Landwirtschaft und Biodiversität
Landwirtschaft
Fordert Biodiversität die Landwirtschaft heraus?
Landwirtschaft und Umwelt haben mehr gemeinsam als Trennendes. Die Zusammenführung der jeweiligen Landesämter in Mecklenburg-Vorpommern bezeichnete Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus auf dem MeLa-Kongress daher als Segen. Der jährliche Kongress im Vorfeld der MeLa-Ausstellung hatte „Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzfläche und Biodiversität – Herausforderungen für die Landwirtschaft“ zum Thema.
Warnsignale
Es sei traurig, so Dr. Backhaus, dass die Ziele für den
Stopp des Artenverlustes bis zum Jahr 2010 nicht erreicht werden konnten. Der
Minister zählte auf, dass weltweit 1.021 Pflanzenarten, 6.433 Amphibienarten, 5.490
Säugetierarten und fast 10.000 Vogelarten vom Aussterben bedroht sind. Für die
Erhaltung der Biodiversität als Lebensgrundlage müsse jeder Einzelne seinen
Beitrag leisten: „Das entspricht der menschlichen Verantwortung für die Erde.“ Den
Landwirten komme dabei eine Schlüsselrolle zu, da sie im ländlichen Raum eine
Wertschöpfung erzielen und gleichzeitig die Biodiversität bewahrten.
Dennoch gefährde die Landwirtschaft auch gleichzeitig
die Biodiversität. Dr. Backhaus nannte vorrangig die Stickstoffeinträge aus der
Landwirtschaft, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern die Entwässerung der Niedermoorstandorte
und den direkten Flächenverlust mit Lebensraumfunktion durch Änderung der
Landnutzung oder Intensivierung.
Landwirtschaft als Wahrer der Biodiversität
Die Landwirtschaft ist aber auch Bewahrer der
Biodiversität. Nach Minister Backhaus hat Mecklenburg-Vorpommern in den letzten
fünf Jahren rund 91 Millionen Euro Fördergelder in den ökologischen
Landbau, für Bienen-Blühflächen und Ackerfutteranbau
im Mulchsaatverfahren gegen Erosion investiert. Die Zahl der entsprechenden
Anträge spräche für die Akzeptanz der Programme. Zu wenig Akzeptanz hingegen
gibt es für „Schonstreifen auf den Ackerflächen“, den Lerchenfenstern, und
Regelungen bei der Fruchtfolge. Für die Lerchenfenster habe es bislang nur zwei
Anträge für insgesamt 10 Hektar gegeben und der Vorschlag im Bundesrat gegen
Maisdauerkulturen habe keine Mehrheit gefunden.
Für Mecklenburg-Vorpommern will Dr. Backhaus eine
eigene Biodiversitätsstrategie erarbeiten, die über das Jahr 2020 hinausgeht.
Dabei sieht er in den Direktzahlungen der GAP nur einen bedingten Beitrag für
die Förderung der Biodiversität. Ebenso würden nach seiner Ansicht auch nur
verschärfte Cross Compliance-Regeln kein geeignetes Instrument gegen
Maismonokulturen sein.
Backhaus fehlt es an einer international abgestimmten
Strategie, die auf bewährte Agrarumweltmaßnahmen beruht und die Landwirte mit
einbindet. „Der Vertragsnaturschutz ist der absolut richtige Weg“, so Backhaus.
„Festplatte des Lebens“
Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND,
bezeichnet die Biodiversität als „Festplatte des Lebens“, die derzeit gelöscht
wird. Für ihn stehen im Bereich der Landwirtschaft der Grünlandumbruch und die
Gentechnik im Fokus des Artenschwundes. Mehr als 2.000 höhere Pflanzen sind an
das Grünland gebunden und jede Pflanzenart ist die Lebensgrundlage für
durchschnittlich 12 Insektenarten.
Das Umbrechen von Grünland sei ein Zeichen für den
Konflikt zwischen Biodiversität und Klimaschutz. Grünland wird unter anderem
durch Energiemais ersetzt.
Auch die Gentechnik halte nicht was sie verspricht.
Nach Weiger zeigen Beispiele aus den USA und Argentinien, dass durch den Anbau
von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht weniger, sondern mehr
Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden. Nach Vorstellungen des BUND sollen 10
Prozent jeder Betriebsfläche naturnah bewirtschaftet werden. Zur Förderung der
Biodiversität gehöre nach weiger auch eine ehrliche Lebensmittelverpackung.
