Lausitzer Algensprit für die Lufthansa
Landwirtschaft
Algenforschung in der Energieregion Lausitz
Algen! In der biologischen Systematik ist die Bezeichnung
Alge kein wirklicher Begriff, denn er entstammt der Umgangssprache. Die „echten“
Algen repräsentieren die erste erfolgreiche Pflanzengruppe, die noch an die
aquatische Lebensweise angepasst ist und mit Hilfe der Photosynthese im Chlorophyll
den Sauerstoff in die Atmosphäre pumpte. Zu diesen Grünalgen werden oftmals
auch die Blaualgen gezählt, die aber nicht zu den Pflanzen, sondern zu den
Prokaryoten, also Lebewesen ohne Zellkern, gehören. Die einzelnen Algengruppen
werden hauptsächlich nach ihren Photosynthesepigmenten und -produkten unterschieden1).
Die erdgeschichtlich alten Lebewesen erfahren eine rasante
Renaissance. Ihnen werden Möglichkeiten zugeordnet, auf deren Basis bald zehn
Milliarden Menschen miteinander leben können.
Up-Scaling einer Algenpopulation: Zunächst max.
4 Wochen auf Agarkultur (10ml) endet der
Stamm nach 14 Wochen in der 500 Liter-Anlage
Ein Beispiel
Seit zwei Monaten fliegt die Lufthansa in einem
Pilotversuch zwischen Frankfurt und Hamburg mit Bio-Kerosin. Die Turbinen
werden zur Hälfte mit Pflanzenöl versorgt. Der Nachteil: Das Pflanzenöl stammt u.a.
von der Jatropha-Pflanze, die in Afrika angebaut wird. Die Lösung: Der große
Jumbo fliegt bald mit Algen-Kerosin, so wie ein kleines Sportflugzeug des
europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS auf der Berliner
Luftfahrtausstellung im Jahr 2010. Der Sprit könnte aus der Lausitz im Süden
Brandenburgs stammen.
An der Hochschule Lausitz in Senftenberg wurde am
Montag ein neuer Algenversuchsreaktor in Betrieb genommen, der die Energieregion
Lausitz-Spreewald zu einem Kompetenzzentrum der Algenbiomasseforschung machen
soll. Algen sollen mit Hilfe eines neuen Thermolyse-Versuchsstandes und Aufbau
einer Extraktions-Testanlage neben Biokraftstoffen auch Proteine für die
Fütterung erzeugen können.
Der Weg ist aber noch weit. Auch bei der unten
beschriebenen CO2-Fixierungsanlage handelt es sich um Pilotanlagen,
die der Grundlagenforschung und für Testreihen dienen sollen, damit die
Produkte später wirklich in einem industriellen Maßstab erzeugt werden können.
Letztlich ist das nach Prof. Dr. Günter Schulz, Präsident der Hochschule
Lausitz, eine Frage der Zucker- und Erdölpreise.
Natürliche Kreisläufe
Doch die Algen haben tatsächlich viel Potenzial. Sie sind
klein, brauchen keine Fläche und sind Vertreter von natürlichen Kreisläufen,
die bald fossile Energieträger ablösen sollen.
Mikroalgen sind kleine
Kraftwerke, die mit Hilfe energiereichen Lichts, Kohlendioxid, Nährstoffen und
Wasser Nahrung, Tierfutter, Rohstoffe wie Kohlenhydrate, Fette und Proteine sowie
Biogas und Biotreibstoff herstellen. Mit naturnahem Futter in der Aquakultur erfährt
der Mikroalgenmarkt derzeit die stärkste Nachfrage im Algensegment, so Prof.
Ingolf Petrick von der Fakultät für Naturwissenschaften.
Ein Hektar Raps erzielt drei Tonnen Biomasse pro Jahr
und Hektar. Mikroalgen in einem offenen System liefern bereits 60 Tonnen
Biomasse. In einem geschlossenen System sind es 150 und in einem
spezialisierten System wurden auch schon 300 Tonnen Biomasse je Hektar und Jahr
erzeugt.
Solche Perspektiven sind nicht nur für die
Wirtschaftskraft der ehemaligen Braunkohleregion wichtig, erklärte Siegurd
Heinze, Landrat des Landkreises Oberspreewald-Lausitz. Staatssekretär Henning
Heidemann aus dem Brandenburger Wirtschaftsministerium sieht in der Lausitzer
Forschung angesichts der Möglichkeiten einen „wichtigen Beitrag für die Welt“.
