Milch: Eine Krise – Zwei Ansichten

Landwirtschaft

Unversöhnliche Milchmarktpolitiken

„Milch bleibt eine Zukunftsbranche“, sagte Udo Folgart am Donnerstag vor Journalisten in Berlin. Der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) erläuterte ausführlich die Wege aus der aktuellen Milchkrise. Mit Blick auf die Vielzahl und Verschiedenheit der Milchviehhalter in Deutschland ergänzte Heinz Korte, Milcherzeuger mit 200 Milchkühen aus Bremervörde: „Die Politik hat uns in volatile Märkte entlassen, sie muss uns jetzt auch das Rüstzeug dafür geben.“ Gemeint ist die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage.

Die Milchbauern des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) und seiner Schwesterorganisationen hingegen sehen in dem Zuviel an Milch den Zerstörer des Milchpreises, der ganz Europa erfasst hat und verlangen ein Marktverantwortungsprogramm (MVP) zur Mengenregelung.

Ein bisschen Markt, ein bisschen Staat

Miteinander reden wollen die Verbände nicht. Weder ist das MVP ein Zurück zu alter Garantiemengenregelung, noch stehen die Milchbauern nach Auslaufen der Quote als freie Unternehmer im Markt, da sie noch immer Agrargelder erhalten. Die Forderung nach Intervention, Kriseninstrumente und privater Lagerhaltung führt bei der nicht-landwirtschaftlichen freien Wirtschaft zu heftigem Kopfschütteln. Vielleicht ist die Landwirtschaft doch etwas Besonderes und braucht eine andere Politik als eine Schraubenfabrik. Das hilft zwar nicht jetzt in der Krisensituation, aber könnte langfristig einen Kurswechsel in der Agrarpolitik nach sich führen, wie er jüngst erst durch die Abschaffung der Direktzahlungen formuliert wurde [1]. Davon möchte Udo Folgart nichts wissen. Um die GAP nach 2020 werde sicher „noch hart gestritten“, aber die Direktzahlungen sind als wichtiger Bestandteil erhaltenswert. Sie seien am Ende auch ein Stück Risikoabsicherung bei zunehmender Volatilität, sagte er zu Herd-und-Hof.de. Heinz Korte sieht das aktuelle Greening der GAP zwar als Einstieg in diese Richtung, aber auch nicht als Ersatz für die Direktzahlungen.

Kühe liefern halt nur Milch

Die Wertschöpfungskette der Weißen und Gelben Linie fängt erst hinter der Milch an. Erst durch Umwandlung in Milchpulver kann Milch international transportiert werden; Butter, Käse und Joghurt erzielen Verarbeitungsmehrwerte. Die Milchbauern verkaufen allenfalls den Rohstoff und können fast nur an der Kostenschraube drehen, um aus dem Milchverkauf noch Gewinn zu erzielen. Der Grat zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Milchbauern ist schmal. Die Grünlandtagung in Torgelow machte die Kostendifferenz mit zehn Cent je Kilo Milch aus [2]. Korte kann sich vorstellen, dass die EU auch ein Margenabsicherungsprogramm einführt, wie es die USA aufgelegt haben [3].

Aber am Ende tragen die Milchbauern das Risiko der Wertschöpfungskette scheinbar allein. Daher ist der Forderungskatalog des DBV genauso groß wie der des BDM und hat die gleichen Ziele im Visier. Der Lebensmitteleinzelhandel solle seine Marktmacht nicht missbrauchen, so wie „real“ das derzeit mit Markenherstellern auslotet [4]. Nach Udo Folgart hat sich Bauernpräsident Joachim Rukwied bereits mit Kartellamtschef Andreas Mundt ein erstes Mal zusammengesetzt.

Die Molkereien müssen als abnehmende Hand mehr Verantwortung für ihre Milchbauern zeigen. Die Preisbildung zwischen Bauern und Molkerei solle in den Verträgen festgelegt werden, wie Laufzeit und Qualitätsparameter. Als vierte Säule kann sich Folgart sogar eine Mengensteuerung zwischen Molkerei und Milcherzeuger vorstellen.

Differenzen

An diesem Punkt gehen die Ansichten auseinander. Große Molkereien, die auch international tätig sind, haben mittlerweile Netzwerke in Absatzländern aufgebaut und können ihre eigenen Exportoffensiven starten. Diese Molkereien zahlen nach Korte derzeit auch die höheren Preise. Die Megatrends Nachfrage und hochwertigere Produkte haben sich trotz aller Krisenherde und dem Einbruch der chinesischen Nachfrage um die Hälfte nicht geändert, ergänzt Folgart. Angesichts des stagnierenden deutschen und europäischen Marktes müsse weiterhin fast jeder zweite Liter Milch in den Export fließen.

Von dieser Exportausrichtung will der BDM nichts wissen. Wenn China seine Nachfrage zurückfährt, müssen alle Lieferländer sich neue Märkte suchen und fluten die vorhandenen Absatzkanäle. Eine Erhöhung des Interventionspreises oder die einmalige Stützung des Preises, so wie es Frankreich derzeit macht, lenkten vom eigentlichen Problem ab. Ohne Mengenregelung ändere sich nichts für die Landwirte.

Strafabgaben für Überlieferungen aus der letzten Quotenzeit summieren sich europaweit auf rund 900 Millionen Euro. Ein Drittel davon muss Deutschland bezahlen. Der DBV will das Geld für die besonders unter Druck stehenden Milchviehbetriebe reinvestieren, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hingegen für einen Aneiz ausgeben, weniger Milch zu produzieren.

Agrarratsondergipfel

Wie es ausgeht bleibt offen. Schon im Januar zeigte eine Anhörung im EU-Agrarausschuss keine gemeinsame Linie für eine europäische Milchpolitik der Zukunft [5]. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt teilte am Nachmittag mit, er habe erneut mit seinem Amtskollegen Stéphane Le Foll telefoniert und angesichts der französischen Proteste an der deutschen Grenze auf die Einhaltung der Binnenmarktregelungen gedrängt. Am 07. September wollen alle Agrarminister das Thema Milchmarkt in einer Sondersitzung besprechen.

Lesestoff:

[1] „Fundamente statt Säulen“

[2] Nationales Grünlandprogramm für die Milchwirtschaft

[3] US-Dairy Margin Protectionn Program

[4] LEH verkennt die Zeichen der Zeit

[5] Anhörung im EU-Agrarausschuss zum Milchmarkt

Roland Krieg

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