Leaner, Cleaner, Greener

Landwirtschaft

Energiegipfel der Bundesregierung

Steigende Strom-, Heizungs- und Treibstoffkosten: Wenn Verbraucher zur Gegenfinanzierung ihrer Mobilitätskosten beim Discounter einkaufen, dann sind die Mehrkosten für Energie in der Summe noch kaschierbar. Zu Jahresbeginn allerdings haben die Heizkosten bleibende Löcher in die Geldbörsen gerissen und die Energieversorger haben bereits weitere Preissteigerungen angekündigt.

Gipfelblick
Kommenden Montag lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Spitzenkreis von Politikern und Energiesachverständigen zum nationalen Energiegipfel ein. Das Kernziel ist ein Gesamtkonzept, die Versorgungssicherheit zu garantieren, tragbare Energiekosten zu generieren und gleichzeitig das Klimaschutzziel zu beachten. So beschloss der EU Ministerrat im März 2005, dass „der globale jährliche durchschnittliche Temperaturanstieg nicht höher als 2 °C über dem vorindustriellen Niveau liegen“ solle.

Herausforderungen und Chancen
In Vorbereitung zum Energiegipfel gab das Wuppertalinstitut gestern in Berlin einen Überblick über die Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Ressourceneffizienzinitiative mit den beiden Hauptfeldern, die Material- und Energieeffizienz zu steigern und erneuerbare Energien im Strom- und Wärmemarkt sowie Biokraftstoffe auf breiter Ebene in den Markt einzuführen.
Erdöl wird in Zukunft mindestens teuer bleiben, möglicherweise aber noch erheblich im Preis steigen. Seit Mitte 2004 ist die Importrechung für Deutschland für Öl und Gas um mehr als 20 Milliarden Euro angestiegen. Der Zeitpunkt der maximalen Erdölförderung wird 2010 erwartet und nach Angaben des Präsidenten des Wuppertalinstituts, Prof. Dr. Peter Hennicke, wird zur Zeit mehr verbraucht als gefördert. Der zukünftige Ölbedarf Chinas, Indiens, Brasiliens und Süd-Afrikas sind dabei noch gar nicht einberechnet. Aber auch das in Europa als Erdölsubstitut gehandelte Gas ist ein begrenzter Vorrat und preislich an den Ölpreis gekoppelt. Der Anteil der Energieträger, der in die EU importiert werden muss, wächst bis 2020 von 50 auf 70 Prozent. Die heimische Kohle gilt zwar als versorgungssicher, steht aber dem Klimaschutz im Wege, denn solange die Abscheidung und Lagerung von CO2 nicht geklärt ist, pustet die Kohle doppelt soviel Kohlendioxid in die Luft als moderne Gaskraftwerke. Dabei wächst die Sorge, dass der Klimawandel schneller und bedrohlicher ablaufen könnte, als zuletzt im Sachstandsbericht der Klimawissenschaft 2001 prognostiziert wurde.
Keine Herausforderungen ohne Chancen: Szenarien des Wuppertalinstituts zeigen, dass nachhaltige Energiesysteme „leaner“ (effizienter), „cleaner“ (sauberer) und „greener“ (erneuerbar) werden. Techniken für eine effizientere Energieverwendung und erneuerbare Energien werden zukünftig „die größten und am schnellsten wachsenden Märkte der Welt bilden“. Die Investitionen in diesem Bereich sollen von aktuell 40 auf 250 Milliarden Euro pro Jahr bis 2020 steigen. China will in den nächsten neun Jahren 120 Gigawatt Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen. Möglicherweise kommt der Finanzsektor dem Wandel zur Hilfe, denn ein Anlegerkapital von umgerechnet 31 Billionen Dollar fordert mittlerweile von 500 Unternehmen die Offenlegung ihrer CO2-Bilanzen.

Ungenutztes Sparpotenzial
Wer für seinem Haushalt eine Waschmaschine, Kühlschrank oder Fernseher gekauft hat, legt damit seinen Stromverbrauch für die nächsten Jahre fest. Weil das meist zunächst nur kleine Mengen und vor allem einer Investition bedarf, erscheint es den meisten Verbrauchern nur als ein geringes Potenzial, Strom zu sparen. Die Umrüstung eines 4-Prsonen-Haushalts mit durchschnittlich 3.500 kWh auf die jeweils marktbesten Geräte könnte den Stromverbrauch aber auf ein Fünftel senken, so die Berechung des Instituts. Alle Haushalte zusammen sparen auf diese Weise bundesweit 7.000 MW ein. Allein die Stand-by-Verluste aller Geräte in Haushalt und Industrie entsprechen der durchschnittlichen Stromproduktion eines deutschen Kernkraftwerks.

