Milchmarkt im Erholungsmodus
Landwirtschaft
Agrarmärkte: Ist Corona vorbei?
Andreas Gorn von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) konnte Ende der vergangenen Woche in einem Webinar von freundlichen Aussichten auf dem Milchmarkt berichten. Aktuell hat das Milchaufkommen seinen saisonalen Höhepunkt erreicht. Derzeit werden über 620.000 Tonnen pro Woche an die Molkereien geliefert, was im Mai einem Plus von 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr liegt.
Preise mindestens stabil
Nach dem Einbruch bei Rahm und Milch Anfang April erholen sich die Märkte wieder. Die Preise für Magermilchpulver sind von einem sehr guten Wert von 2.600 Euro je Tonne zu Jahresbeginn (2019 lag der Preis bei 1.830 Euro/t) bis Ende März auf das Vorjahresniveau gefallen, reagieren allerdings seit Mai als erstes und folgen dem positiven Proeisverlauf des Vorjahres. Günstige Preise und die ersten Lockerungen in der Gastronomie und der Gemeinschaftsverpflegung wirken stimulierend auf den Markt. Das Minus bei der Blockbutter wurde über steigende Preise nach lebhafter Nachfrage nach Päckchenbutter im Privatbereich kompensiert.
Auch bei Käse zeigt sich eine Erholung. Dam Preissturz unter die beiden Vorjahreslinien 2018 und 2019 hat in der ersten Junihälfte mit 2,78 Euro pro Kilo Gouda und Edamer offenbar den Tiefpunkt erreicht. Das sind 25 Eurocent weniger als in den beiden Vorjahren. Eine weitere Stabilisierung bis August 3,00 Euro zeichnet sich ab.
Prognose für Milcherzeuger schwach
Was den Milchmarkt betrifft, sind die Notierungen nach Andreas Gorn auf dem Niveau vor der Pandemie. Mindestens haben sich die Preise stabilisiert. Ob Pandemieeffekte damit vorbei sind, bleibt jedoch offen. Die saisonal abnehmende Milchmenge, das Anlaufen der privaten Langerhaltung und höhere Abgabepreise an den Lebensmittelhandel stützen die Preise. Allerdings stehen Effekte wie das Schwächeln der Weltwirtschaft, der gedämpfte Konsum auf dem Außer-Haus-Markt und eine schwächere Exportnachfrage dem gegenüber. In welche Richtung der Sommerurlaub zu Hause und mögliche Arbeitslosigkeit wirken, bleibt abzuwarten.
Allein für die Erzeuger sieht es weniger gut aus. Im Mai ist der Milchpreis auf 31,4 Cent/kg gefallen.
Der Blick auf anderen Frischemärkte
Marktspezialist Hans-Christoph Behr von der AMI hatte bereits Anfang April die Auswirkungen der Pandemie auf die Frischemärkte als recht uneinheitlich beschrieben und bei Gurken gezeigt, dass nicht alle Effekte auf das Virus zurückzuführen sind [1].
Die „Corona-Hebel sind gleich geblieben. Auch wenn die ersten Gastronomen wieder öffnen, ist der bislang stets steigende Außer-Haus-Markt regelrecht eingebrochen. Überall dort, wo Erntehelfer notwendig sind, sorgen Verfügbarkeit und Vorsichtsmaßnahmen für gestiegene Arbeitskosten [2]. Das alles gilt nicht nur für Deutschland, sondern für alle Industrieländer, die auf Saisonarbeitskräfte setzen. Maschinelle Lösungen für Vollerntemaschinen sind zwar vorhanden, spielen aber noch keine bedeutende Rolle für die Angebotssicherung.
Die Produkte für den Außer-Haus-Markt können nicht auf den normalen Konsummarkt übertragen werden. So sind Pommes Frites im Imbiss und der Gastronomie beliebt, nicht alle Haushalte aber wollen eine Fritteuse in der Küche haben. Die Verbrauchsausgaben für „auswärts Essen“ sind von 4,4 auf 3,5 Prozent gefallen. So wenig, wie seit 2008 nicht mehr.
Teuerungen relativieren
Die Zahlen der AMI belegen Teuerungen im Frischemarkt. Behr ordnet den Begriff aber auch ein. Selbst wenn ein Salatkopf zehn Cent teurer wird, liegt die aktuelle Inflation noch immer unter einem Prozent und die Steigerung der Lebensmittelpreise ist mit Etatausgaben für Energie oder Kraftstoff kaum zu vergleichen.
Die Prognose von weiteren Teuerungen wird demnächst durch das Absenken des Mehrwertsteuersatzes ausgeglichen. Für die Warengruppen, die in der Hochzeit der Pandemie auf Bevorratung gekauft wurden, erwartet Behr einen Konsumrückgang, weil die privaten Lagerecken erst geräumt werden müssen. Wo über den Sommer hinweg Handarbeit wichtig bleibt, wird es zu Teuerungen kommen. Für die Gastronomie lohne sich die Öffnung auch bei Abstandsregeln, die nur die Hälfte der Besucher erlaube. Allerdings ist der Restaurantbesuch konjunkturabhängig.
Was bleibt?
Die Verlagerung des Konsums und Zubereitung der Mahlzeiten in die eigene Küche könnte sich als langfristiger Trend erweisen. Da müssen die Marktbeobachter der Hersteller und im LEH für eine neue Warensortierung die Augen offen halten. Wo sich Themen wie „Tierwohl“, „Regionalität“ und „Nachhaltigkeit“ platzieren, ist offen. Im Bedarfskauf spielten sie keine Rolle, auf dem Biomarkt weiterhin. Der Wunsch nach regionalen Strukturen lässt sich durch eine Verlagerung von Erzeugerstätten nicht bewältigen, wenn nicht Verarbeiter, LEH und Konsumenten ebenfalls in der Nähe sind.
Lesestoff:
[1] Pandemie hat Lebensmittel nur marginal verteuert: https://herd-und-hof.de/handel-/lebensmittel-in-der-pandemie-nur-marginal-verteuert.html
[2] Erntehelfer: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/aktuelle-situation-der-spargel-und-beerenanbauer.html
Roland Krieg
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