Mehr oder weniger Pflanzenschutz?
Landwirtschaft
Pflanzenschutzmarkt weiter rückläufig
Es gibt Bedingungen, die ein Mehr an Pflanzenschutz erfordern und Bedingungen, bei denen weniger Pflanzenschutzmittel verwendet werden können. Geschäftsführer Burkhard Kleffmann von der gleichnamigen Marktforschung stellt den Klimawandel auf Platz eins der Bedingungen für mehr Pflanzenschutz. Desto wärmer es wird, desto mehr Schädlinge gibt es und desto mehr Anwendungen müssen gefahren werden. Auch die minimale Bodenbearbeitung und der Zwang zu neuen Wirkstoffen, weil alte verboten werden, führen zu mehr Anwendungen. Die Resistenzbildung auf den Äckern führt ebenfalls zu einem höheren Mitteleinsatz.
Hingegen reduzieren eine intensive Bodenbearbeitung und eine erweiterte Fruchtfolge sowie die gezielte teilflächenspezifische Ausbringung mit modernster Technik die Mittelanwendung.
Ein Teil der Maßnahmen ist im Nationalen Aktionsplan zur Reduzierung von, Pflanzenschutzmitteln bereits niedergelegt, ergänzt Dr. Helmut Schramm, Präsident des Industrieverbandes Agrar (IVA) und Geschäftsführer von Bayer CropScience auf der Grünen Woche in Berlin. Gerade die Digitalisierung bietet schon heute die Möglichkeit einer Einzelpflanzbehandlung, falls ein Befall von Sensoren identifiziert wird. Damit würden nur noch einzelne Tropfen ausgebracht werden: „Das ist eine einmalige Chance“, erklärt Schramm.

Am Ende muss aber auch das Wetter mitspielen. Ein spätes Frühjahr, Schäden durch späten Frost und ein geringer Krankheitsdruck haben dem Markt im dritten Jahr hintereinander ein Minus beschert. Im vergangenen Jahr belief sich der Umsatz auf 1,385 Milliarden Euro und lag 2,1 Prozent unter dem Vorjahr und nach dem dritten Abfall in Folge auch unter dem Umsatz von 2012. Schramm will das nicht als Lamento verstanden wissen, sondern als eine Feststellung: „Wir bekennen uns klar zum integrierten Pflanzenschutz“, so Schramm und damit für einen nur notwendigen und reduzierten Einsatz nach Schadschwelle.
Die Branche wehrt sich gegen die weitläufig verbreitete Meinung, die deutschen Landwirte setzten immer mehr Pflanzenschutzmittel ein. In ganz Europa weisen nur Russland, Kasachstan und die Ukraine einen Mehrgebrauch auf. Die Kleffmann GmbH kann das durch Zahlen aus europaweiten landwirtschaftlichen Betrieben untermauern. Pflanzenschutz kostet Geld, das bei niedrigen Agrarpreisen nicht verdient wird. Die Bauern fahren weniger häufig über den Acker, die Ackerfläche und die Menge an behandelter Fläche ist reduziert worden. Hohe Produktpreise führen zu geringerer Aufwandmenge und zu einer Änderung des Mittelportfolios, so dass am Ende die Produktionskosten im Bereich Pflanzenschutz pro Hektar reduziert wurden.
Nach wie unzufrieden ist die Branche mit der Politik. Die EU hatte Ende 2016 die ungenügende Zulassungspraxis in Deutschland bemängelt. Seitdem habe sich zwar die Zahl an Zulassungen erhöht, aber der Zulassungsstau ist auch größer geworden. Vor allem neue und innovative Wirkstoffe gelangen so nicht zu den Landwirten. Und weil Großbritannien im Rahmen der zonalen Zulassung aus der EU ausscheidet, geht den Landwirten weiterhin das eine oder andere Mittel verloren. Die Bundesregierung müsse endlich grundlegende Reformen durchführen und nicht mehr vier verschiedene Institute am Prozess beteiligen. Am besten wäre eine einzige Behörde, die sich hauptberuflich mit dem Pflanzenschutz auseinandersetzt.
Aber auch der freie Markt sorgt die Branche. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass der Lebensmittelhandel nicht mit einem neuen Standard auf den Markt kommt. Die ersten Molkereien verbieten ihren Landwirten schon, Glyphosat einzusetzen, im Bereich Obst und Gemüse fährt der Handel schon lange eine eigene Strategie mit Grenzwerten, die unterhalb der rechtlichen Grenzwerte liegen. „Das ist ein sehr gefährliches Mittel im Wettbewerb“, sagte Schramm gegenüber Herd-und-Hof.de. Das entwerte nicht nur die Landwirtschaft, sondern sei auch heuchlerisch, wenn Glyphosat verboten wird, im Handel aber Alkohol und Zigaretten verkauft werden.
Die Branche wird sich verändern. Pflanzenschutz, Saatgut und Dienstleistungen werden den Landwirten immer häufiger im Paket angeboten. Eine Einschränkung der unternehmerischen Selbstständigkeit sieht Schramm darin nicht. Die Landwirte könnten noch immer auf Alternativen zurückgreifen.
Roland Krieg; Foto: roRo; Grafik: IVA