Mehr Bio durch mehr Umschichtung?

Landwirtschaft

Es gibt keinen Öko-Förderstopp in Sachsen-Anhalt

Es könnte so einfach sein, wenn es so einfach wäre: Die Konsumenten lieben Bio, die Bauern produzieren Bio und Agrargelder fließen direkt in die Nachhaltigkeit. Aus dieser Perspektive ist es verständlich, wenn der Anbauverband Bioland in der vergangenen Woche das Förderverhalten in Sachsen-Anhalt beklagte. Von 49 Betrieben, die einen Antrag auf Umstellungsgelder aus Magdeburg gestellt haben, kommen nur 20 Betriebe in den Fördergenuss. Und: Ertragsstarke Ackerbaubetriebe sowie Betriebe mit mehr als 20 Prozent Flächenzuwachs würden leer ausgehen.

So wird es nichts mit 20 Prozent Ökoanteil bis 2030. Dann tauchte das Gerücht auf, das staatliche Tierwohllabel aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in einer Art Kuhhandel noch im August, dem kritischen Koalitionspartner SPD mit einer höheren Umschichtung der EU-Gelder aus der ersten Säule der Direktzahlungen in die zweite Säule für den Ökolandbau schmackhaft zu machen. Doch offenbar ist der Sommer-Wunsch größer als die Politik-Wirklichkeit.

Umstellung allgemein

Selbst die Biobranche wiederholt, dass Betriebe dauerhaft keinen Erfolg haben werden, wenn sie nur wegen höherer Fördergelder auf die ökologische Wirtschaftsweise umstellen. Schon vor zehn Jahren zeigte sich auf der BioFach die Vielfalt der notwendigen Bedingungen, wann Landwirte wechseln. Höhere Fördergelder und sinkende Preise im konventionellen Markt sind nur ein Teil der Wirklichkeit [1].

Felix-Michael von Hertell von der Unternehmensberatung BB Göttingen kommt in einer Wirtschaftlichkeitsprüfung für Umstellungswillige, die er in den DLG-Mitteilungen Juni 2019 aufgestellt hat, auf sehr ausdifferenzierte Ergebnisse. Auf besseren Ackerbaustandorten ergeben sich durch eine vergleichbare Kostenstruktur zwischen Öko- und konventionellen Betrieben kaum Vorteile. Das liege an dem Leistungsverlust ertragsstarkerFrüchte wie Mais und Zuckerrüben.

Die Öko-Feldtage auf der hessischen Staatsdomäne Frankenhausen haben zudem gezeigt, dass die Ökobetriebe vor allem beim Energieverbrauch keineswegs besser dastehen als der konventionelle Betrieb, der mit weniger Überfahrten pro Hektar auskommt [2]. Eines der größten Probleme ist die Vermarktung. Bio-Molkereien nehmen keine neuen Betriebe mehr an. In Bayern geht, nachdem Agrarministerin Michaela Kaniber am Mittwoch den 10.000 Biobetrieb zählen konnte, die Sorge um, dass nach der Umstellungswelle die Bio-Getreidepreise in die Knie gehen.

Förderprioritäten Ökolandbau in Sachsen-Anhalt

Magdeburg

Ein Alleingang ist die Umstellung auf keinen Fall. Zudem kann Sachsen-Anhalt genau die ertragsstarken Böden aufweisen, die nur wenig zusätzliche Rendite versprechen. Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie in Magdeburg (MULE) verwahrt sich gegen den Bioland-Vorwurf, einen Förderstopp eingelegt zu haben. Die in der Tabelle aufgezeigten Bewilligungsprioritäten sind unter anderem Bioland bekannt.

Nach gegenwärtiger Finanzausstattung können ab Januar 2020 jetzt 4.837 Hektar bewilligt werden. Das sind alle Bewilligungsprioritäten bis einschließlich der Kategorie 4.

4.731 Hektar müssen warten. Wollte das Bundesland seinen Koalitionsvertrag erfüllen und bis 2030 einen Ökoanteil von 20 Prozent erreichen, müssten jährlich 12.000 ha umgestellt werden. Allerdings: das Ministerium teilte Herd-und-Hof.de mit, dass in den letzten fünf Jahren alle eingehenden Anträge auch positiv beschieden werden konnten.  Von einem Förderstopp könne also keine Rede sein.

