Milchstandort Deutschland

Landwirtschaft

Milchbetriebe fit ohne Quote?

Schon seit längerem sendet der Milchmarkt ermutigende Signale in Form steigender Preise aus. Das heißt aber nicht, dass die Diskussion um die Milcherzeugung zu Ende ist. Nach wie vor steht die Milchbranche vor der Zäsur des Quotenendes im Jahr 2015. Sind die Betriebe dann fit für den globalen Wettbewerb, oder wird die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2014 das „greening“ so weit vorangetrieben haben, dass flächendeckend Kleinbauern auf Dauergrünland Milch zu fairen Preisen produzieren? Am ersten Tag des 2. Berliner Milchforums des Deutschen Bauernverbandes legten die Agrarpolitiker der Bundestagsparteien ihre Sicht der Dinge dar und wagten einen Ausblick auf das Jahr 2020. Ein Fazit vorneweg: In neun Jahren steht das Thema wieder auf der Agenda.

Starke Molkereien – starke Milcherzeuger?

Deutschland produziert 110 Prozent des Eigenbedarfs an Milch. 14,7 Millionen Tonnen wurden im letzten Jahr exportiert, rund 10 Millionen importiert. Nach Udo Folgart, Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes, werde sich das positive Exportsaldo weiter erhöhen. Folgart führt das auf den guten Produktionsstandort für Milch und den Bevölkerungsrückgang zurück. Dafür brauche es aber auch eine ermutigende Politik, denn wer heute in neue Boxenlaufställe investiert, der bindet sich bis zu 20 Jahre.
Der EU wird vorgeschlagen, die Superabgabe zu reduzieren, eine EU-weite Quotensaldierung einzuführen und ein Sicherheitsnetz gegen volatile Märkte aufzubauen. Was die High Level Group on Milk für die Stärkung der Erzeuger vorgeschlagen hat, sieht Folgart mit dem Marktstrukturgesetz in Deutschland bereits übererfüllt. Dennoch gibt es noch Marketingreserven. Für Folgart sind die Molkereien für die Erschließung verantwortlich und verweist auf die Schaffung des Deutschen Milchkontors und der ersten länderübergreifenden Fusion zwischen der dänisch-schwedischen Arla-Foods und der Hansa-Milch.

Erfolgreiche Branche

Für Johannes Röring (CDU) ist der Milchmarkt ein Erfolgssektor. Er solle künftig aber politikunabhängig und mehr auf den Markt fokussiert sein. Das gelte sowohl für den Wochen- als auch für den Weltmarkt. Die preise geben das richtige Signal vor, allerdings hinkten die Molkereien in der Vorbereitung den Erzeugern hinterher. Das Quotenende 2015 ist nah. Gut vorstellen kann sich Röring die Reduzierung der Superabgabe (Strafzahlung bei Quotenüberlieferung) und eine EU-weite Saldierung.

Quotenende richtige Entscheidung

Für Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) zeige sich, dass die Abschaffung der Quote die richtige Entscheidung gewesen sei. Auch er plädiert für eine Absenkung der Superabgabe, weil die Betriebe damit ihre Kosten senken können. Dr. Priesmeier möchte den Grünlandanteil stabil halten, denn „Grünland ist aktiver Umweltschutz“. Um die Marktsituation für die Milcherzeuger zu verbessern, stellt sich Priesmeier kürzere Lieferverträge mit den Molkereien vor. Mehr Wettbewerb im Milchsektor bedeute auch kurzfristiger auf höhere Preise reagieren zu können. Das „greening“ der Agrarpolitik sei in der Milchproduktion leichter umzusetzen als im Ackerbau und daher für die Milchbauern kein Problem. Generell solle die Branche die Zuchtziele hinterfragen. Soll weiterhin die Höchstleistung im Vordergrund stehen oder die Lebensleitung der Kuh?

