Milch: Die Schlacht ist vorbei

Landwirtschaft

Bauern blockieren Agrarminister

Die B80 durch Lutherstadt Eisleben war heute in Höhe des Klosters Helfta blockiert. Tank- und Güllewagen streikender Milchbauern standen quer und rangierten rückwärts zum klösterlichen Eingang. Auf Augenhöhe mit der Polizei wurden die Tankverschlüsse geöffnet und die Milch ergoss sich über den Innenhof. Zwei Tage lang war das Kloster Ort der Agrarministerkonferenz (AMK), bei der das Thema Milch den größten Besprechungsteil einnahm. Nach der Konferenz Helmut Brunner mit streikenden Bauerndiskutierte Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner mit den Demonstranten und versuchte ihnen klar zu machen, dass es keine Mehrheit für ihre Forderungen gibt.
Brunner hatte dabei leichtes Spiel und seine hessische Amtskollegin Silke Lautenschläger hätte sich dazu gesellen können – denn Bayern und Hessen waren die einzigen Bundesländer, die sich gegen die Bamberger Beschlüsse des Deutschen Bauernverbandes gestellt haben und bis zuletzt für eine Änderung der Milchquotenpolitik kämpften. Doch, so Brunner zu den Bauern, dass sei genauso schwer, wie einen Kreistag mit 15 Mitgliedern von seiner Meinung zu überzeugen. Es gibt keine Mehrheit für die Quote, sagte Brunner den Bauern.
Brandenburgs Agrarminister Dr. Dietmar Woidke sagte dann auch in der Pressekonferenz, dass man keine „toten Pferde reiten soll“. Polen habe noch nicht einmal eine Milchquote, die den Eigenbedarf abdecke. Die Forderungen nach Änderung der Quotenpolitik sei erfolglos. Das hat auch Sachsens Agrarminister Frank Kupfer gemeint: „Staatliche Eingriffe wirken nur bedingt!“. Eine Mengenregelung mache nur europaweit Sinn und mehr als sechs von 27 Ländern habe die Quotenkoalition nicht zusammen bekommen. „Das müsse man zur Kenntnis nehmen, eine Quotenreduzierung ist nicht realisierbar!“.
So bleibt es für die Bauern bei den vielen Maßnahmen, die der runde Tisch zur Lebensmittelkette bereits aufgezeichnet hat.
Kupfer ist gegenüber der Vorruhestandsregelung skeptisch. Sachsen habe das aus ELER-Mittel bereits einmal finanziert. Es bleibe aber eine Ungerechtigkeit, weil sich die anderen Agrarbranchen ausgegrenzt Ilase Aignerfühlen könnten. Gibt es Hilfe bei der Milch, dann könnten die Schaf- und Ziegenhalter, dann die Getreidebauern und zuletzt auch die Schweinehalter Forderungen aufstellen. Kupfer fürchtet im Milchsektor einen Präzedenzfall. Er fasst den Konsens der AMK im Milchbereich zusammen: „Wir haben eine Menge auf den Weg gebracht – die Grenze ist erreicht.“
Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner will in der nächsten Woche in Brüssel die Vorschläge von Mariann Fischer Boel ausloten. Wie die Regelungen im Detail umgesetzt werden könnten, ist bislang noch nicht klar geworden.

MilchstreikAMK-Beschluss zur Milch
Im Protokoll der AMK heißt es: Die „Agrarressorts der Länder sehen kaum nachhaltige wirksame Möglichkeiten, den Milchmarkt durch staatliche Eingriffe kurzfristig zu stabilisieren. Sie halten vielmehr privatwirtschaftliche Wege zur Anpassung von Angebot und Nachfrage für zielführend.“
Umfangreich sind die Protokollerklärungen. Bayern hält fest, fünf Prozent der Milchquote aussetzen zu wollen und zusammen mit Hessen, dass eine Saldierung möglichst bald ausgesetzt werden soll.
Mecklenburg-Vorpommern hält fest, dass vertraglich vereinbarte Liefermenge und Überlieferungen deutlich differenzierter bezahlt werden müssten, also Überlieferungen bestraft werden sollen. Alle drei Ländern halten gemeinsam fest, dass EU-weit ein Teil der Quote ausgesetzt werden soll.
Hamburg erklärt zu Protokoll, dass es Veränderungen des Wettbewerbsrechts, die nur einseitig den Milchsektor betreffen, ablehnt.
Für die Einführung einer neuen EU-Vorruhestandsregelung zur „Möglichkeit eines geordneten Rückzugs aus der Milchproduktion“ erklärten sich Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein gemeinsam.

