Landwirte warten weiter auf Özdemir
Landwirtschaft
Özdemir sucht die Landwirtschaft zwischen „Öko“ und „Agrarindustrie“
„Die Mehrheit bei Bündnis 90/Die Grünen ist gegen modernen Züchtungstechniken. Die Mehrheit ist aber auch für Forschungsoffenheit.“ So vage blieb Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bei allen Themen im Videogespräch mit Agrarjournalisten am Donnerstag.
Aus der europäischen Krisenreserve kommen 60 Millionen Euro nach Deutschland, die um 120 Millionen aus dem Bundesetat erhöht werden. Im angekündigten Nachtragshaushalt von Christian Lindner (FDP) werden sie verbucht sein, aber wofür das Geld ausgegeben wird, steht noch nicht fest. Der Umbau der Tierhaltung kommt, aber um wie viel die Zahl der Tiere reduziert werden soll und vor allem wie der Umbau finanziert wird, steht ebenfalls noch aus.
Die Finanzmodelle liegen mit dem Bericht der Borchert-Kommission vor. Auch die Zukunftskommission Landwirtschaft hat sich für ein Umlagemodell ausgesprochen, doch auch nach 100 Tagen Ampelregierung steht nicht fest, was genau mit welchen Mitteln geplant ist.
Lediglich der Wunsch, weniger Tiere zu halten steht fest. Und weil der Markt das nicht alleine lösen kann, muss der Staat dabei helfen. Bei der Reduktion des Fleischverzehrs und über die Nachfragemacht der Gemeinschaftskantinen für mehr Bio.
Doch der Altruismus hat seine Grenzen. Özdemir beklagt, dass er für die Freigabe von Brachflächen für Futterpflanzen als „Öko-Verräter“ kritisiert wird und von der anderen Seite verlangt werde, „Pflanzenschutzmittel auf die Flächen zu schütten.“ Zwischen Verbandsöko und Agrarindustrie gibt es offenbar einen blinden Fleck für eine nachhaltige Landbewirtschaftung, die ökologische und konventionelle Landwirtschaft verbindet.
So ist es zwar richtig, dass das „alte System, dass die Landwirtschaft an die Wand gefahren hat“, keine Lösung für die Umwelt- und Klimaziele sind, Doch alleine weil es in Deutschland auch im Herbst keine Lebensmittelkrise geben wird, verzichtet Özdemir im Verbandsfahrwasser auf den Beitrag zur weltweiten Nahrungsknappheit. So wie Deutschland seinen Klimabeitrag bei erneuerbaren Energien, Reduzierung der Emissionen, Minimierung des Konsums leistet, muss auch die nachhaltige Landbewirtschaftung jenseits von Öko den einen oder anderen Doppelzenter Getreide an das Welternährungsprogramm beitragen müssen. Der integrierte Pflanzenbau mit chemischem und biologischem Pflanzenschutz ist eine Alternative. Und über die digitale Zukunft mit Verbesserungspotenzial ausgestattet.
Bei dem sich schließenden Aussaatfenster im Frühjahr verpasst der Ökolandbau die Chance den Kopf über den eigenen Tellerrand zu heben.
Die alternative Reduzierung der Futter- und Biomassefläche geht nicht innerhalb einer Anbausaison. Denn selbst Özdemirs Forderung, „die Märkte offen zu halten“, wie die G7-Agrarminister es beschlossen haben, setzt den Willen und die Umsetzung der Exportländer voraus. Machten alle dicht, wäre auch der deutsche Biomarkt hart getroffen.
„Putin setzt Hunger durch Zerstörung der Infrastruktur gezielt als Waffe ein“, sagte Özdemir. Das wird nicht durch den alleinigen Blick auf einen Ökohof gelöst. „Wir brauchen eine starke EU, eine starke NATO und eine starke G7“, unterstrich Özdemir. Die Welt braucht auch eine starke Landwirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen, die nicht nur aus ökologischer Verbandslandwirtschaft besteht.
Zumindest versprach er, auch weitere Optionen zu prüfen. Landwirte können die allerdings erst im Herbst 2022 für die Ernte 2023 umsetzen.
Roland Krieg
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