Bislang haben nicht mehr Landwirte ihren Betrieb umstellen wollen. Zusätzlich teilt Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert mit: „Ich freue mich sehr über die große Resonanz auf unsere finanzielle Unterstützung des Ökolandbaus. Viele Betriebe wollen in Sachsen-Anhalt auf bio umstellen. Ich bin überzeugt, dass Ökolandbau ein wichtiger Baustein unserer Landwirtschaft der Zukunft ist. Ökolandbau ist gut für die Umwelt, den Menschen und die Tiere. Leider stehen uns im aktuellen Haushalt nur begrenzt Fördergelder zur Verfügung. Um das Ziel von 20 Prozent Ökolandbau zu erreichen, braucht es einen starken politischen Willen innerhalb der Koalition in Sachsen-Anhalt. Für die Jahre 2020 und 2021 warten wir jetzt die Ergebnisse der Haushaltsverhandlungen ab.“

Berlin

Mehr Geld könnte aus der Gemeinsamen Agrarpolitik kommen. Maximal 15 Prozent der Mittel aus der ersten Säule können in die zweite Säule für nachhaltige Landbewirtschaftung umgeschichtet werden. Die Agrarministerkonferenz (AMK) entscheidet einstimmig und hat in diesem Frühjahr in Landau / Pfalz einen unveränderten Umschichtungssatz von 4,5 Prozent beschlossen [3]. Die Sprecherin für die Bundesländer mit grünem Agrarministerium, Priska Hinz, hatte angefügt, dass sich diese Ministerien nicht für einen höheren Prozentsatz haben durchsetzen können. Claudia Dalbert ergänzt, dass in einer Protokollnotiz der höherer Prozentsatz vermerkt wurde. Und gibt dabei nicht auf: Das MULE wird sich auch zukünftig auf der Bundesebene dafür einsetzen, dass die Umschichtungen aus der ersten in die zweite Säule der GAP angehoben werden, um mehr Mittel für die Stärkung des ländlichen Raumes und für eine nachhaltige Landbewirtschaftung zu generieren.

Da kommt die Kabinettssitzung in Berlin ins Gespräch, die am 14. August den Kuhhandel höherer Umschichtung gegen Stärkung des staatlichen Tierwohllabels bei den Sozialdemokraten ins Spiel bringen soll.

Die ausführliche Antwort aus dem BMEL ist zweigeteilt und umfasst die Kabinettssitzung und den Umstellungsfortgang. Gegenüber dem AMK-Beschluss gibt es bezogen auf das Antragsjahr 2020 keine Änderung. Der Sprecher verweist aber auf die entsprechende Protokollnotiz der insgesamt sechs Länder Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.  Die wirkt insofern nach, dass der Umschichtungssatz für das Antragsjahr 2021 „noch in der Ressortabstimmung“ ist. „Der Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen.“ Daher stehe auch kein Termin für die Kabinettsbefassung fest. Ob das in der aktuellen Sommerpause bis zum nächsten Mittwoch möglich wird, ist fraglich. Damit ist auch die Verknüpfung mit dem staatlichen Tierwohllabel hinfällig.

Was die Bundesländer mit mehr Mitteln machen, bleibt zudem in deren Hoheit. Zentrales Finanzierungsinstrument des Bundes für die sonstigen Fördervorhaben der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau „ZöL“ [4] ist das Bundesprogramm für ökologischen Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) sowie die Eiweißpflanzenstrategie (EPS) des BMEL aus dem Jahr 2012. Im Bundeshaushalt 2018 und 2019 wurden die Mittel für das BÖLN von 20 auf 30 Millionen Euro pro Jahr angehoben, für die EPS von vier auf sechs Millionen Euro pro Jahr. An der Förderung der Umstellung und Beibehaltung des ökologischen Landbaus über die ländlichen Entwicklungsprogramme der Länder (2. Säule der GAP) beteiligt sich der Bund im Rahmen der GAK (Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutz). Die Prämien der Ökoförderung im GAK-Rahmenplan wurden zuletzt durch Beschluss der Agrarminister im Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz (PLANAK) vom 21.08.2014 angehoben.

Fazit

Der Kreis schließt sich. In den letzten Jahren haben alle umstellungswilligen Landwirte in Sachsen-Anhalt ihre Förderung erhalten. Die Skepsis der Betriebsleiter ist nicht unbegründet. Am Ende wird auch der Ökobauer danach bezahlt, was die Waage beim Landhandel anzeigt.

Die BMEL-Handlungsfelder als Schlüsselbereiche für ein stärkeres Wachstum des Ökolandbau sind: Den Rechtsrahmen zukunftsfähig und kohärent gestalten, Zugänge zur ökologischen Landwirtschaft erleichtern, Nachfragepotenzial voll ausnutzen und weiter ausbauen sowie die Leistungsfähigkeit ökologischer Agrarsysteme verbessern und Umweltleistungen angemessen honorieren. Dazu zählen die Stärkung von Wertschöpfungsketten, Beratung und berufliche Bildung, Stärkung des Bioanteils in der Außer-Haus-Verpflegung, Forschungsförderung bis hin zur Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierung von Umstellungs- und Beibehaltungsprämien.

Lesestoff:

[1] Ich stelle um, wenn… https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/biopotenziale-nutzen.html

[2] Eröffnung Öko-Feldtage: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/hessen-soll-oekomodellregion-werden.html

[3] AMK in Landau in der Pfalz: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/amk-die-20-prozent-sind-vom-tisch.html

[4] ZöL: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-oeko-erzeugung-in-schwung-bringen.html

Roland Krieg

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