„Landwirtschaft im Konflikt mit der Gesellschaft?“

Landwirtschaft

„Landwirtschaft muss glaubwürdig und dialogfähig sein“

Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) führt kurz vor der Grünen Woche in Berlin ihre Wintertagung durch. Thema: „Landwirtschaft im Konflikt mit der Gesellschaft?“

Eine Frage der Größe?

Vor einer Woche haben der Deutsche Bauernverband und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) in einem Spitzengespräch erste Kompromisslinien gesucht [1]. Die Grüne Woche 2013 hingegen lebt noch vom Spannungsfeld zwischen ErlebnisBauernhof und Gegendemonstration [2].
Klar ist, so DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer am Dienstag zu Herd-und-Hof.de, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Auch die DLG tauscht sich intensiv mit dem Ökolandbau aus. Am Ende wird die messbare Nachhaltigkeit über die Existenz des Betriebes entscheiden. Die Ökobetriebe haben ein Interesse an quantifizierbaren Merkmalen, ihre Leistungen darzustellen – vor allem vor dem Hintergrund steigender Importe ökologischer Waren aus weniger gut kontrollierten Weltregionen. Untersuchungen zeigten, dass es keine grundsätzliche Überlegenheit eines Wirtschaftssystems gibt, sondern jeder einzelne Betriebsleiter über die Produktionsbedingungen seines Betriebes entscheidet.
Bartmer bezieht die großen Tierhaltungsanlagen in seine Betrachtungen mit ein. „Größe ist nicht das ideale Maß für Nachhaltigkeit, aber auch kein ausschließendes Kriterium.“
Ein Hühnerstall mit 10.000 Tieren gefalle den Augen weniger als ein Betrieb mit 1.000 frei laufenden Hühnern, so Bartmer: „Wie aber würde das Huhn entscheiden?“. Krankheitsrate und Mortalitätsquote folgten auch der gegensätzliche Logik und könnten bei einem kleinen Betrieb höher ausfallen.
Der DLG-Präsident will das aber nicht als Freispruch für die gewerbliche Tierhaltung verstanden wissen. Das Infektionsrisiko in großen Ställen ist größer und die Nährstoffkonzentration an einem Ort kann vergrößert werden. Dagegen sind auch die historischen Vorbilder von Bauernhöfen nicht besser aufgestellt, wie die Warmställe für Kälber noch in den 1980er Jahren gezeigt haben.

Kommunikation der Betriebsleiter

Bartmer fordert die Bauern auf, selber mit der Gesellschaft zu kommunizieren. Es könne keine „Zentralkommunikation“ von DLG und DBV geben. Die Betriebsleiter wüssten am Ort am besten, wie sie mit dem Verbrauchergefühl „Da stimme etwas nicht“ umzugehen haben. Die konventionelle Landwirtschaft habe in den vergangenen Jahren die Deutungshoheit über ihre Arbeit verloren, beklagt Bartmer. Nur durch Transparenz und Dialogbereitschaft gewinnen sie diese wieder.
„Idealisierte Mikroperspektiven“ werden in der Nachhaltigkeit keinen Bestand haben, weil knapper werdende Ressourcen eine Steigerung der Produktivität bedingen müsse. Es sei zwar wünschenswert die Erträge in den Entwicklungsländern zu steigern, aber die Rahmenbedingungen stünden einer Verdoppelung oder Verdreifachung des Ertrages im Wege. Europa könne mit seinem Gunststandort eine Rolle für die Welternährung spielen, so Bartmer.

Nachhaltigkeits-Modelle

„Konventionell“ ist nicht per se schlecht und „Bio“ ist nicht per se gut. Die Begriffe werden aber emotional in der Debatte eingesetzt und stehen offenbar einer Lösung im Wege. Besser sei es, die Nachhaltigkeit in eine Maßzahl zu überführen, die auch kommuniziert werden kann. Seit Jahren arbeiten Prof. Dr. Kurt-Jürgen Hülsbergen und Dipl.-Ing. Harald Schmid von der TU München an einem Indikatorenmodell zur Beurteilung von Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeit und Klimawirksamkeit landwirtschaftlicher Produktionssysteme.
Als ökologische Indikatoren gelten beispielsweise Stickstoffsaldo, Energieintensität, Bodenerosion und Landschaftspflegeleistung. Solche Indikatoren werden in ein Nachhaltigkeitsmanagementsystem „REPRO“ eingebunden werden und bilden die Grundlage für ein DLG-Zertifikat, mit dem die Betriebe und auch nachfolgenden Verarbeiter werben können.
Diese technologische Betrachtung hat einen Vorteil: Werden die negativen Effekte von Produktionsfaktoren eingepreist würden flächenlose Spezialisten wie aus der Geflügel- und Schweinebranche bald am Ende ihrer Entwicklung angekommen sein.

Lesestoff:

[1] DBV und BÖLW

[2] Sie haben es noch immer satt

Roland Krieg; Foto: roRo

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-13“ anzeigen lassen]

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