Landwirtschaft: Es muss sich lohnen

Landwirtschaft

LsV: Keine Alternative nicht politisch zu werden

Dirk Andresen

„Wir haben in den ersten 100 Tagen sehr viel Aufmerksamkeit erreicht.“ Dirk Andresen von der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV) blickte zur Grünen Woche stolz auf die vergangenen Monate zurück. Dann aber sagte er auch: Die politische Umsetzung von Forderungen ist eine andere Geschichte.

LsV

Das hat LsV mit anderen Graswurzelbewegungen gemeinsam. Von den Umweltbewegten, über die Senioren bis zur Digitalpartei hat die Mehrheit es nicht bis in den Bundestag zur aktiven Politikgestaltung geschafft. Vielleicht agieren die Bauern deshalb so vorsichtig. Ob LsV eine Partei wird, oder zumindest bundesweit ein Verein mit Geschäftsstelle und Beitragsfinanzierung, ist noch immer offen. In einer Telefonkonferenz mit den Berlin-Brandenburger Agrarjournalisten haben Andresen und der Brandenburger LsV-Sprecher Christoph Plass am Mittwochabend zunächst einmal ein Organigramm über die 34 Beiräte aus den Bundesländern angekündigt.

„Land schafft Verbindung“ ist nicht die erste Organisation der Bauern. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft „AbL“ ging aus Demonstrationen gegen zu niedrige Braugerstenpreise im Jahr 1974 hervor. Der Deutsche Bauernverband hatte sich von den Protesten distanziert. Ebenfalls teilte sich vom DBV der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter im Jahr 1998 mit der Forderung nach kostendeckenden Milchviehpreisen ab. Die AbL hat mit der Coordination Paysanne Europénne (CPE) und der BDM mit dem EMB einen europäischen Ableger.

Für eine dauerhafte Stimme in der Agrarpolitik muss sich LsV vergleichbar aufstellen. Andresen hat sich immerhin schon mit europäischen Landwirten getroffen, um Erfahrungen auszutauschen. Auf den Demonstrationen von LsV wird Einigkeit gezeigt. Milchbauern, Agrarbündnis, Ökobauern haben bislang auf ihre eigenen Logos verzichtet und demonstrieren dem Hinweis im Logo des Hessischen Bauernverbandes gemäß: Sei einig.

„Zwischentöne sind Krampf im Klassenkampf“. Das wussten die 68er schon. Fundis und Realos gibt es auch beim LsV. Landwirtin Maike Schulze-Broers hat sich mehrfach von LsV abgewandt und firmiert mit dem Zusatz „LsV – Das Original“. Mittlerweile ist ein Markenstreit um den Namen zwischen Schulze-Broers und den Landwirten entbrannt. Die großen Bauerndemonstrationen werden allesamt von „LsV – Deutschland“ organisiert. Um den aktuellen Stand wollten sich Plass und Andresen nicht weiter äußern.

Verbändegespräche

Dazu haben sie auch keine Zeit. Wegen des Kontaktverbotes ruhen die Demonstrationen. Aktuell sind die Ackerbauern auf den Feldern mit der Bodenbestellung, Aussaat und Düngung aktiv. Außerdem müssen auf den Vermehrungsbetrieben die Sorten in den Boden, die ab Herbst im Handel sind. Die Aussaat 2021 ist trotz Pandemie auch weiterhin gesichert. Aktuell drücken die Milchpreise. Die Molkereien brauchend derzeit nicht mehr so viel Milch. Die Kühe können aber nicht einstellen. Der LsV will sich mit der AbL, dem BDM und DBV-Milchpräsident Karsten Schmal für einen Austausch treffen, wie es mit der Mengenregulierung auf dem Milchmarkt weitergeht. Generell will Andresen sich mit den anderen Verbänden austauschen, um konzertierte Positionen zu erarbeiten.

Der LsV ist mitten drin in der Politik. Der DBV zeigt sich mit Positionen zum LsV sehr zurückhaltend, denn viele Bauern sind Mitglieder der Landesbauernverbände. Entgegen der AbL und dem BDM ist der LsV keine politische Nebenveranstaltung zum DBV, sondern eine Graswurzelrevolution innerhalb des DBV.

