Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner
Landwirtschaft
Ministerin ohne Reich?
Julia Klöckner war mal verbraucherpolitische Sprecherin der Union, wurde dann Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeslandwirtschaftsministerium unter Ilse Aigner und ging nach Rheinland-Pfalz, um Ministerpräsidentin zu werden. Sie unterlag 2011 Kurt Beck und 2016 Malu Dreyer. Die Tochter aus einer Winzerfamilie galt einmal als Nachfolgerin im Bundeskanzleramt und sollte sich als Ministerpräsidentin empfehlen. Ob sie es weiterhin ist, bleibt abzuwarten. Zumindest ist Julia Klöckner wieder zurück in Berlin und übernimmt in der Wilhelmstraße den Amtssitz im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Rückblick Julia Klöckner
Ihre Tätigkeit lag überwiegend im verbraucherpolitischen Bereich, wie die Zitate aus Artikeln von Herd-und-Hof.de zeigen:
Auf der Jahrestagung des Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) sagte lehnte sie als verbraucherpolitische Sprecherin der Union 2006 die Sichtweise ab, dass Verbraucher vor den Produkten der Industrie geschützt werden müssten: „Die Lebensmittelindustrie muss sich nicht für ihre Vielfalt entschuldigen.“
Vor der Berufung zur Staatssekretärin forderte Klöckner im April 2009 eine Kennzeichnung für „Käse-Imitate“. Sonst sei es „Abzocke und Irreführung“.
Im Februar 2010 sprach sie sich dann als Staatssekretärin auf dem BLL-Neujahrsempfang gegen eine Ausweitung der Auskunftspflicht von Unternehmen im Rahmen des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) und eine Nährstoffampel aus. Eine Ampelkennzeichnung entbehre wissenschaftlicher Aussagen. Eine bessere Alternative sei die „Plattform Ernährung und Bewegung“, die im Rahmen des Projektes „In Form“ weiter finanziert werde.
Auf der Internationalen Grünen Woche 2010 in Berlin haben verschiedene Verbände Biomasse-Zertifizierungssysteme als Alternative zu staatlich zugelassenen privatwirtschaftlichen Systemen präsentiert. Die Anerkennung des International Sustainability and Carbon Certification-Zertifikats (ISCC) bezeichnete Klöckner als „Meilenstein.
Das VIG feierte im April 2010 zwei Jahre Geburtstag. Klöckner zog Bilanz: „„Das Verbraucherinformationsgesetz ist von den Bürgern gut angenommen worden. Die Anfragen der Bürger wurden in der Regel schnell, kostenfrei und unbürokratisch erledigt.“ Mit dem Gesetz hätte sich generell die „Informationskultur der Behörden“ verbessert. Das VIG will die Interessen der Konsumenten anwenderfreundlich gestalten und gleichzeitig die „berechtigten Interessen betroffener Dritter angemessen“ berücksichtigen.
Im Mai 2010 machte sie auf der „Agrarholz 2010“ in Berlin klar, welche Erwartungen sie an die Wissenschaft stellt. Im Spannungsfeld Holznutzung, Landwirtschaft und Naturschutz will sie Lösungen, Ansätze, Ableitungen für Fördermöglichkeiten und Aufdeckung von Wissenslücken für neuen Forschungsbedarf herausgearbeitet wissen. Es gehe, so Klöckner, um das Schließen der Versorgungslücke von 20 bis 40 Millionen Festmeter Holz im Jahr 2020. Und das bei „mehr“ biologischer Vielfalt und „mehr an Naturschutz“. Im Wärmebereich stellt Holz 75 Prozent der erneuerbaren Energien und ohne diesen Rohstoff seine die Klimaziele der Bundesregierung nicht zu erreichen.
Auf dem ersten Netzwerkkongress für junge Familien im Juni 2010 forderte Klöckner einheitliche Informationen zur Ernährung von Familien mit Kindern. Diese Zielgruppe ist „mit vielen widersprüchlichen Informationen konfrontiert und stark verunsichert“. Es wurde ein Konsenspapier vorgestellt, das einheitliche Handlungsempfehlungen vor allem für Eltern mit jungen Kindern enthält. Die „Handlungsempfehlungen zur Säuglingsernährung und zur Ernährung der stillenden Mutter“ sollen unter anderem Kinder- und Frauenärzte sowie Hebammen als Beratungsstandard dienen. Das „Gesund ins Leben – Netzwerk junge Familien“ ist Bestandteil der beiden Aktionspläne „In Form“ und „Aktionsplan gegen Allergien“.
