Landwirte sind keine Tierquäler
Landwirtschaft
Christian Schmidt im brandenburgischen Thyrow
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke lud am Sonntag Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu einer Diskussionsveranstaltung mit Landwirten nach Thyrow, südlich von Berlin. Das Dorf ist eines von 13, die sich im Speckgürtel von Berlin zum Gemeinwesen Trebbin zusammengeschlossen haben. Bürgermeister Thomas Berger konnte Schmidt von der Lebendigkeit des ländlichen Raums überzeugen. Dazu gehörte ein Besuch der Agrargenossenschaft Trebbin (AGT), die auf 4.100 Hektar landwirtschaftlicher Fläche, darunter 1.200 Hektar Grünland, ein umfangreiches Unternehmen mit Landhotel, Baumaschinenverleih und Biogasanlage betreibt. Neu ist der Milchviehstall, der für 810 Milchkühe ausgerichtet ist. Zusätzlich hält die Genossenschaft noch 750 Mastrinder.
Moderne Landwirtschaft
Schmid zeigte sich nach dem nicht öffentlichen Rundgang von der modernen Landwirtschaft beeindruckt. „Hier läuft was“, sagte er und unterstrich damit das Selbstbewusstsein der Trebbiner. Die AGT hat 20 Ausbildungsplätze und gehört für Schmidt zu den Vorbildern im ländlichen Raum vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Für das Image der Landwirtschaft seien die Betriebe selbst verantwortlich. Der Bund könne mit Modellvorhaben und Informationsmaterial die Besetzung der grünen Berufe nur begleiten.
Die AGT spiegele die moderne Landwirtschaft wider und bot Schmidt einen Querverweis auf die zeitgleich in Potsdam stattfindende Demonstration „Wir haben es satt“ an [1]. „Ich habe es nicht satt, über Themen wie Tierwohl zu diskutieren“, sagte Schmidt. „Aber es müsse eine Gesprächsbereitschaft bestehen. Der Holzhammer gehöre nicht dazu.“ Moderne Ställe, wie der von der Trebbiner Agrargenossenschaft, sind weit weg von den alten „märchenhaften“ Vorstellungen der alten Landwirtschaft und entsprächen modernen Tierwohlaspekten. „Wir lassen nicht zu, die deutschen Landwirte als eine Ansammlung von Tierquälern zu diffamieren!“
Mitte September wird das Bundeslandwirtschaftsministerium seine Tierwohl-Initiative vorstellen. Nach mittlerweile drei Tierschutzlabeln und einer Verbundinitiative von Deutschem Bauernverband und dem Handel soll also nun noch eine weitere gestartet werden?
Schmidt sagte dazu zu Herd-und-Hof.de, dass die Tierwohl-Initiative des Deutschen Bauernverbandes der große Feldversuch sei, am Ende an der Ladenkasse drei bis vier Cent mehr pro Kilogramm Fleisch zu erhalten. Die Initiative des Ministeriums werde umfassender sein. Es soll ein Beirat aufgebaut werden, der alle Tierhaltungsfragen aus Sicht der Forschung moderiert. Themen wie das Kürzen von Schnäbel bei Legehennen und Schwänzen bei Schweinen sowie das Enthornen von Kälbern stehen genauso auf dem Programm wie das Einstellen des Tötens der männlichen Eintagsküken und die Ausgestaltung der Tierställe. Zusätzlich wird die Initiative eine ethische Komponente beinhalten: „Das Tier ist ein Lebewesen.“ Wer gute Ideen im Bereich des Tierwohls habe, der solle auch gefördert werden, fügte Schmidt hinzu.
Mindestlohn
Jana Schimke gehörte zu den „Aufrechten“, die in der
CDU gegen den Mindestlohn gestimmt haben. „Ein Mindestlohn von 8,50 Euro wird
Arbeitsplätze kosten“, war ihr Credo vor der Sommerpause. Von Schmidt bekam sie
ein dickes Lob dafür („Ihre Arbeit kann sich sehen lassen!“), denn es könne
nicht sein, dass steigende Anforderungen an Tierwohl und Arbeitsbedingungen wie
in Dänemark zur Abwanderung von Arbeitsplätzen und der Tierproduktion führten.