Umsetzen, nicht neu erfinden
Hand aufs Herz: Energie sparen und Sonnenlicht nutzen sind spätestens seit den beiden autofreien Sonntagen Anfang der 1970er Jahre keine wirklich neuen Erfindungen. Möglicherweise kommt aber erst jetzt so langsam der Zeitpunkt, dass erneuerbare Energien ihre Ära finden. Eine Shell-Studie geht davon aus, dass bis 2060 der Anteil erneuerbaren Energien weltweit bei 60 Prozent liegt. Damit wird der Kohlendioxidausstoß nicht mehr weiter erhöht, sondern stabilisiert und zurückgefahren. Sieben Strategien sind nach dem amerikanischen Energieexperten Socolow von der Princeton University umzusetzen, deren Technik und Realisierung bereits bekannt ist. Eine Strategie beschriebt jeweils die Möglichkeit, Kohlendioxid einzusparen, die innerhalb von 50 Jahren 25 Gigatonnen hervorbringen kann. Dazu gehört zum Beispiel neben der Energieeffizienz bei Gebäuden, Strom von erneuerbaren Energien, Biokraftstoffe, die Einlagerung von CO2 bei Kohle und Gasnutzung, Aufforsten und Bepflanzung als natürliche Kohlendioxidsenke oder der Methanvermeidung bei Rindern und Reis.

Die Endlichkeit der Biomasse
Ein Zukunftsschimmer leuchtet auf dem Land. Effektive Erzeugung von Nahrungsmitteln lässt Ackerflächen brach fallen, die unterschiedlich genutzt werden können. Der Landwirt als Energiewirt stellt das neue Image der Bauern dar, die mit gelb blühenden Rapsfeldern den Rohstoff für Biodiesel bereitstellen. Biogasanlagen versorgen nicht nur die energetisch autarken Höfe, wie das Gut Kerkow, sondern stellen auch Energie für private Haushalte zur Verfügung. Allerdings gibt es neben den Flächenbeschränkungen für den Anbau von Biomasse auch eine erhebliche Nutzungskonkurrenz: Aus den Pflanzen können Kraftstoffe wie Ethanol oder Rapsmethylesther hergestellt werden, aber auch Textilien, Arzneimittel oder Naturfasern für Werkstoffe und die Wärmedämmung. Die Pflanzen können in KWK-Anlagen verstromt oder zu Pellets für die Heizung gepresst werden. Dr. Manfred Fischedick vom Wuppertalinstitut sieht auf Nachfrage in der Biodieselbesteuerung und in der Kürzung der Gelder für den ländlichen Raum eine Bremse für die aufgenommene Dynamik auf dem Land. „Eine Nachjustierung“ der Besteuerung war jedoch notwendig. Das „lachende Auge“ sieht aber auch, dass diese Veränderung die Biomasse der zweiten Generation fördern kann. Danach verliert Raps zukünftig an Bedeutung und die BtL-Technik gewinnt an Dynamik.

Heute hat sich anlässlich des 9. Treffens der Brandenburger Forschungsplattform „Ländliche Räume“ ein Arbeitskreis zur energetischen Nutzung von Biomasse gegründet. „Die Sicherung alternativer Energiequellen wird durch die endliche Verfügbarkeit der bisher vorrangig genutzten Energieträger immer stärker zu einer der Grundbedingungen für die Sicherung des Lebensstandards und der Beschäftigung“, sagte dazu Brandenburgs Umweltstaatssekretär Dietmar Schulze. Die Landkreise Barnim und Uckermark haben bereits einen Energie-Cluster gegründet, der Landwirte, Planer und Anlagenbauer zum Erfahrungsaustausch an einen Tisch bringt.

Hemmnisse des Energiewandels
Für Stefan Thomas, Leiter der Forschungsgruppe „Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik“ am Wuppertalinstitut sieht beim Verbraucher das Hemmnis, dass Energieeffizienz nur an vielen kleinen Dingen gekoppelt ist. Erst wenn ein altes Gerät ausgetauscht werden muss, dann bietet sich eine Gelegenheit, an ein günstigeres Gerät zu denken. Oft sind die Einsparpotenziale für den Einzelnen auch viel zu wenig, um wirklich beachtet zu werden. Prof. Hennicke sieht auf nationaler Ebene ein Marktversagen, wenn auf der Anbieterseite nur vier Energieversorger in Deutschland tätig sind und auf der anderen Seite mit Millionen Haushalten eine atomistische Nachfrage herrscht. Hier wirkt der Staat gerade mit dem Erneuerbare Energien Gesetz korrigierend ein. Das EEG „dynamisiert den technischen Fortschritt“.

Wuppertalinstitut
Das Institut wurde 1991 unter der Leitung von Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker als GmbH gegründet. Es ist eine Non-Profit-Organisation, die dem Land Nordrhein-Westfalen gehört und rund 80 Projekte im Jahr durchführt. Das Institut können Sie im Netz unter www.wupperinst.org besuchen.

Roland Krieg

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