Landwirtschaft ökologisieren
Landwirtschaft
Umweltgutachten 2008
„Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels“ heißt das Motto des am Mittwoch in Berlin vorgestellten 1.000 Seiten umfassende Umweltgutachten des Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) . Am Abend wurde es dem Fachpublikum ausführlich vorgestellt.
Grundsätzlich begrüßt der SRU die Anstrengungen der Regierung, die Treibhausgase um 40 Prozent im Integrierten Klima- und Energieprogramm der Bundesregierung (IKEB) zu senken. Die Reduktionsziele der EU von 20 Prozent reichen nicht mehr aus. Die 40 Prozent sind als Fußnote im Klimavertrag von Bali bereits verzeichnet.
Innovationstechnik für zwei Grad Erwärmung
Prof. Dr. Konrad Ott sieht derzeit noch ein Gelegenheitsfenster, die Temperaturauswirkungen des nicht mehr strittigen Klimawandels zu reduzieren. Allerdings muss die Menschheit sich beeilen, denn Klimawandel und intensive Landnutzung seien ein schädlicher Cocktail. Bevor Anpassungen an den Klimawandel durch Deichbau, Wiederherstellung von Flussauen und Wälder als Kohlendioxidsenken richtig wirken, muss der Emissionsausstoß zunächst deutlich verringert werden. Weniger als zwei Grad Temperaturerhöhung werde es kaum mehr geben.
Genauso wie die Folgen des Klimawandels bislang unterschätzt wurden, wurde auch die Umwelttechnik in ihren korrigierenden Wirkungen unterschätzt. Seit 1998 sei die Anzahl der Patente im Bereich der Umwelttechnik rasant angestiegen, was Prof. Dr. Martin Jänicke auch auf die Förderpolitik zurückführt. Wurde der Umweltschutz in der Vergangenheit als Wachstumsbremse angesehen, zeigen die Zahlen genau das Gegenteil. In den letzten Jahren haben die Wachstumsraten in hohen zweistelligen Bereichen jährlich zugenommen: Photovoltaik (+ 50 %), Wärmepumpen (+ 44 %), Biogas (+ 37 %) und Passivhäuser (+ 19%).
Defizitär sei hingegen die Kohlekraftwerkstechnik, weil mit falschen Versprechen agiert werde, es gebe die Möglichkeit der CO2-abscheidung und -lagerung. Weltweit gibt es keine gelungene Lösung, führte Dr. Jänicke aus. Er verstehe die öffentliche Kritik am Kohlekraftwerk.
Während die Bundesregierung über das IKEB beriet, hat das Online Netzwerk Campact vor dem Kanzleramt eine Sackgasse aus Kohlesäcken aufgebaut. Auf einem Transparent stand zu lesen: „Zukunft statt Kohle“. „Mit dem Bau von über 20 Kohlekraftwerken würden sämtliche Anstrengungen der Bundesregierung zum Klimaschutz Makulatur,“ befürchtet Christoph Bautz vom Netzwerk. Analog zum Standard von Gas-Kraftwerken, sollten neue Kohlekraftwerke mindestens 58 Prozent der Energie zur Stromerzeugung nutzen müssen und die Abwärme als Heizenergie zur Verfügung stehen (Kraft-Wärme-Kopplung). www.zukunftstattkohle.de |
Ökologische Agrarreform
Zu kurz kommt dem SRU der Aspekt des nicht-technischen Klimaschutzes. Dazu zählt ein naturschutzkonformes Landmanagement. Drei Ziele sollen darin angestrebt werden:
A: Ökosysteme mit besonderen Funktionen als Kohlenstoffspeicher und gegebenenfalls –senken wie Moore, Wälder und Grünland müssen erhalten und gestärkt werden.
B: Eine besondere Rolle der Böden als Kohlenstoffspeicher und –senken ist zu berücksichtigen, indem Böden mit hohen C-Gehalten wie Feuchtgebietsböden besonders geschützt und zum Beispiel durch Wiedervernässung weitere Kohlenstoffverluste verhindert werden.
C: Angepasste landwirtschaftliche Bewirtschaftungsformen sind zu entwickeln und zu fördern, um die Emissionen von landwirtschaftlichen Flächen zu reduzieren.
Den Health Check der Agrarreform hält Prof. Dr. Christina von Haaren für eine gute Gelegenheit, die Agrarreform umweltgerechter u gestalten, denn die Agrarreform von 2003 habe bislang keine Umkehr in der Agrarpolitik bewirkt, so das Gutachten. Auch die Erhöhung der Modulation, des vermehrten Transfers aus der ersten Säule der Direktzahlungen in die zweite Säule zur Entwicklung des ländlichen Raums sei positiv zu bewerten – aber viel zu wenig. Die zweite Säule bringt nach Berechnungen des SRU lediglich 68 Euro pro Jahr auf den Hektar. Davon entfallen lediglich 17 Euro auf Agrarumweltmaßnahmen. Die Bundesländer schießen durchschnittlich noch einmal 35 Euro hinzu, weisen untereinander aber große Unterschiede auf. Baden-Württemberg zahle noch einmal rund 70 Euro pro Hektar und Jahr, Schleswig-Holstein kommt auf keine 20 Euro.
Für das IKEB wurden am Mittwoch fünf weitere Pakete fertig. |
Von Haaren stellt generell die Frage, ob Agrarleistungen und Umweltleistungen nicht stärker voneinander getrennt werden sollten? Bislang werden Umweltleistungen über die Gute Fachliche Praxis oder dem Ökolandbau entlohnt. Man könne sich jedoch auch vorstellen, dass es einen eigenen Markt für Umweltleistungen geben könne.
Ein Verbot des Umbruchs älteren Grünlands könne man über die Gute Fachliche Praxis regeln und möglicherweise an Kompensationsmaßnahmen koppeln, schlägt der SRU vor.
Deutschalnd hat im Gegensatz zu einigen Nachbarländern in der EU einen stark überhöhten Stickstoffüberschuss. Wirksamer als eine Stickstoffsteuer sei eine Überschussabgabe. Einen Grenzwert von 60 Kilogramm hält das Gutachten bis 2010 für realisierbar. Für jedes Kilo mehr muss dann der Landwirt zahlen. Dr. von Haaren weiß aber auch, dass es je nach Standort mit diesen Werten Schwierigkeiten geben wird.
Generell sind die Umweltleistungen zu gering ausgewiesen. Die Maßnahmen müssten, so Dr. von Haaren, betriebswirtschaftlich relevant sein. Dazu könnten Landschaftsplanung oder die Wasserrahmenrichtlinie Gelder auf Gebiete mit besonderem Umwelthandlungsbedarf konzentrieren. Die landwirtschaftliche Beratung soll um Natur- und Umweltschutzberatungen ergänzt werden.
Prof. Dr. Hans-Joachim Koch, Vorsitzender des SRU hält fest: Den Naturschutz kann es nicht nur in Reservaten geben. Er müsse flächendeckend eingeführt werden, den gerade außerhalb der Schutzgebiete sei er besonders erforderlich.
Lesestoff:
Die wesentlichen Empfehlungen und die Langfassung des Umweltgutachtens 2008 kann unter www.umweltrat.de bezogen werden.
roRo