Milch: Jetzt kommt das Geld

Landwirtschaft

Geldspritze verlängert das Leiden

Die Molkereien hatten bereits im März und April den weiteren Niedergang der Milchpreise vorausgesagt. Vor Ende 2016 ist keine Entspannung der Marktsituation in Sicht und das amerikanische Landwirtschaftsministerium prognostiziert sogar für 2017 einen Mengenüberschuss auf dem Weltmarkt. Die Molkereien haben beim letzten Trinkmilchabschluss gezeigt, zu was sie bereit sind.

Die bisherigen EU-Hilfen in Form von Intervention und Liquiditätsprogrammen haben nicht geholfen. Zu mehr ist Brüssel aber nicht bereit, was den Spielraum von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt arg einengt. Der Schlüsselsatz des Milchgipfels am Montag in Berlin: „Der Schlüssel für die Verwerfungen liegt in den Händen der Marktbeteiligten selbst.“ Damit ist die Beziehung zwischen Landwirten und Molkereien gemeint. Wer den Handel mit einbezieht, verkennt die Situation. Also blieb nur eine Geldspritze übrig, die Milchbauern zumindest eine Weile aus der Liquiditätsklemme hilft – aber keine Lösung bietet.

Mehr als 100 Millionen Euro hat Schmidt versprochen, was bereits in der vergangenen Woche lanciert wurde. Darin enthalten sind Existenzsicherungshilfen, Steuerentlastung aus Gewinnglättung und Freibetragsregelungen zur Schuldentilgung, Bürgschaftsprogramme und eine Fortschreibung der Entlastung bei der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung 2017. Warum die Marktbeteiligten sich jetzt erst zu einem Dialog zusammen setzen wollen und nicht schon seit Monaten, bleibt das Geheimnis der Beteiligten.

In Brüssel mehren sich Stimmen, die für eine Mengenregelung plädieren. Noch aber sind sie nicht mehrheitsfähig. Auch, weil Deutschland den Vorschlag Frankreichs blockiert, für eine Lieferemengenminderung eine Entschädigung zu zahlen. „Minister Schmidt macht mit seinem Milchgipfel reine Schaufensterpolitik - auf Kosten von Familienexistenzen. Milchbauern in dieser Lage nur vergünstigte Kredite anzubieten, darf man nachgerade zynisch nennen“, führt Martin Häusling von den Europagrünen aus. Die Molkereien haben schon vor Quotenende auf Export gesetzt und würden diese Politik kaum verändern. Vor dem Europaparlament hatte EU-Agrarkommissar Phil Hogan in der letzten Woche erklärt, dass es keine rechtliche Grundlage für eine verbindliche Mengenregulierung gebe.

Die Länderagrarminister wagten auf der Agrarministerkonferenz in Göhren mehr: „Geld allein wird es nicht richten. Was die Landwirte brauchen, sind echte Perspektiven. Wir brauchen die Möglichkeit, die vertraglichen Beziehungen um konkrete Mengen-, Qualitäts- und Preisangaben zu ergänzen. Auf diese Weise können Angebot und Nachfrage besser austariert werden. Dazu zählt auch die Anpassung von Artikel 148“, argumentiert Dr. Till Backhaus, Agrarminister in Mecklenburg-Vorpommern [1]. „Auch verfügt die EU-Kommission über Kriseninstrumente, um eine zeitlich befristete Mengenreduzierung anzuordnen.“ Schmidt will mit den Länderkollegen in der nächsten Woche über eine Länderbeteiligung reden.

Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, sieht eine natürliche Mengenregulierung: Wesentliche Futteranteile für die Milchkühe stammt aus Übersee. „Wir müssen die Kuh von unseren eigenen Flächen und mit weniger Kraftfutter ernähren.“ Das helfe der Kuh, der Umwelt und der Marktsituation.

Wie auch immer: Deutschland hat alleine keine Chance, an der Marktsituation etwas zu ändern [2]. Daher warnt Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, vor nationalen Alleingängen: „Sie lösen nicht die weltweiten Marktprobleme und gehen einseitig zu Lasten der deutschen Milchwirtschaft. Der Milchpreis wird heute global beeinflusst. Entscheidend ist, EU-weit eine Mengenreduzierung durchzusetzen.“ Auf Molkereiebene würden sich nicht alle beteiligen und offenbar auch nicht alle EU-Länder. Nüssel verwahrt sich gegen „externe Einflüsse oder gar rechtlichen Vorgaben zur Änderung der genossenschaftlichen Lieferbeziehungen“.

Grundsätzliche Kritik am Berliner Milchgipfel äußerte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer: Es sei ein „Affront“, weder die Milchbauernverbände noch die Landesagrarminister einzuladen.

„In einen übervollen Milchmarkt Steuergelder zu geben, ohne im Gegenzug die Verringerung des Überangebots zu verlangen, ist unverantwortlich. Der Minister muss die Molkereien unter Druck setzen, jetzt kurzfristig Anreize zur Reduzierung der Milcherzeugung zu geben, wie es Molkereien in Österreich und den Niederlanden vorgemacht haben. Doch Minister Schmidt kuscht vor den großen Genossenschaften wie dem Deutschen Milchkontor DMK, die mit viel billiger Milch Exportmärkte erobern wollen und zudem insgeheim darauf hoffen, dass anderen Molkereien die Luft ausgeht und sie zu Übernahmekandidaten werden. Das geht auf Kosten der Bauern und wird vom Bauernverband noch unterstützt“, kommentierte Ottmar Ilchmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

Den Handlungsbedarf bei den Molkereien sieht auch der Deutsche Bauernverband. Die Lieferbeziehungen müssen so gestaltet werden, dass eine markt- und wertschöpfungsorientierte Mengenanpassung erreicht werde, sagte Präsident Joachim Rukwied nach dem Gipfel. Die „Summe von 100 Millionen plus x“ reiche nicht.

Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter BDM e.V.: „Wir hatten bei dieser Besetzung der Gipfelteilnehmer ohnehin keine hohen Erwartungen. Dass aber derart wenig dabei rauskommt, ist selbst für uns schockierend. Die Ursache der Krise und entsprechende Problemlösungen werden wieder nicht angegangen, sondern verlagert und damit auf Zeit gespielt.“

Lesestoff:

[1] Agrarministerkonferenz Mecklenburg-Vorpommern Frühjahr 2016

[2] Wer produziert so viel Milch?

Roland Krieg; VLE

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