Landwirte: Wie schlimm wird 2022?

Landwirtschaft

Ernüchternde Bilanz mit unsicherer Zukunft

Die hohen Erzeugerpreise sind nur eine Seite der Medaille. Mit kleinen Dellen liegt der Weizenpreis bei 280 Euro je Tonne, für Raps müssen Verarbeiter 700 Euro hinlegen und der Rohstoffwert der Milch lag im November bei 50 Cent je Kilogramm Milch ab Hof. Die zweite Seite der Medaille sind die enormen Teuerungen bei Energie, Diesel, Futter und dem Faktor Arbeit. Durchgängig schlecht sieht es seit dem Angebotsüberhang bei europäischen Schweinen und der Afrikanischen Schweinepest lediglich auf dem Markt für Schlachtschweine und Ferkel aus. Selbst wenn der Internationale Getreiderat im September noch einen Gewinn für den Ackerbau trotz steigender Kosten der Betriebsmittel ausgegangen ist, wird sich noch zeigen, ob die hohen Erzeugerpreise oder die gestiegenen Kosten den längeren Atem haben.

Was die Rohstoffbörsen an Dramatik hingelegt haben, begann erst zum Ende des Wirtschaftsjahres 2020/2021. Für diesen vergangenen Zeitraum hat Bauernpräsident Joachim Rukwied am Donnerstag den jährlichen Situationsbericht für die deutsche Landwirtschaft vorgelegt und mit einer Handreichung für die neue Ampelkoalition mit dem neuen Minister für Ernährung und Landwirtschaft, inklusive Forst, einen Ausblick auf das kommende Jahr geworfen.

In Kurzform

Die wirtschaftliche Situation der deutschen Landwirtschaft hat sich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr von Juli 2020 bis Juni 2021 deutlich verschlechtert. Grund dafür waren vor allem Corona-bedingte starke Umsatzeinbrüche in der Schweinehaltung. Im Durchschnitt der Haupterwerbsbetriebe (Personengesellschaften und Einzelunternehmen) blieb das Unternehmensergebnis mit 52.100 Euro um 15 Prozent hinter dem Vorjahresergebnis von 61.300 Euro zurück. Die Schweine haltenden Veredlungsbetriebe verloren im Wirtschaftsjahr 2020/21 gut zwei Drittel ihres Unternehmensgewinns. In der Rinder- und Milchviehhaltung dagegen konnten leicht höhere Gewinne verzeichnet werden. Ackerbaubetriebe haben ihr Vorjahresergebnis in etwa halten können.

Ausblick

Die Treibstoffpreise sind im November etwa anderthalb mal so teuer wie vor einem Jahr; zugekaufte Futtermittel sind um etwa ein Fünftel teurer, Stickstoffdüngemittel sogar dreimal so teuer. Schweineerzeuger dürften zunächst weiter unter einem dramatischen wirtschaftlichen Druck stehen. Die gestiegenen Erlöse bei Milch, Rindfleisch und Feldfrüchten werden durch deutlich verteuerte Betriebsmittel aufgefressen. Vieles hängt jedoch noch von den Marktentwicklungen im ersten Halbjahr 2022 ab.

Die letzten sechs Monate

Der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Karl Grabmayer fasst die letzten sechs Monate mit steigenden Erlösen und steigenden Kosten wie folgt zusammen: „Viele Landwirte fragen sich, wie sie ohne die notwendigen Produktionsmittel im kommenden Jahr produzieren sollen.“

Das gilt auch für deutsche Landwirte. Es gilt auch für die US-Farmer. Eine aktuelle Umfrage der Purdue University brachte die Ängste vor weiter steigenden Kosten hervor. Sie rechnen mit 12 Prozent mehr Kosten im Jahr 2022. In Rumänien hat der Düngemittelhersteller Azomures hat diese Woche die Produktion von Mineraldünger eingestellt.

Erdöl

Die Rohstoffmärkte spielen verrückt. Nahezu täglich überschlagen sich preisrelevante Meldungen. Erdöl und Erdgas sind als wichtigster Antriebsstoff für die Industrie und dem Privathaushalt die Schmiermittel in jedem Wirtschaftssektor. Die Meldung über Omikron als neue Virusvariante aus Südafrika hat Ende November mit der Furcht vor neuen Unterbrechungen internationaler Lieferketten und Einbruch der sich langsam erholenden Weltwirtschaft den Ölpreis zunächst einmal um 13 Prozent einbrechen lassen. Vor dem ersten Dezemberwochenende stand das Treffen der Erdölfördernden Staaten (OPEC plus) im Zeichen der Preissenkung. Dennoch haben sich die Länder um Saudi-Arabien und Russland auf eine Erhöhung der Ölförderung geeinigt und damit die Preise stabilisiert. Ab Januar will die Gruppe bis Jahresende täglich 400.000 Barrel Öl (159 Liter) zusätzlich fördern. Andere Förderländer wie die USA wollen allerdings auch auf ihre strategischen Reserven öffnen. Wie sich die Preise für Öl und Gas 2022 entwickeln und welchen Verlauf die Pandemie nimmt sind derzeit völlig unklar. Trotz steigender Fördermenge und schwacher Wirtschaft kann der Preis bei weiterer Verschärfung des Konflikts in der Ukraine auch  jederzeit steigen.