Düngegutachten

Das zeigt sich in der Differenz zum Messstellengutachten. Schon Nordrhein-Westfalen hatte mit einem Gutachten aus dem Jahr 2016 die Fehlerhaftigkeit von Nitrat-Messstellen belegt [1]. Ein neues Gutachten aus Berlin hat ebenfalls fast 30 Prozent der niedersächsischen Messstellen als fehlerhaft eingeschätzt. Der LsV fordert die Landesbauernverbände auf, solche Daten für die notwendige Binnendifferenzierung und Neubewertung der Roten Gebiete mit zu hohen Nitratwerten drängen. Allein: Der Landesbauernverband Schleswig-Holstein lehnt das nach Aussage von Dirk Andresen ab. Hier sind schon Brüche entstanden, auch wenn Andresen sagt, der DBV hat in den letzten 70 Jahren nicht alles falsch gemacht. In der politischen Organisation der Bauern knirscht es. Die ehrwürdige Ständevertretung hat offenbar den Wandel zu den innovativen Hofnachfolgern auf den Betrieben nicht mitgemacht.

Die Landwirte bekommen mit, dass es nicht nur die Berliner Politik ist, die in den vergangenen Jahren geschlafen hat. Das Bundesministerium teilte sich das Bett mit dem Berufsstand. Die neue Ministerin Julia Klöckner hingegen hat getrennte Schlafzimmer verordnet. Bei der Düngeverordnung musste sie aufräumen, was sie in Scherben vorfand. Als nächstes steht das Aufräumen bei der Steuerpauschalierung an.

Die Bundesländer haben bis Jahresende Zeit, mit der Binnendifferenzierung die Gebietskulisse neu zu ordnen. NRW hat bereits mehr als 300.000 Hektar aus den Roten Gebieten herausnehmen können. Der sechste Nährstoffbericht Niedersachsens hat gleich zwei Landkreise „ergrünen“ lassen [2]. Nicht nur das bietet Lösungen. Landwirte müssen sich durchaus fragen, ob der Stoppelweizen wirklich in der Fruchtfolge bleiben muss?

Entlohnung

Die Lösung besteht nicht darin, dass in den Roten Gebieten wie gehabt gedüngt werden muss. Landwirte wollen Insekten schützen und Blühstreifen anlegen. Die Landwirte haben das Problem, dass diese Auflagen Kosten erzeugen, die nicht entlohnt werden. Die Auflagenflut ist in den vergangenen Jahren größer geworden. Mit Bürostunden für Arbeitsdokumentationen erzielen die Bauern keine Gewinne, sondern können lediglich im Falle einer Kontrolle zusätzliche Kosten in Form von Sanktionen vermeiden.

LsV hat es geschafft, bei der Zukunftskommission mitzureden. Am 15. Mai steht die Nutztierhaltungsstrategie auf dem Plan. Das Bundeslandwirtschaftsministerium arbeitet an einer Ackerbaustrategie. Erstmals sind die Bauern direkt an den Plänen beteiligt. Nicht nur die Molkereien, Mühlen und die Futterwirtschaft. Wer mitreden will, der braucht auch eine Blaupause. Eine Idee, eine Vision, über die gestritten werden muss. Was der Markt nicht entlohnt, muss der Staat beilegen. Solange gesellschaftliche Wünsche nicht marktfähig sind, kann sich die Politik nicht herausreden. Vor mehr als zwei Jahren hat Till Backhaus einen eigenen Entwurf für die Gemeinsame Agrarpolitik vorgelegt. Zwei Jahre lang hat die Wissenschaft an den Lösungen gefeilt und ein rechenbares Ergebnis  vorgelegt. Das Konzept sieht Entlohnungen dort vor, was bislang nur entschädigt wurde [3]. Die Sozialdemokraten sind alles andere als eine Agrarpartei. Das wurde dem Vorschlag zum Verhängnis. Eine Basisprämie mit Topups rettet auch den Qualitätsweizen.

Die Landwirte erarbeiten sich gerade in der  Pandemie ein riesiges Pfund, mit dem sie wuchern können. Das sollten sie auch tun, ohne zu überdrehen. Und die Bauern haben es offenbar eher in der Hand, auf ihre Sorgen hinzuweisen.

Lesestoff:

[1] Das Problem mit den Grundwassermessstellen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/das-problem-mit-den-grundwassermessstellen.html

[2] Nährstoffbericht NI: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/naehrstoffbericht-niedersachsen-12498.html

[3] Der GAP-Hammer aus MV: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-gap-hammer-aus-mv.html

Roland Krieg; Foto: roRo (Archiv)

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