Reaktionen
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) zeigt sich von der AMK enttäuscht: „Das ist die pure Provokation der Milcherzeuger! Es gibt die Ausrede nicht mehr, dass die Europäische Kommission allein daran schuld sei, dass man auf Länderebene keine mengenwirksamen Beschlüsse treffen könnte“, sagte BDM-Vorsitzender Romuald Schaber.
Gestern Abend traf sich Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) mit Joseph Daul, dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei im europäischen Parlament. Mit dabei waren der österreichische Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch, der österreichische Kammerpräsident Gerhard Wlodkowski und der Vizepräsident des französischen Bauernverbandes Jaen-Paul Bastian. Die EVP will als stärkste europäische Fraktion sich für wirksame Marktmaßnahmen und eine Absatzverbesserung einsetzen.

Andere Themen
Marketing: Im Bereich des Agrarmarketings nach Wegfall der CMA gibt es zwei Richtungen. Ilse Aigner bestätigt gegenüber Herd-und-Hof.de, dass während der Anuga Gespräche zwischen der neuen GEFA und „Food – Made in Germany“ statt finden sollen. Ziel ist weiterhin die Exportförderung, wobei man weiterhin versuche, den Mittelstand in einen der vorhandenen Dachorganisationen zu integrieren. Mit rund 53 Milliarden Euro Umsatz bleibt der Agrarexport wichtiger Bestandteil der Strategie.
Für den Binnenmarkt sieht es allerdings kleinteiliger aus. Hier gibt es noch keinen bundesweiten Nachfolger für die CMA und Schulmilch oder Schulobst, dessen Programm am Freitag dann auch den Bundesrat erfolgreich passierte, sowie privatwirtschaftliche Initiativen könnten das Binnenmarketing ankurbeln, so Aigner.
Schafkennzeichnung: Am frühen Morgen protestierten Schäfer und Ziegenhalter vor dem Kloster Helfta. Sie wehren sich gegen die Einführung einer verpflichtenden elektronischen Einzeltierkennzeichnung. Einerseits sei die Handhabung schlecht und andererseits kommen auf die Schäfer zu hohe Kosten zu. Ein Ausreißen von Ohrmarken sei nicht zu verhindern und führe in 30 Prozent der Fälle zu vereiterten Ohren. Die EU hatte im Juni teilweise eingelenkt. Die Tiere werden zwar einzeln gekennzeichnet, doch die Kontrolle kann am Viehmarkt oder im Schlachthaus erfolgen, so dass die Schäfer keine teuren Scanner kaufen müssen. Die Schäfer bestehen weiterhin auf die gängige Bestandskennzeichnung. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will im Auftrag der AMK bei der EU zumindest auf eine freiwillige Einzeltierkennzeichnung hinwirken.
Tiertransporte: Im Vorfeld der AMK klagte der Deutsche Tierschutzbund über die Wiedereinführung von lebenden Tiertransporten in Drittländer und fürchtet wieder Bilder von kranken Tieren, die von Verladekränen an Bord von Transportschiffen gehievt werden. Mecklenburg-Vorpommern hatte sich angesichts der vermehrten Exportinitiativen des Bundes dafür ausgesprochen, lebende Schlachttiere nicht mehr in Drittländer zu transportieren. Die AMK hat beschlossen, bei der EU die Höchstdauer von Lebendviehtransporten zu begrenzen, „lange Transporte grundsätzlich auszuschließen“ und die Ladedichten im Sinne des Tierschutzes zu prüfen.

MilchstreikVerzögerte Abfahrt
Nach der Pressekonferenz standen immer noch die Tankwagen der Milchbauern vor der Klostereinfahrt und versperrten den Weg. Der Autor hörte einen Teilnehmer sagen, dass ein Lkw gerade weggefahren sei und sich die Situation entspanne. Doch auf der Straße rangierte bereits der nächste Güllewagen in die Lücke. Herd-und-Hof.de hat einen Bauern gefragt, wie lange sie die Agrarminister noch festhalten wollten und er zeigte auf einen Parkplatz mit einem weitern Tanklastzug: „Wir haben noch genug Milch.“

Roland Krieg (Text und Fotos)

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