Zwar werde die meiste Milch nicht mehr durch Weidehaltung produziert, aber jede
Milchverpackung verweise auf diese Milchviehhaltung. Für Prof. Weiger gehört
das zur Aufklärung und Einbindung der Verbraucher in die
Biodiversitätsdiskussion dazu.
Ein öffentliches Gut
Aus ökonomischer Sicht stellt nach Prof. Dr. Peter
Weingarten vom Institut für Ländliche Räume des Johann Heinrich von
Thünen-Instituts die Biodiversität ein öffentliches Gut dar. Niemand könne von
der Nutzung des Gutes „Biodiversität“ ausgeschlossen werden. Außerdem gibt es
keinen Preismechanismus, der Angebot und Nachfrage in Einklang bringt. Daher
folgert Prof. Weingarten, dass, sobald die „Biodiversität“ nicht als
Koppelprodukt in der klassischen Landwirtschaft mit erzeugt wird, bedürfe es
staatlicher Regelung. Diese kann eine positive Förderung sein, aber bei
Missachtung auch eine negative Strafzahlung nach sich ziehen. Auch das Ordnungsrecht
komme in Betracht. Als Trennlinie für einen Einsatz von Honorare oder
Strafzahlungen könne die Gute Fachliche Praxis gelten. Was über diese Praxis
hinausgehe, müsse zusätzlich honoriert werden.
In der Diskussion über die GAP-Reform nach 2013 sei der
Gedanke „der Entlohnung gesellschaftlich gewünschter, nicht marktfähiger
Leistungen“ in fast allen Studien und Empfehlungen enthalten, so Weingarten.
Details für die Umsetzung aber fehlen noch und
Weingarten führte Beispiele aus zwei deutschen Gutachten auf. So will der
Sachverständigenrat für Umweltfragen eine dreistufige Reform. Zunächst bekommt
der Landwirt eine ökologische Grundprämie für den Umweltschutz seiner Fläche,
wenn er 10 Prozent naturnah bewirtschaftet. Punktuelle Umweltschutzmaßnahmen
werden über Agrarumweltmaßnahmen geregelt und für die Erhaltung der
Kulturlandschaft erhalte er Landschaftpflegmittel.
Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für
Agrarpolitik favorisiert er das in diesem Jahr vorgestellte Modell: Bis 2020
werden alle derzeit gängigen Finanzierungsmodelle für die Landwirtschaft
schrittweise abgeschafft. Prof. Weingarten begründet das mit der schwindenden
Akzeptanz der Öffentlichkeit für Ausgleichszahlungen. Statt dessen sollen die
Politiken gefördert werden, die in und außerhalb der Landwirtschaf den
ländlichen Raum insgesamt fördern.
Landwirte aus dem Fokus nehmen
Friedhelm Decker, Umweltbeauftragter des Deutschen
Bauernverbandes warnte davor, nur die Landwirte im Fokus der
Biodiversitätsdiskussion zu sehen. Es gebe zwar eine intensive Diskussion über
die Verringerung des Flächenverbrauches, aber Decker zeigte sich skeptisch,
dass kurzfristig eine Einigung erreicht werden könne. Bislang habe sich nichts
geändert, so Decker.
Auch die ökologische Landwirtschaft erreiche nicht die
Artenvielzahl, die noch 1850 auf den Feldern bestand. Alleine durch die
Kulturlandschaft schaffen die Landwirte neue Lebensräume, da sich sonst
natürlicherweise Buchenwald bilden würde. „Die Artenvielfalt war niemals
gezieltes Produkt landwirtschaftlichen Handels“, so Decker.
Zusammen mit der Universität Bonn habe der DBV in der
Eifel eine „sinnvolle und zukunftsweisende Naturschutzstrategie“ entstehen
lassen. Decker forderte Artenschutz mit
Augenmaß und sieht die bisherigen Biodiversitätsstrategien als ausreichend an.
Er begrüßt die neuen Bundesnaturschutzgesetze, die eine stärkere Schonung der
landwirtschaftlichen Flächen und die Förderung kooperativer
Naturschutzmaßnahmen vorsehen. Der bisherige Ankauf von Flächen solle die Ausnahme
bleiben, da sie lediglich erhebliche Geldmittel binden.
Roland Krieg