Patente sind ein Thema, dass Julia Klöckner im Juli 2010 „Sorge bereitet“. Hintergrund war die Diskussion um das „Brokkoli-Patent“. Sie fürchtete, Dass „Patente, die Natur einschränken“. Es müsse deutlicher dargelegt werden, ab wann ein Patent erteilt werden darf und welche Reichweite es habe. Das Gutachten und ein Symposium zu Biopatenten am 28. September in Brüssel sollen Öffentlichkeit in der komplizierten Materie schaffen, denn die Frage erreicht auch die Verbraucher. Falsche Patente entziehen Pflanzen und Tiere der Vielfalt, das Nahrungsangebot wird kleiner und die Produkte teurer.
Auf dem Kongress der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) über Biomass to Liquid (BtL) im Dezember 2010 betonte sie die Wichtigkeit dieses Motorantriebs, „weil andere vermeintliche Patentlösungen“, wie Hybridfahrzeuge, Elektroautos und mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge noch keinen Durchbruch erzielt haben. Noch vor Einführung des Elektroautos werde es Fahrzeuge geben, die mit BtL-Kraftstoffen fahren.
2011 fand der Bauerntag in Koblenz statt und Julia Klöckner nahm als Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz daran teil. Der Deutsche Bauernverband hatte eine Wertediskussion angestoßen. Dabei gehe es nach ihrer Meinung, um ein gesellschaftliches Anliegen, das in der Landwirtschaft im kleinen Maßstab umgesetzt werden soll. Die Werte werden sich nur erfüllen, wenn sie bei den Bauern und Winzern vor Ort umgesetzt werden. Für die Landwirtschaft, so Klöckner weiter, geht es dabei um mehr als die Wertigkeit von Lebensmitteln. Die Werte des Leitbildes umfassen die Aufzucht und Pflege der Tiere und die ganze Arbeit bis zur Gewinnung der Milch. Nach Klöckner bekommen die Werte auch nur dann einen Sinn, wen sie von den Verbrauchern geteilt und verstanden werden. Deshalb sollte das morgen verabschiedete Leitbild auch Eingang in den Schulunterricht finden.
Im gleichen Amt unterstrich sie im Juni 2015 das Ergebnis der CDU-Zukunftskommission zum Thema Mindesthaltbarkeitsdatum: „Bei Lebensmitteln, die haltbar sind, brauchen wir deshalb kein Mindesthaltbarkeitsdatum.“
Heimat ist kein Ort
Julia Klöckner weiß aber noch nicht, welchen Umfang das Ressort hat. Die Landwirtschaft im engeren Sinn und der gesundheitliche Verbraucherschutz bleiben wohl in der Wilhelmstraße. Wie aber gegenüber anderen Ministerien könnte das so genannte „Heimatministerium“ von Horst Seehofer Abteilungen anderer Ressorts zentral verorten. Bislang werden Landwirtschaft und ländlicher Raum zusammen diskutiert und die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) wurde erst in der letzten Legislaturperiode um die Förderung für nicht-landwirtschaftliche Unternehmen erweitert. Seehofers, der in seiner Tätigkeit als Landwirtschaftsminister dem ländlichen Raum mit Tagungen und Projektkreisen Aufwind gab, könnte unter dem Begriff „Heimat“ die Politik für das Land übernehmen. Damit griffe er nicht nur im Bereich des Agrarministeriums, sondern auch über die Infrastruktur in die Bereiche Verkehr und Wirtschaft ein. Aus dem Umweltministerium könnte die Abteilung Bau ins Heimatministerium wechseln. Agrarpolitiker fürchten, dass das BMEL am Ende nur noch ein berufsständisches Ressort für die engeren Belange der Bauern bleibt.
Nachdem die Ministerposten der CDU jetzt besetzt sind, fehlen noch immer die Zustimmung der SPD-Basis und der genau Ressortzuschnitt, der wohl erst am 12. März bekannt gegeben wird. Bis dahin darf sich Julia Klöckner schon als Kämpferin für Ernährung, Landwirtschaft und den ländlichen Raum beweisen.
Roland Krieg