führen und Händlern Orientierung für die Kassapreise geben.
Das Nachrichtengewitter kann innerhalb einer Woche zu fallenden und steigenden Preisen führen, sich am Ende ausgleichen, aber Spekulanten zwischendurch immer wieder Gewinnmitnahmen ermöglichen.
Landwirte, die vergangenen Herbst und dieses Frühjahr ihre Getreideernte 2021 mit 180 bis 200 Euro abgesichert haben, machen bei den aktuellen Weizenpreisen von rund 50 Euro Verlust je Tonne. Angesichts niedriger Erzeugererlöse, stark steigenden Betriebsmittelkosten und Landwirten mit argen Liquiditätsproblemen sind nervöse Märkte alles andere als ein Ruhekissen.
Was sagen die Betreiber?
Das Erntebarometer wird in seinen verschiedenen Kategorien unterschiedlich genutzt. Analysten wissen die Qualität von acht Meldungen über Sommerweizenerträge richtig einzuschätzen (Stand 06.10.2021). Landwirte machen sich aber offenbar auch deutliche Gedanken. DLG, Adama und der DRV haben auf Anfrage von Herd-und-Hof.de dazu folgende gemeinsame Stellungnahme abgegeben:
„Das Ackerbarometer ist keine offizielle Ertragsmeldung, sondern ein interaktives kommunikatives Meldetool für Landwirte – sozusagen ein virtueller (Ertrags-) Stammtisch. Ziel ist es, den Landwirten eine einfache Möglichkeit zu geben, sich anonym mit ihren Berufskollegen zu vergleichen. Regionale Unterschiede und Trends lassen sich über die Karte gut erkennen.
Dabei geht es ja nicht nur um die Erträge, sondern z.B. auch darum wann Aussaat oder Ernte in der Region begonnen haben. Die Vielzahl der Meldungen zeigt, dass das Ackerbarometer von den Landwirten gerne angenommen wird."
Lesestoff:
Das Erntebarometer finden Sie beispielsweise unter https://www.dlg.org/de/landwirtschaft/themen/ackerbarometer
[1] Der Nominativ Plural von agricola ist im lateinischen agricolae. „Ein Bauer für die Bauern“.
Roland Krieg
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