Mengenregelung für faire Preise
Landwirtschaft
Milchbauern rudern ums Überleben
Zum Tag der Milch zogen Milchbauern des Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) mit einem Ruderboot vor den Berliner Dienstsitz des Bundeslandwirtschaftsministeriums, um symbolhaft klar zu machen, dass die aktuelle Milchpolitik sie auch ökonomisch ins Rudern bringt. Ressortchefin Ilse Aigner ist allerdings beim informellen Agrarministertreffen in Spanien.
Nicht nur der Tag der Milch gab dem BDM Anlass für die Demonstration, sondern, so BDM-Vorsitzender Romuald Schaber, auch der demnächst veröffentlichte Bericht der EU-High Level Expertengruppe Milch (HLGM). Nach Milchlieferstreik, Runden Tischen und vielen Diskussionen wertet Schaber die Einrichtung der HLGM im Gespräch mit Herd-und-Hof.de zwar als ein positives Signal innerhalb der letzten Jahre, doch werden die Vorschläge seiner Ansicht nach, den Bauern nur wenig oder kaum helfen.
Während die Bauern im Stall melken und 365 Tage im Jahr arbeiten, geben „Schlipsträger immer noch den Takt an“. Eindringlich schlug ein „Steuermann“ immer schneller auf ein leeres Eisenfass – bis die Rudermannschaft wild aus dem Rhythmus kam.
Mengenregelung
Einer der Vorschläge der HLGM ist die Schaffung von Direktverträgern zwischen Erzeugern und Molkereien, die jedoch nach Angaben des BDM in den meisten EU-Ländern vorhanden sind. Die Verträge regelten hingegen nicht die Milchmenge. Auf entsprechende Erweiterungen würden sich die Molkereien nicht einlassen. Die Hauptforderung des BDM ist eine flexible Mengenregelung, weil zu viel Milch auf dem Markt ist.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) klagt zum Tag der Milch zwar auch über zu niedrige Preise, sieht jedoch in den steigenden Milchpreisen im April auf durchschnittlich 27,30 Cent je Kilogramm positive Signale. Der DBV geht von weiter steigenden Preisen und einer Stimulanz für den Milchexport aus.
Peter Bleser, agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU – Fraktion sieht in dem Anstieg der Milchpreise ein Wirken der Agrarpolitik. Beispielsweise die Senkung der Agrardieselbesteuerung. Auch die Exportinitiativen hätten zum Preisanstieg beigetragen, so Bleser weiter: „Dieses Pfund muss genutzt werden.“
Wie lange allerdings die Hausse anhält, ist offen. Am 03. Juni verkauft die EU die zuvor eingelagerten Interventionsbestände, was nach Romuald Schaber die Milchpreise wieder sinken lässt. Genau das sei ein Beispiel für eine „fehlgeleitete Politik“, die zunächst Mengen produzieren lässt, aber dann nicht weiß, was sie damit machen soll.
Handelskontrakt Milch
Ganz aktuell hat die Frankfurter Eurex den Warenterminkontrakt für Butter und Magermilchpulver eingeführt. Mit Kontraktgrößen von jeweils fünf Tonnen und einer Laufzeit bis zu 18 Monaten sollen Preisschwankungen abgefedert werden. Das Instrument des Terminhandels gilt als Möglichkeit der betrieblichen Risikoabsicherung. Romuald Schaber sieht das anders. Mit der Warenterminbörse habe man sich nun auch Spekulanten ins Boot geholt, die auf Kosten der Milchbauern verdienen wollen.
Selbst regeln
Die Milchbauern wollen die Menge selbst regeln und an den jeweiligen Verbrauch anpassen. Dazu müssen die Bauern die Gelegenheit haben, sich zusammenzuschließen, was eine Änderung des Kartellrechts notwendig mache, so Sieta van Keimpema, Vizepräsidentin des Europäischen Milkboards anlässlich der europaweiten Aktionen am Tag der Milch.
Romuald Schaber sieht angesichts der leeren Kassen, Chancen für Veränderungen. Schleswig-Holstein wird sich einen rigorosen Sparplan auflegen, der auch die Landwirtschaft deutlich trifft. Gegenüber Herd-und-Hof.de bewertet er die Einsparungen kurzfristig für die Bauern zwar als schwierig, weil sie zusätzlich auf niedrige Preise treffen. Langfristig hingegen könnten daraus neue Chancen für die Bauern entstehen, wenn die Subventionen nicht mehr so reichlich fließen. Dann müsse man sich mehr Gedanken über die Rahmenbedingungen machen, den Markt und die Betriebe in Ordnung zu bringen. Für Schaber ist der Sparplan aus dem Norden nur der Anfang: „Es werden weitere Länder folgen!“
Gleiches sagte auch ein Milchbauer aus Baden-Württemberg, der eigens zu der Demonstration angereiste. Von dem 750 Millionen-Paket, das im letzten Jahr beschlossen wurde, hätten die Bauern nichts erhalten. Der Charme von Sparhaushalten liegt dabei nicht an fehlendem Geld für Subventionen, sondern an zusätzlich erforderlichen, neuen Ideen, mit Ordnungsrecht, die Auswüchse des Marktes zu begrenzen.
Hinter den Forderungen, den Milchmarkt in Ordnung zu bringen, steht eine Neuorientierung der Agrarpolitik.
Lesestoff:
www.bdm-verband.de
Im Gespräch mit Herd-und-Hof.de machte Romuald Schaber im letzten Jahr deutlich, dass es dem BDM nicht nur um höhere Milchpreise geht. Diese stehen in einem Gesamtkonzept einer ordentlichen Bauernpolitik.
Roland Krieg; Fotos: roRo