März-Agrarrat in Brüssel
Landwirtschaft
Strategische Pläne, Pflanzengesundheit, Waldpolitik
Strategische Pläne
Die Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) laufen noch (Triloge), die Länder bereiten ihre nationalen Strategiepläne vor und die einen setzen auf die GAP, die anderen auf den Green Deal sowie die Strategien zur Biodiversität und Farm-to-Fork. Eine komplexe Gemengelage, die in Deutschland zur Blockade durch Bündnis 90/Die Grünen in der Agrarministerkonferenz führt.
Kein anderes Land leistet sich diese Stringenz, wie der EU-Agrarrat am Montag in Brüssel aufzeigte. Die Agrarminister diskutierten am Abend über die strategischen Pläne, die bis Jahresende der Kommission zur Notifizierung vorzulegen sind. Sie sind das Herzstück der GAP, wiederholte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski und unterschied zwischen rechtlichen und politischen Zielen.
Die Basisrechtsakte soll „in Kürze“ verabschiedet werden, damit die EU-Länder ihre Rechtssetzung, die parallel zur GAP-Diskussion läuft, finalisieren können. Ganz besonders drängend wird es für Deutschland, wie in Vertretung für Bundesministerin Julia Klöckner die Staatssekretärin beim Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Beate Kasch, sagte: „Am besten noch während der portugiesischen Ratspräsidentschaft“.
Den Green Deal nannte Wojciechowski ein politisches Ziel, das zwar den Wünschen der Bevölkerung entspräche, aber eben nicht rechtsverbindlich sei. Und wird dann zum Abschluss seiner Rede wieder unscharf, weil er die Ziele des Green Deals in der GAP erreichen will.
Das führt noch heute zu Irritationen, weil die Kommission ihren GAP-Vorschlägen aus dem Jahr 2018 die Strategien 2020 offenbar als weiches „Update“ nachgereicht hat. Die portugiesische Vorsitzende Maria do Céu Antunes ist optimistisch, die Triloge innerhalb der nächsten drei Monate abschließen zu können.
Die meisten Länder wollen äußerst viel Flexibilität in ihren Strategieplänen, weil sie regional die Ziele am besten umsetzen können. Elisabeth Köstinger aus Österreich will darauf achten, dass keine regionale Lebensmittelerzeugung ins Ausland verlagert werde. Ihr tschechischer Amtskollege Jiři Šír, wie der ungarische Minister István Nagy, aber auch der belgische Amtsträger David Clarinval unterstreichen, dass die GAP mit den nationalen Strategieplänen alleine nicht für die Erreichung der ambitionierten Umwelt- und Klimaziele ausreichen. Sie müsse mit der Arbeit aus anderen Sektoren verknüpft werden. Der Vertreter der niederländischen Ministerin Carola Schouten sagte: Die GAP muss GAP bleiben.
Für die Formulierung der nationalen Strategie, für die Deutschland wegen der Sommerpause und anschließenden Bundestagswahl nur noch Zeit bis Ende Juli hat, müssen die vorgelegte Risiko- und Chancenbewertung und die Bedarfsanalysen ausreichen. Dieser mehrmals geäußerten Meinung unterstrich Beate Kasch ebenfalls.
Pflanzengesundheit
Das Thema Pflanzengesundheit stand gleich zweimal auf der Tagesordnung: Kontrollen gegen gefährliche Schaderreger und mit dem Einsatz von Nützlingen.
Nach dem Internationalen Jahr der Pflanzengesundheit 2020 und dem neuen Pflanzenschutzgesetz von Ende 2019 war es an der Zeit für einen Zwischenbericht. Je strenger die Kontrollen an der EU-Außengrenze sind, desto weniger Pflanzenschutzmittel im Sinne des Green Deals und der Strategie „Farm-to-Fork“ müssen eingesetzt werden. Die portugiesische Landwirtschaftsministerin Maria do Céu Antunes als Ratsvorsitzende und die EU-Kommissarin für Lebensmittelsicherheit Stella Kyriakides waren sich in diesem Punkt einig. Daher sollten die Öffentlichkeitskampagnen auch über das vergangene Jahr weiter gehen, um vor allem die breite Öffentlichkeit zu erreichen, die Pflanzenmaterial mittlerweile über das Internet bestellt, Beate Kasch ergänzte.
Die EU hat Schädlinge neu unterteilt und vor allem „prioritäre Schädlinge“ wie Asiatischen Laubholzbockkäfer oder Das Feuerbakterium Xylella festgelegt, die besonders große Schäden verursachen können [1]. Effektive Kontrollen und Monitoring im Land brauchen nach Kasch ausreichend finanzielle und personelle Ausstattung. Irland hat die Gelegenheit genutzt und gleich eine fünfjährige Pflanzengesundheitsstrategie aufgelegt. Ungarns Landwirtschaftsminister István Nagy warnte aber auch vor weiter sinkender Verfügbarkeit von Wirkstoffen, was den Schutz vor Schaderregern erschwere. Zudem sollten die Drittlandspartner seiner Ansicht nach die gleichen Anbaubedingungen nutzen müssen, wie sie in der EU gelten.
Das gelte vor allem auch innerhalb der EU, unterstrich Jože Podgoršek, Agrarminister in Slowenien. Die Landwirte müssten über die gleichen Maßnahmen und Informationen verfügen. Kasch ergänzte, dass die Landwirte innovative Maßnahmen wie die Digitalisierung, Schnelltests und Risikomodellierung nutzen könnten, um Schaderreger effektiv zu identifizieren und zu bekämpfen. Der Bund stimme für die wichtigsten Schaderreger Notfallpläne mit den Bundesländern ab. Solche Notfallpläne sind in den meisten EU-Ländern ebenfalls vorhanden.