Tierschutz einen Schritt weiter

Auch die FDP-Politikerin Dr. Christel Happach-Kasan will die Milchproduktion von der Politik entkoppeln. Die Einkommen sollen mehr über den Markt erzielt werden. Allerdings habe sie die Erfahrung gemacht, dass bei großen Genossenschaften auch die Entfernung zwischen Milcherzeuge und Vorstand groß geworden sei. Man spreche nicht mehr die gleiche Sprache, so Happach-Kasan.
Dabei habe der Bauer eine große Bürde zu tragen. Die Menschen finden die Landwirtschaft toll, wohl aber kaum noch die Produktion und wollen die Produkte zum niedrigsten Preis. Den Menschen müsse die Wertigkeit der Milch als Nahrungsmittel wieder kommuniziert werden. Gerade in einer der alternden Gesellschaft kann Milch seine ernährungsphysiologischen Vorteile ausspielen.
Cross Compliance und Tierschutz erfordern zwar immer mehr Bürokratie, doch verlangen Verbraucher Transparenz und Vertrauen. Ganz ohne Dokumentationspflicht werde es nicht gehen.
Happach-Kasan plädierte für ein Nebeneinander der großen Betriebe in Ostdeutschland mit den kleinen im Süden.
Im Milchbereich ist der Tierschutz schon sehr weit gefasst. Gerade in den großen Betrieben werde schon über Kuh-Komfort diskutiert.

Auf den Binnenmarkt konzentrieren

Alexander Süßmair von Die Linke hält die Fokussierung auf den Weltmarkt für eine Sackgasse. Steigen die Preise, dann beschwere sich kein Milchbauer über den Weltmarkt. Wenn der Weltmarktpreis aber sinke, dann fehle den Bauern der Binnenmarkt, so Süßmair. Daher ist die Forderung der High Level Group on Milk zur Stärkung der Milchbauern durch Erzeugergemeinschaften der richtige Weg. Süßmair weist darauf hin, dass die Milchbauern aber auch Verbraucher brauchen, die sich faire Preise leisten können. Er legt er legt Wert auf den Gesamtkomplex, dass alle Menschen Arbeit und einen Mindestlohn brauchen.
Ökologische und soziale Standards sind nicht abhängig von der Betriebsgröße. Damit haben auch die ostdeutschen Großbetriebe eine Berechtigung.

Bäuerliche Produktionsformen schaffen

Auch Friedrich Ostendorff von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen findet die Weltmärkte nicht belastbar. Zuletzt hat der Export von Milcherzeugnissen funktioniert, weil Neuseeland mit Hochwasser und danach Australien mit Dürren zu kämpfen hatte. Demnächst führe man die positive Entwicklung auf das Erdbeben in Japan zurück. Doch die Stärke der Milcherzeuger liege in der regionalen Vermarktung. Grundlage ist der europäische Markt. Allerdings lehnt Ostendorff Großbetriebe ab. Die produzieren unabhängig vom Grünland und geraten durch en Maisanbau in direkte Nutzungskonkurrenz zur erneuerbaren Energie. Die Milchproduktion sei die letzte, die noch bäuerlich gestaltet sei und n klar definierten Landschaften wirtschafte. Dem Verbraucher müsse man die Unterschiede klar machen, sonst habe die Grünlandbasierte Milchproduktion keine Zukunftschance.

Milchpaket der EU

Im Dezember hat die EU auf der Basis der High Level Group on Milk ihre Vorschläge vorgelegt. Demnach sollen Erzeugergemeinschaften aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht mehr als 3,5 Prozent der gesamten europäischen Milchmenge vereinen und nicht mehr als ein Drittel der nationalen Menge1).
Für Röring spiele der Vorschlag für Deutschland keine Rolle. Die Genossenschaften seien ausreichend für die Milcherzeuger positioniert. Auch Happan-Kasan folgt dem Vorschlag nicht. Die Aufnahme von Preisen, Lieferfristen und Mengen verstoßen gegen die Vertragsfreiheit. Wichtiger sei, dass die Molkereien mehr aus dem Rohstoff Milch herausholen2).
Für Ostendorff und Süßmair sind die Einschränkungen zu klein. Nach Ostendorff bräuchte es gar keine zu geben und Süßmair verwies auf die größte Molkerei, die bereits in ähnlichen Mengen produziere.