Düngemittel

Mit der Düngemittelindustrie haben die steigenden Energiepreise das erste Opfer im Agrargewerbe gefunden. Mineraldünger und vor allem Stickstoffdünger sind um ein Hundertfaches angestiegen. Europas größter Ammoniak-Produzent Yara teilte Anfang Dezember mit, dass die Herstellung einer Tonne Ammoniak üblicherweise 110 US-Dollar kostet. Aktuell sind es 1.000 US-Dollar. Für die Landwirte beginnt die Rechnerei unter dem Weihnachtsbaum. Wie viel Dünger gibt die Liquidität für die Frühjahrsdüngung her? Auf wie viel Dünger kann ich verzichten, um mit dem reduzierten Ertragsniveau doch noch in die Gewinnzone zu gelangen? Grundsätzlich ist ein maßgeschneidertes Düngemanagement wichtiger denn je. Die Landwirte werden so viele Bodenproben wie noch ziehen, um den exakten Düngerbedarf zu ermitteln. Die Saatgutfirmen weisen bereits auf ihr Leguminosensortiment für die Stickstofffixierung aus der Atmosphäre hin. Die alternativen organischer Düngung wie Gülle und Gärreste sind im Wesentlichen ausgereizt und werden an den Börsen ausgehandelt. Landwirten mit großer Entfernung zu Gülletanks müssen auf die erst genannten Lösungen zugreifen.

Zur Unzeit

So viel Gülle und Gärreste sind nicht vorhanden, um die Menge an Mineraldünger zu ersetzen. Die offenbar notwendige Reduzierung des Inputs führt über einen geringeren Ertrag auch zu niedrigeren Ernten in zum Teil angespannten Weltmärkten. Bärische Momente am Markt sind selten.

Mit diesem Gesamtblick scheint das im Situationsbericht ausgewiesene Minus bei den Betrieben noch gefährlicher. Der Durchschnitt der Haupterwerbsbetriebe Erzielte 2020/21 mit 52.100 Euro Unternehmensgewinn ein Minus gegenüber dem Vorjahr von 15 Prozent. Ein leichtes Plus konnten Rinder- und Milchviehbetriebe erzielen, falls sie die letzten kargen Jahre überlebt haben.

Je Familienarbeitskraft haben die Betriebe im Durchschnitt 36.900 Euro erreicht, von denen die Betriebsleiter allerdings noch investieren müssen: In neue Tierwohlställe, Digitalisierung und neue Vermarktungsideen. Die Hälfte des Unternehmensgewinns wurde über die Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik erzielt.

Öko-Betriebe

Unter den Haupterwerbsbetrieben konnten auch 505 Betriebe des ökologischen Landbaus ausgewertet werden. Davon sind 57 Prozent Milchviehbetriebe. Bei gegenüber Vorjahr deutlich gestiegenen monetären Erträgen, aber auch höheren betrieblichen Auswendungen, wie dem Personalaufwand mit plus 15 Prozent, hat sich das durchschnittliche Unternehmensergebnis der ausgewerteten Öko-Betriebe im Wirtschaftsjahr 2020/21 um neun Prozent auf 76.000 Euro verbessert. Je nicht entlohnter Familien-Arbeitskraft sind das 52.200 Euro. Die Öko-Betriebe weisen im Wirtschaftsjahr 2020/21 Zahlungen aus Agrarumweltmaßnahmen einschließlich Prämien für den ökologischen Landbau von durchschnittlich 27.600 Euro aus. Im Durchschnitt aller Haupterwerbsbetriebe betragen die Zahlungen für derartige Maßnahmen 5.200 Euro.

Die Zukunft des Ökolandbaus ist zumindest politisch vorgegeben. Bis 2030 sollen es 30 Prozent der Anbaufläche sein. Rukwied betonte am Donnerstag, dass es am Ende der Markt werden richten müssen. Derzeit ist der Ökoanbau nachfragegetrieben und vor allem Getreide muss importiert werden. Wie das ausgeht, wenn der Ökolandbau regionaler werden soll und wie sich die Preise entwickeln, wenn große Mengen in den Markt fließen, ist angesichts der Inflation bei Verbrauchern und den gestiegenen Betriebskosten ebenfalls nicht absehbar.

Die Branche setzt schon seit längerem auf das Sicherheitspolster öffentliche Kantinen, bei denen es für Ökoprodukte eine nennenswerte Nachfrage gibt.

Roland Krieg

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