"Maschinenpark" der Photosynthese
Landwirtschaft
Wie Pflanzen Licht effektiv ausnutzen
>Wenn uns die Sonne zu sehr auf den Schädel brennt, suchen wir uns ein schattiges Plätzchen. Diese Möglichkeit haben Pflanzen nicht. Egal ob Schatten oder Sonne, sie müssen an dem Standort bleiben, an dem sie Wurzeln geschlagen haben. Im Verlauf der Evolution haben sie ausgeklügelte Mechanismen entwickelt, die es ihnen unter anderem ermöglichen, durch Umbauten in ihrem Inneren auf veränderte Lichtverhältnisse zu reagieren.Der auch für den Menschen existenziellste chemisch-physikalische Prozess ist die Photosynthese der grünen Pflanzen, bei der mit Hilfe von Licht aus Kohlendioxid und Wasser der erste gespeicherte Zucker, wie Stärke oder Cellulose gebastelt wird und dabei Sauerstoff entsteht. Seit längerem ist bekannt, dass die an der Photosynthese beteiligten Lichtsammelproteine der Pflanze auch dabei helfen, auf veränderte Lichtverhältnisse zu reagieren.
Jenaer Forscher identifizieren Kinasen
Ein deutsches Wissenschaftlerteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat nun zwei wichtige Enzyme, so genannte Kinasen identifiziert, die lebenswichtig für die Anpassungsreaktion der Pflanzen sind: einmal für eine langzeitige und einmal für eine vorübergehende Anpassung.
"Die Photosynthese findet in einer hochspezialisierten und von der übrigen Zelle räumlich getrennten Minifabrik, den grünen Chloroplasten statt" erläutert Koautor PD Dr. Thomas Pfannschmidt aus Jena. "Die Energie des Sonnenlichts wird dabei n zwei aufeinanderfolgenden Schritten mit Hilfe der Photosynthese I und II in chemisch nutzbare Energie umgewandelt." Wichtig dafür ist eine gleichmäßige Lichtanregung beider Systeme. Die beiden entdeckten Kinasen namens STN7 und STN8 spielen dabei eine entscheidende Rolle. Bei schnellen Lichtveränderungen regulieren sie die Verteilung der eingefangenen Lichtenergie zwischen den beiden Photosystemen, indem sie die Lichtsammelproteine hin und her schieben. Bei länger anhaltenden Lichtveränderungen bauen sie sogar den gesamten "Maschinenpark" der Photosynthese um. "Wir haben ermittelt, dass die beiden Photosysteme I und II dann in veränderten Zahlenverhältnissen vorliegen", erklärt Pfannschmidt.
Die Veränderungen können kurzfristig bereits nach 5 bis 10 Minuten auftreten, während der dauerhafte Umbau nach 12 bis 24 Stunden erfolgt. Mit dem Verschieben der Lichtsammelproteine geht es um eine möglichst effektive Ausnutzung des einzufangenden Sonnenlichtes. Das Photosystem I gibt bei einer Belichtung bei 700 nm ein Elektron ab, während das zweite bei einer Wellenlänge von 682 nm reagiert. Als Photosystem ist dabei ein Haufen von mehreren hundert Pigmentmolekülen zu verstehen.
Ohne SNT7 keine Langzeitanpassung
Die Licht-Experimente, die der Biologe Dr. Pfannschmidt mit seiner Gruppe durchgeführt hat zeigten, dass bei fehlender Kinase SNT7 eine Langzeitreaktion ausbleibt. Offenbar kommt das Signal zum Aufbau zusätzlicher Photosysteme in der Schaltzentrale nicht an. Die Pflanzen ohne Langzeitanpassung sind für die Wissenschaftler besonders interessant. "Denn wir wollen herausfinden, wie die Nachricht von den veränderten Lichtverhältnissen letztlich bis zur DNA gelangt, wo die genetische Information, sprich die Baupläne für die Photosynthese I und II lagern." STN7 ist offenbar ein wichtiger Bote in der Signalkette, die zur Bildung neuer Photosynthese-Gene führt. "Wir wissen nun zumindest, wo das Signal in der Photosynthese entsteht und das Langzeit- und Kurzzeitantwort miteinander gekoppelt sind", fasst der Pflanzenphysiologe die Ergebnisse zusammen. "Wir werden nun versuchen herauszufinden, wie die Signalweiterleitung funktioniert. Mit den beiden Kinasen haben wir einen ersten Angriffspunkt, um nach weiteren Reaktionspartnern zu suchen", skizziert er das nächste Forschungsziel.
Die Ergebnisse aus Jena wurden am 20.10.05 in der renommierten Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht: Bonardi, Pesaresi, Becker, Schleif, Wagner, Pfannschmidt Jahns und Leister: "Photosystem II core phosphorylation and photosynthetic acclimation require two different protein kinases". Beteiligt waren das Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, die Universität Düsseldorf, die Ludwig-Maximilians-Universität München und die Friedrich-Schiller-Universität Jena.
roRo