Jana Schimke hatte sich zusammen mit fünf weiteren
ostdeutschen Politikern gegen dessen Einführung gewehrt, weil der Mindestlohn
viel näher am statistischen Medianlohn liegt als in Westdeutschland. Vor allem
den Obst- und Gemüsebau würde es treffen, sagte sie bei einem Besuch der
Spreewälder Gurkenerzeugern. Allerdings räumte Schmidt auch ein, dass sich die
Beteiligten in der Demokratie in „Kompromissen üben müssen. Der
Koalitionsvertrag müsse eingehalten werden, ob es schmeckt oder nicht.“
Russland lockert Importverbot
Christian Schmidt wird bei der Agrarministerkonferenz in der nächsten Woche nicht bis zum Ende bleiben. Ebenfalls am Freitag tagt ein Sondergipfel der EU-Agrarminister in Brüssel. Top-Thema ist der Importstopp europäischer Nahrungsmittel nach Russland. Schmidt hatte bereits vergangenen Mittwoch geäußert, dass die russischen Verbraucher langsam die Last zu spüren bekommen [2]. In Thyrow legte Schmidt noch eins drauf und sieht erste Anzeichen für eine Lockerung des Embargos, weil Nahrungsmittel knapp werden. Weißrussland hatte erst am Donnerstag angekündigt rund eine Million Tonnen Kartoffeln nach Russland zu liefern. Das Grundnahrungsmittel wird offenbar knapp. Es habe einige Jahre gedauert, bis alle phytosanitären Regeln für den Export deutscher Saatkartoffeln nach Russland abgesegnet waren. Dann kam das Embargo, was Russland in der letzten Woche jedoch wieder gelockert hat. Schmidt argwöhnt, dass die Pflanzkartoffeln als Speisekartoffeln auf dem Markt landen werden.
Ähnlich sei es mit Fisch. Die Russen wollten in der Zeit des Embargos mehr Forellen und Karpfen aus den eigenen Seen nutzen. Doch beginnt die Mehrheit der russischen Forellen als deutscher Setzling. So ist auch dieses Einfuhrverbot wieder gelockert worden.
Greening
Schmidt bedauert, dass die Bundesregierung noch keine Durchführungsverordnung für das Greening erlassen habe, obwohl die Bauern jetzt in der Herbstaussaat stecken. Am Samstag erst habe er die Verordnung unterschrieben, die noch den Bundesrat passieren muss. Doch schon in der nächsten Woche wolle er die Pflanzenliste veröffentlichen, deren Aussaat für die ökologischen Vorrangflächen erlaubt ist. Vorbehaltlich der sechs grünen Agrarminister, die über den Bundesrat mitentscheiden, entschied er: „Dieses Risiko gehe ich ein.“ Damit wolle er den Landwirten Planungssicherheit für die Aussaat geben.
LandesversucheEin Dauerthema ist der Rückgang der Landessorten- und Dauerversuche. Sie sind für die Bauern wichtig, damit Erfahrungswerte für das richtige Saatgut vorliegen [3]. Der Bund hat nach Schmidt nur wenig Einfluß darauf, weil die Länder die Versuche nicht mehr finanzieren wollen. Daher könne er derzeit keine finanziellen Zusagen des Bundes machen, unterstreicht aber die Wichtigkeit der Versuche, die zur Anwendungsforschung gehören und die Biodiversität aufrecht erhalten.
Lesestoff:
[1] Die Demonstration ist der Auftakt der Brandenburger Agrarwende zur Landtagswahl und zur nächsten Woche in Potsdam stattfindenden Agrarministerkonferenz. Nach Polizeiangaben nahmen 3.000 Demonstranten an der Kundgebung teil. Bio-Landwirt Stefan Palme aus der Uckermark sagte: „Mittlerweile haben fast alle kapiert, dass unsere Landwirtschaft langfristig nur dann eine Zukunft hat, wenn sie eine hohe Wertschöpfung erzielt, ohne dabei die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören. Nur in Brandenburg nicht, dort bekennt man sich zur Ideologie des agroindustriellen Maßstabs. Immer größere Tiermastanlagen, immer monotonere Fruchtfolgen, immer größere Agrarholdings, die das Land unter sich aufteilen. Brandenburg hat eine bessere Agrarpolitik und eine bessere Landesregierung verdient!“ www.agrarwen.de
Der Landesverband Brandenburg hingegen hat mit einem Papier auf „beliebte Falschmeldungen“ reagiert. So rückt er zurecht, dass Familien- und Ökobetriebe nicht immer nur die „kleinen Betriebe“ sind oder dass die Gleichsetzung der konventionellen mit der Massentierhaltung fehlerhaft sei. www.lbv-brandenburg.de
Roland Krieg; Fotos: roRo