Die Zukunft

Damit die Betriebe ihre Zukunft gestalten können, müsste ihnen die Liquidität gesichert werden, so Happach-Kasan. Sie wolle zusammen mit der CDU und SPD die Bundesregierung überzeugen, die Superabgabe zu reduzieren und die die Milchmenge europaweit zu saldieren. Nach Röring gebe das den jungen Bauern die Perspektive, den Hof der Eltern zu übernehmen. Sie müssen investieren können, denn ein Betriebsdurchschnitt von 40 Milchkühen sei noch ausbaubar.
Dazu gehöre auch ein bundeseinheitliches Quotengebiet. Denn Ost und West sind hier noch immer getrennt, bemängelte Priesmeier. Die Milchquote wandere aus dem Süden in den Norden und am Osten vorbei.
Demgegenüber möchte Ostendorff „die Gier des Einzelnen dämpfen“ und bekannte, dass die großen Betriebe ihm nicht gefallen. Hingegen will Süßmair die großen und kleinen Betriebe erhalten und an das Grünland binden. Wenn im Allgäu und in Mecklenburg-Vorpommern die Kühe von der Weide verschwänden, fehle es an Landschaftspflege, einkommen und Touristen.
Die Atom-Katastrophe in Japan zeigt, dass das Thema erneuerbare Energien auch den Milchmarkt in Deutschland erreicht. Nach Röring wird das Thema in diesen Wochen sogar noch beschleunigt. Nach Priesmeier werde sich in der Zeit des „Nach-Japan“ die Balance zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion neu ausrichten müssen.

Ihre Vision für die Milchproduktion im Jahr 2020 fassten die Agrarpolitiker noch einmal in kurzen Sätzen zusammen:

Johannes Röring: sie wird sich regional konzentrieren und die produzierte Menge steigern. Über die Molkereien werden mehr Einkommen an die Landwirte generiert.

Dr. Wilhelm Priesmeier: Die Betrieb werden ihre Produktion ausdehnen und auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sein.

Dr. Christel Happach-Kasan: Es gibt stärkere landwirtschaftliche Betriebe in Norddeutschland, was mit einem Strukturwandel einhergeht. Die Molkereien werden höhere Wertschöpfungen aus der Milch erzielen.

Alexander Süßmair: Sowohl im Allgäu als auch in Mecklenburg-Vorpommern werden Kühe auf der Weide stehen. Große Erzeugergemeinschaften erzielen gute Preise und die öffentlichen Leistungen werden mit öffentlichen Geldern entlohnt.

Friedrich Ostendorff: Die Milchproduktion wird sich den Verbrauchererwartungen anpassen. Alles andere sei schwer zu kommunizieren.

Lesestoff:
1) EU-Milchpaket
2) Bei Exporten in Drittländer erzielt Deutschland eine Wertschöpfung von 2,30 Euro je Kilogramm Milch. Italien erzielt 5,30 und Dänemark 3,30 Euro. Ähnlich sieht es bei Käse aus: Deutschland erzielt 3,09 Euro je Kilo Käse und wird von Italien (6,60), Frankreich (5,30), Dänemark (4,26) und den Niederlanden mit 3,67 Euro übertroffen. Selbst auf dem heimischen Markt sieht es schlecht aus: Aus einem Kilo Milch holen die Molkereien 0,80 Euro Umsatz heraus. Die Italiener liegen bei 1,50 und die Franzisen bei einem Euro. Brandenburger Bauernzeitung 25/2009; S. 14 ff

Roland Krieg

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