LULUCF in der THG-Bilanz
Landwirtschaft
LULUCF: Technischer Report für politische Aufgaben
Zur Einhaltung des Zwei-Grad-Zieles der Klimaerwärmung müssen weltweit die Emissionen an Treibhausgasen gegenüber dem Referenzjahr 1990 bis zum Jahr 2050 um mindestens die Hälfte reduziert werden. Die Industrieländer müssen ihre Abgase sogar um 80 bis 95 Prozent absenken. Die EU hat als Zwischenziel die 20-Prozentmarke für das Jahr 2020 herausgegeben.
Was ist LULUCF?
Innerhalb der Reduktionsziele sind die Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (land use, land use change and forestry – LULUCF) nicht berücksichtigt. Die EU-Verordnung 406/2009/EG jedoch enthält den Hinweis, dass LULUCF an der Treibhausgasreduzierung beteiligt werden soll. Nach den Klimaverhandlungen in Durban wird die Forstwirtschaft bald in die Bilanz aufgenommen. Die EU will den Landwirtschaftssektor zusätzlich berechnen.
Agrar- und Forstwirtschaft zeichnen sich gegenüber anderen Sektoren dadurch aus, dass die Pflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre herausnehmen und in Blättern, Stengeln und Stämmen speichern. Diese Senke hat im Jahr 2009 rund neun Prozent der Industrieemissionen aufgenommen. Aktiv kann die grüne Branche die Senkungsfunktion durch den Anbau von Leguminosen, Fruchtwechsel, Konservierung von Grünland und Agro-Forst-Systeme erhöhen.
Die vorhandenen freiwilligen Berechnungen unter dem Kyoto-Protokoll reichten nicht aus. Als größtes Manko für die Umsetzung gelten fehlende Monitoring- und Berichtsdaten. Vor allem die Forstwirtschaft wird wegen der langsamen biologischen Wachstumsprozesse erst über lange Zeiträume hinweg positive oder negative Effekte aufweisen können. Der LULUCF-Sektor trägt selbst zu rund 17 Prozent am Ausstoß der Treibhausgase bei.
Daher liegt der Kommissionsvorschlag zur Anrechnung der Treibhausgasbilanz im LULUCF-Sektor derzeit im Europäischen Parlament. Der Umweltausschuss hat am Donnerstag darüber beraten.
Bürokratie, Freiwilligkeit und Zusatzaufgaben
326 Änderungsanträge sind für den Kommissionsvorschlag eingereicht worden. Die meisten beziehen sich auf die technische Durchführung der Bilanzerstellung. Für den griechischen Berichterstatter Kriton Arsenis (Sozialdemokrat) ist die Verordnung daher mehr ein technischer Bericht für eine wichtige politische Angelegenheit. Es geht vor allem um das Sichtbarmachen der verborgenen Leistungen der Land- und Forstwirtschaft. Das müsse jedoch in allen EU-Ländern nach der gleichen Methode berechnet werden. Bei individuellen Berechnungen wäre die Bilanzleistung nicht mehr erfassbar.
Polen beispielsweise könnte rund ein Prozent seiner Industrieemissionen, Italien sogar zwei Prozent über den LULUCF-Sektor verringern. Da Kohlendioxid mittlerweile einen Markt hat, gehe es bei den Berechnungen um wirkliches Geld, so Arsenik.
Im Vorfeld wurden zwei Mythen über die Verordnung geklärt: Die Verordnung laste den Bauern keine zusätzlichen Bürden auf und greife nicht in die Souveränität der Staaten ein.
Das aber wird noch bezweifelt. Selbst wenn die Verordnung nur statistische Metadaten erfasse, die beispielsweise für den Weltklimarat schon zur Verfügung stehen, fürchten die Skeptiker, dass am Ende für genauere Daten doch der Landwirt Bäume und Sträucher zählen werden müsse. Früher oder später würde das sogar Eingang in den Cross Compliance-Katalog der ersten Säule finden. Dann würden die Agrargelder nur gegen positive Beitragseffekte zur Reduzierung der Emissionen ausgezahlt werden.
Selbst wenn die Bauern keine Daten liefern müssten, kämpfe nach Britta Reimers (Liberale, Deutschland) die Verwaltung mit der Datenflut. Das blähe die Verwaltung auf und erhöhe den „europäischen Frust“.
Reimers plädiert dafür, dass für die Staaten alles was über die internationale Konvention von Durban hinausgeht, freiwillig bleiben soll.
Christa Klass (CDU) will explizit die nachhaltige Forstwirtschaft als klimagünstigere Waldform aufnehmen, denn der reine naturbelassene Wald hat eine geringere Senkenfunktion als der wachsende und stoffbildende Wald.
Es sind noch mehrere Fragen offen. Würden die Wälder aus Gründen der Klimabilanz auf Ackerflächen ausgedehnt werden? Könnten Emissionen aus dem Boden die LULUCF-Idee konterkarieren und existiert ein auseichendes Kataster für die Bodenversiegelung durch Städtebau und Infrastruktur? Die verfügbaren Daten müssten auf ihre Validität geprüft werden.
Änderungsantrag 79
Gegen den bürokratischen Aufwand hat unter anderem Peter Liese (CDU) den Änderungsantrag 79 als Ergänzung zum Kommissionsvorschlag eingereicht. Darin heißt es: „Mit diesem Beschluss werden die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Durchführung dieser Anrechnungsvorschriften und Aktionspläne festgelegt. Anrechnungsvorschriften oder Berichterstattungsauflagen für Wirtschaftsunternehmen einschließlich Land- und Forstwirtschaft werden damit nicht festgelegt.“ Also keine Datenlast mehr für die Bauern?
Terminplan
Am 10. Oktober wird der Ausschuss über die Änderungspläne abstimmen und im Januar 2013 soll die Verordnung im Plenum diskutiert werden
Roland Krieg