Auf der Suche nach der optimalen Alge
Rund 120.000 Algen sind weltweit bekannt. Mit etwa 150
Algen beschäftigt sich Prof. Petrick. Verschiedene Chlorella-Algen können
kugelig-klein oder kugelig-groß sein, Selenastrum rinoi ist sichelförmig.
Wie bei der Sortenwahl im Ackerbau muss die Alge
verschiedene Eigenschaften aufweisen, damit sie für eine Produktion in Frage
kommt. Die „optimale Alge“ muss schnell wachsen können, einen hohen
Fettsäuregehalt aufweisen, sie muss für Vattenfall „rauchgasverträglich“ sein
und bestimmten Arbeitswünschen bei der Algenernte und Weiterverarbeitung entsprechen. Parameter, die sich gegenseitig
verstärken, neutralisieren oder negativ beeinflussen können. Außerdem hat auch
der Photobioreaktor seinen Einfluss. Nicht jede Alge reagiert in einem Reaktor
gleich gut.
CO2-Fixierung im Rauchgas
Der Energieversorger Vattenfall ist bei seinem
Heizkraftwerk Senftenberg auf „grüner Mission“, erklärte Mendy Koschmann von
der GMB GmbH, einem bergbaunahem Planungs- und Servicedienstleister von
Vattenfall. Braunkohlekraftwerke gelten derzeit als Brückentechnologie für den
Weg in die erneuerbare Zukunft. Diskutiert werden das Auffangen des
entstehenden Kohlendioxids und die Verpressung in den Boden. Carbon Capture and
Storage (CCS) heißt die Technik, die vor allem in Brandenburg und Schleswig-Holstein
an den möglichen CO2-Lagerstätten zahlreiche Protestbewegungen
hervorgerufen haben. Mendy Koschmann erklärt gegenüber Herd-und-Hof.de, dass
die in Senftenberg verwendete Technik eine Nutzung des Kohlendioxid vorsieht:
CCU – Carbon Capture and Utilization.
Bei diesem Prozess wird das Rauchgas des Kraftwerks so
konditioniert, dass pH-Wert, Dichte und Temperatur algenfreundlich sind.
Scenedesmus obliquus als Sommeralge für Temperaturen bis zu 30 Grad und
Chlorella vulgaris als Winteralge für bis zu 25 Grad Celsius fangen den
Kohlenstoff aus dem Rauchgas auf. In einem noch bis 2012 laufenden Projekt
basteln die Algen in einer Flat Panel Airlift Anlage ihre Produkte zusammen. 12
Paneele können 2.160 Liter Suspension
mit Algen fassen. Sie wird durch die Begasung mit Kohlendioxid von unten in den
Röhren umgewälzt. Der von den Algen produzierte Sauerstoff entweicht nach oben.
Die CO2-Fixierung ist bei diesem Reaktortyp ein diskontinuierlicher
Prozess.
Noch in diesem Jahr wird eine neue und modernere
Anlage eingeweiht. Der so genannte „hanging garden“ wird kontinuierlich mit 12
Platten zu 60 Röhren 48.000 Liter Algensuspension fassen. Die Platten können
der Sonne nachgestellt werden.
Algenkerosin
Prof. Petrick will bei seinen Versuchen die Kerosinausbeute
erhöhen. Seine Algen könnten aus zwei Tonnen Kohlendioxid rund eine Tonne
Biomasse produzieren. Daraus werden 200 Kilogramm Fett und 30 Kilogramm Kerosin
gewonnen. Der Herstellungsprozess aus der Algenbiomasse folgt dabei den üblichen
Stufen, mit denen auch Biodiesel aus Raps gewonnen wird.
Allerdings will er den Prozess deutlich verbessern. Nach
dem Entwässern der Biomasse können Temperatur, Druck und Zeit in dem Prozess
einer hydrothermalen Verflüssigung direkt Biorohöl, Methanol, Ethanol oder auch
Biokohle entstehen2) lassen. Diese Verkürzung des Herstellungsprozesses
verspricht eine um den Faktor fünf höhere Kerosinausbeute.
Lesestoff:
1) Prof. Dr. Peter von Sengbusch, Botanik online www.biologie.uni-hamburg.de
2) Die Hydrothermale
Verflüssigung an der Hochschule Lausitz unterscheidet sich von der
Hydrothermalen Carbonisierung nur durch unterschiedlich gewählte Parameter.
Bio-Kohle aus Brandenburg
Ist die Lufthansa schuld an Landvertreibung?
Roland Krieg (Text und Fotos)