Milchmarkt oder Milchkultur?

Landwirtschaft

EU-Parlament: Milchpaket zu schwach

Die Milchquote hat weder den Strukturwandel aufgehalten noch den Milchpreis stabil gehalten. Seit Ende der Garantiemengenregelung Ende März dieses Jahres jedoch schrillen die Alarmglocken im Milchviehstall immer schriller. EU-Abgeordnete aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und Rumänien wiesen am Montagabend in Straßburg bei der Debatte über das EU-Milchpaket auf die Erzeugerpreise in ihren Ländern hin: Sie liegen alle unterhalb der Produktionskosten.

Die EU-Kommission hat mit ihrem „Milchpaket“ Stabilitätsfaktoren für die Zeit nach der Quote entwickelt. Der Bericht des Briten James Nicholson (ECR), der heute im Parlamentsplenum abgestimmt wird, stellt den Maßnahmen kein gutes Zeugnis aus. Bessere Verträge mit den Molkereien, Gründung von Erzeugerorganisationen, Marktbeobachtung oder Sicherheitsnetze reichen nicht aus. Im Jahr 2014 erreichte der Milchpreis den höchsten Stand seiner Geschichte und liegt derzeit unter dem Niveau der „Milchpreiskrise aus dem Jahr 2009“. Zwar glauben Analysten, dass sich der Milchmarkt im Jahr 2016 erholen wird, aber so lange könnten die Milchbauern nicht durchhalten, sagte Nicholson. Der Berichterstatter aus dem EU-Agri-Ausschuss fordert in seinem Bericht die Kommission, zu schnellerem und entschiedenerem Handeln auf. Unter anderem sollte mit Hilfe der Europäischen Investitionsbank (EIB) ein neues Finanzierungsinstrument für die Umstrukturierung des Sektors aufgelegt werden.

Preisschwankungen vs. Milchkrise

Was die Milchbauern über ihre Europaabgeordneten als Krise bezeichnen (am 17. Juli wird es in Galizien eine große Demonstration gegen die Milchmarktpolitik geben) tituliert EU-Agrarkommissar Phil Hogan als Preisschwankungen. Weder die Volatilität als auch das aktuelle Mengenhoch seien nicht überraschend gekommen. Während die EU-Exportländer etwa zwei Prozent mehr Milch produzierten, hat die EU nach Wegfall der Quote um 4,5 Prozent zugelegt, sagte er. Das Milchpaket halte eine Vielzahl an Instrumenten bereit, die noch lange nicht ausgeschöpft seien. Der Vorwurf des Versagens der EU-Kommission sei nicht belegbar. Französische Bergbauern bekommen 74 Euro je Kuh, ein rumänischer Milchbauer 250 Euro und eine Kuh auf den Azoren wird sogar mit 935 Euro pro Jahr alimentiert. Zudem könnten Bauern in die Nischen geschützter Produkte einsteigen und die Mitgliedsländer Gelder für die Absatzförderung beantragen. Den Vorschlag, die Superabgabe in Höhe von 900 Millionen Euro als Strafzahlung für die Überlieferung der letzten Milchquote, auf drei Rechungsjahre zu verteilen war die einzige Konzession, die der irische Agrarkommissar machte.

Markt oder Kultur?

Der finnische Christdemokrat Petri Sarvamaa aus dem Haushaltskontrollausschuss spitzte den Diskurs zu: Es gehe nicht um den Milchmarkt, sondern um die Gesamtkultur der Milchproduktion. Das werde im Nicholson-Bericht auch entsprechend gewürdigt. Vor allem die Bergbauern sind die einzigen, die in den benachteiligten Gebieten die Landwirtschaft mit ihrer Milchproduktion flächendeckend erhalten, ergänzte Elisabeth Köstinger (Christdemokratin aus Österreich).

Nein zum Bericht

Die grünen Europaabgeordneten werden gegen den Bericht stimmen. Für Maria Heubuch geht er in die falsche Richtung. Er setzt weiterhin auf Exportorientierung und klammert Aspekte wie das Tierwohl aus. „Wir müssen die Milchproduktion wieder auf das Grünland bringen“, fordert die Milchbäuerin. Für Martin Häusling hat sich die Agrar-Kommission von der Realität weit entfernt. Die jahrelange Liberalisierungspolitik werde früher oder später wieder zu Exporterstattungen führen. Der hessische Milchbauer setzt weiter auf eine Angebotsregulierung.

Ein „Nein“ kommt auch von Luke Ming Flanagan aus Irland (Linke). Er kritisiert Kreditvergaben an die Milchbauern, weil sie langfristig bei den Milchpreisen nicht mehr zurückbezahlt werden können.

Europakritiker John Stuart Agnew kritisiert das Milchpaket aus einer ganz anderen Richtung. Hilfen für nicht ökonomisch wirtschaftende Betriebe seien falsch. Vorbildhaft sei die Schweine- und Geflügelproduktion, die einen erheblichen Strukturwandel bereits hinter sich haben.

Neue Ideen braucht die Milch

Nicholson schließt mit der resignierenden Bemerkung, dass noch niemand mit steigenden Preisvolatilitäten gelernt hat, umzugehen. Ein Satz aus dem Bericht gibt Ausblick auf Zusammenhänge: Dass Wachstum in der Milchwirtschaft für die Ausfuhr von Molkereierzeugnissen hängt direkt mit der EU-Importabhängigkeit der Futtermittel zusammen.

Roland Krieg

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