Fortlaufende internationale Aktivitäten seien wichtig und die Länder begrüßten den Vorschlag für die Zeit nach 2020 einen regelmäßigen Internationalen Tag der Pflanzengesundheit zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit einzuführen.
Nützlinge
Zusätzlich werden bereits vielfach Insekten, Milben und Nematoden als Nützlinge gegen Schaderreger eingesetzt. Sie erbeuten oder parasitieren die Krankheitserreger und können ebenfalls im Sinne des Green Deals und der Strategie „Farm-to-Fork“ sinnvoll eingesetzt werden. Allerdings kennen die lebenden Organismen keine Grenzen und könnten durchaus eine Gefahr für die Biodiversität in einem Nachbarland werden. Damit sind weniger die Marienkäfer, als eingeführte Nützlinge aus Drittländern gemeint. Daher müssten auch die Nützlinge kontrolliert werden, sagte do Céu Antunes.
Grundsätzlich begrüßen die Agrarminister die Ausweitung der Bekämpfungsmöglichkeiten um Makroorganismen und sollten nach Nagy sogar einen Vorrang vor chemischen Bekämpfungsmitteln erhalten. Allerdings sehen die Agrarminister auch die Gefahr unerwünschter Nützlinge, die durch Massenvermehrung ins Gegenteil umschlagen und Schäden verursachen können. Die Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO) haben bereits Standards für die Freisetzung von Nützlingen aufgestellt. Sie werden ergänzt durch internationale Standards der International Plant Protection Convention (IPPC). Die EU hat für die Prävention bereits die Verordnung 1143/2014 auf den Weg gebracht.
Der Mehrwert von Nützlingen soll dabei aber nicht geschmälert werden. Spanien hat die nationale Regelung bereits im gleichen Jahr umgesetzt und nach Agrarminister Luis Planas Puchades mehr als 500 Organismen registriert.
Auch in Deutschland sind Nützlinge im Weinbau und im Gewächshaus fester Bestandteil des integrierten Pflanzenschutzes, betonte Kasch. Podgoršek schlägt eine europäische Bestandserhebung vor, damit Landwirte sehen, welche Alternativen sie haben. Damit verbunden soll eine allgemeine Genehmigung leichter werden, ist ein Nützling bereits in einem Land zugelassen, ergänzte der finnische Minister Jari Leppä.
Gerade in diesem Bereich sind viele kleine Firmen als Start-ups unterwegs. Litauens Minister Kęstutis Navickas will diese Vielfalt gegen die große Agrochemie schützen.
Waldpolitik
Der Agrarrat hatte bereits im November die 2020 die Multifunktionalität der Wälder betont. Neben den Umweltzielen dürfe die Forstwirtschaft nicht vernachlässigt werden. Die Länder haben offenbar das Gefühl, dass die Forderung bei der EU-Kommission nicht angekommen ist. Österreichs Land- und Forstministerin Elisabeth Köstinger hat mit Unterstützung von elf weiteren Ländern, ohne Deutschland, in einem Papier auf die Notwendigkeit der verschiedenen Funktionen des Waldes hingewiesen. Die EU-Kommission wollte eigentlich Ende 2020 eine Forststrategie für die Zeit nach 2020 vorlegen und plant das jetzt in diesem Jahr. Köstinger befürchtet, die Kommission setze mit Blick auf den Green Deal einseitige Vorgaben auf die Klimapolitik und vernachlässige die Forstwirtschaft. Die Kommission dürfe die Funktion der Kohlendioxidsenke nicht auf Kosten der nachhaltigen Forstwirtschaft betonen. Kritisch seinen auch nationale Gesetzgebungen, die einer einheitliche Forstwirtschaft entgegenstünden. Die Bewirtschaftung ist nach Köstinger eine wichtige Funktion im Kampf gegen Waldbrände und der Ausbreitung von Krankheiten. Die meisten Wälder werden von kleinen Familiengeführten Betrieben bewirtschaftet, die Wert auf den Erhalt der Ökosystemfunktion und Verbesserung der Biodiversität legten. Die Forststrategie 2020 müsse klare Ziele beinhalten und die Entstehung vager Konzepte vorbeugen. Basis für die Weiterentwicklung der Waldstrategie müssen die Expertisen des Ständigen Forstausschusses und der 1993 verfassten Helsinki-Resolution sein [2]. Köstinger will mit der Gründung einer Arbeitsgruppe im Forstausschuss der Kommission bei der Ausarbeitung der Waldstrategie behilfreich sein. Wichtig sei bei Allem, dass die Waldpolitik weiterhin in der Hoheit der einzelnen Länder bleibt.
Beate Kasch bestätigt ebenfalls die gleichzeitige Beachtung der Verbesserung der Biodiversität, der Resilienz der Wälder und deren Beitrag für die Bioökonomie.
EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski will den ganzheitlichen Ansatz mit Berücksichtigung der länderspezifischen Waldstrukturen berücksichtigen. EU-Umweltkommissar Virginijius Sinkevičius betonte, dass Naturkatastrophen und Krankheiten, aber auch Wertschöpfungsketten für Holz grenzüberschreitend auftreten und vorhanden sind. Das sei über eine Stärkung des ordnungspolitischen Rahmens eine gemeinsame Sache der EU.
Lesestoff:
[1] Das neue Pflanzengesundheitsgesetz mit der Unterteilung der verschiedenen Schaderreger finden Sie unter https://pflanzengesundheit.julius-kuehn.de/neues-pflanzengesundheitssystem---schaedlinge.html
[2] Helsinki-Resolution: https://www.foresteurope.org/docs/MC/MC_helsinki_resolutionH1.pdf
Roland Krieg
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