Mischfutter bleibt auch in der Krise wichtig
Landwirtschaft
Futterindustrie besorgt über Nutztierdiskussion
Trotz Preiskrise im Agrarsektor hat die Futtermittelindustrie die Herstellung 2016 mit 23,8 Millionen Tonnen auf dem Vorjahresniveau halten können. Wertmäßig allerdings ging der Umsatz um 5,6 Prozent auf 7,1 Milliarden Euro zurück. Davon entfielen 6,3 Milliarden Euro auf Mischfutter. Diese Entwicklung resultiert aus der insgesamt guten Rohstoffverfügbarkeit des Jahres 2016, die nach ersten Prognosen auch in diesem Jahr anhalten wird. So lautete das Fazit der gemeinsamen Jahrespressekonferenz des Deutschen Verbandes Tiernahrung (DVT) und des Bundesverbandes der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA) am Dienstag in Berlin. Angesichts der niedrigen Preise im Milch- und Fleischsektor, durften die Futtermühlen nicht mit diesem Ergebnis rechnen, sagte DVT-Präsident Jan Lahde. Der Norden und Nordwesten Deutschlands konnte mit seiner starken Veredlungswirtschaft wert- und mengenmäßig zulegen. Wachstum gab es auch im Bereich Mastgeflügelfutter im Osten.
Schweinemischfutter ist mit 40 Prozent Anteil das wichtigste Marktsegment und profitiert von den Anstrengungen, die Bestände zu halten. Lediglich im Osten habe sich der Strukturwandel beschleunigt. 28 Prozent des Mischfuttermarktes wird von der Rinderproduktion getragen. Davon sind 65 Prozent Milchleistungsfutter. Da die Zahl der Milchkühe im Vergleich zum Vorjahr kaum abgenommen hat, konnte der Verbrauch ganzjährig konstant gehalten werden. Jan Lahde sieht darin einen bedeutsamen Beitrag des Mischfutters selbst in marktpolitisch schwierigen Situationen. Im Bereich Mastflügel setzt sich vor allem im Norden die positive Entwicklung fort. Die Futterbranche profitiert von der weiter steigenden Nachfrage nach Geflügelfleisch. Im Osten stieg der Verbrauch um 5,8 Prozent. Auch bei den Legehennen setzt sich der Bestandsaufbau fort. Nur die kleineren Bestände im Süden nehmen ab.

Der Rohstoffanteil bei Mischfutter macht rund 80 Prozent aus. Daher sind die Rohstoffpreise wertbildend für den Preis. Der Ausblick auf das Jahr 2017 zeigt eine weltweit weiter wachsende Versorgung mit Soja und Mais. Auch wenn die Ernte 2017 noch nicht eingefahren ist: „Die Bestände sind ausreichend und wiegen schwer auf dem Markt“, kommentiert Jan Lahde. BVA-Geschäftsführer Armin Rohwer spezifiziert den Ausblick. Die Getreideernte in Australien steigt um 45 Prozent auf 35 Millionen Tonnen. Davon wird mit 25 Millionen Tonnen die gleiche Getreidemenge wie von der EU exportiert. Die ersten Zahlen in der EU gehen von einer um sieben Prozent höheren Getreideernte aus. Frankreich ist nach der Missernte im Norden des Landes im letzten Jahr auch wieder als wichtiges Getreideland dabei. Nur bei Raps wird es knapp. Da gehen die Händler mit leeren Lägern in die neue Ernte.
Der Blick in die weitere Zukunft fällt allerdings nicht gut aus. BVA-Präsident Rainer Schuler sieht die Unternehmen des Agrarbereiches unter Druck, wie die Fusionen in der Agrarchemie belegen. Beim Saatgut drohe neues „Unheil“, sofern die neuen Züchtungstechniken als Gentechnik eingestuft und gesellschaftlich nicht akzeptiert werden. Die emotionale und sachfremde Diskussion zeige sich auf dem Markt für Pflanzenschutzmittel, wo trotz Einschätzung der Europäischen Chemikalienagentur ECHA, dass Glyphosat nicht krebserregend ist, der Wirkstoff politisch noch nicht auf der sicheren Seite stehe. Schuler hegt das Misstrauen gegen die Politik: „Die Politik träumt vom familienbäuerlichen Betrieb. Das ist Krampf!“. Auch die Ökobetriebe werden immer größer [1].

Bei Dr. Hermann-Josef Baaken ist der Lebensmittelhandel ins Visier geraten. Neue Anforderungen wie GVO-freie Milch und das Vorpreschen des Verbotes von nicht kurativen Eingriffen in das Tier stellen für den Sprecher der DVT-Geschäftsführung die Branche vor Herausforderungen. Die Umstellung auf GVO-freies Futter sein alles andere als ein Austausch eines Produktes durch ein anderes. Die Ware müsse getrennt geerntet, transportiert, verarbeitet und geliefert werden, um Eintragsrisiken zu minimieren. Der DVT hat mit dem Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) Standardbestellungen ausgearbeitet, damit die Akteure auf rechtssicheren Fundamenten wirtschaften können. Baaken glaubt aber nicht an eine weitere Ausweitung gentechnikfreien Futters von heimischen Äckern und Wiesen. Die Nutztiere fressen pro Jahr rund 80 Millionen Tonnen Futter. Davon sind 52 Prozent Aufwuchs von Wiesen und Weiden wie Gras und Silagen. Ein Viertel ist Mischfutter und 23 Prozent sind hofeigene Getreidesorten. Insgesamt stammen rund 88 Prozent dieser Futtermittel aus Deutschland. Der Importanteil ist mit 12 Prozent relativ klein und beziehe sich vor allem auf Ölkuchen und Ölschrote aus Soja, die mengenmäßig kaum zu ersetzen sind. Eiweißpflanzen wie Ackerbohnen und Futtererbsen sind ackerbaulich wenig interessant und nur über das politisch induzierte Greening der Agrarpolitik auf die Felder gekommen. Baaken bezweifelt, dass die Leguminosenflächen ohne Greeningzahlungen zu halten sind.
Rohwer beschäftigt noch ein anderes Thema: Im letzten Jahr hat Niedrigwasser auf Rhein und Donau die Kosten für Futtermittel verteuert. Die Schiffe konnten nur halb beladen werden. Der Klimawandel wird künftig öfters für Niedrigwasser sorgen und auch den Mittellandkanal und seine Abzweigungen treffen. Die „kleineren 1.000-Tonnen-Schiffe werden nach und nach ausgemustert und durch Kähne mit 2.000 t Ladevermögen ersetzt. Diese Menge müsste von zwei Ganzzügen oder 80 Lkw transportiert werden. Um Schiene und Straße zu entlasten, fordert Rohwer im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes eine Entschlammung der Kanäle und Modernisierung der Schleusen.
Lesestoff:
[1] Ökobetriebe werden größer: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/oekobetriebe-werden-groesser.html
Roland Krieg; Grafik und Foto: DVT