Missernteklausel soll im Liefervertrag wieder Standard werden
Landwirtschaft
Obst- und Gemüseverband fordert Wiedereinführung der Missernteklausel
2018 ist mit seiner Temperaturanomalie in die Geschichte eingegangen. Vor allem die lang anhaltende Trockenheit hat den Landwirten zum Teil die Ernte vermiest. Derzeit begutachten die Waldbesitzer die Trockenschäden ihrer Bäume.
Auch die Obst- und Gemüsebauern mussten Federn lassen. Einer der größten Verarbeiter vermeldete sogar Lieferengpässe bei Frischsalaten. Die Trockenheit hat den satzweisen Anbau unmöglich gemacht [1]. Jetzt schlägt der Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK) Alarm: Die „Europaweite Dürre führt zu Missernten bei Herbstgemüse.“
Kleine Kohlköpfe, Pflanzenkrankheiten, kurze Erntesaison: Die Ernte von Rot-, Weiß- und Grünkohl fällt dieses Jahr verheerend aus. Die Erntemengen liegen mindestens 25 Prozent unter den Erwartungen. In einigen Regionen belaufen sich die Verluste bei Weißkohl auf bis zu 40 Prozent und bei Rotkohl auf bis zu 50 Prozent. Auch bei Grünkohl fällt die Hälfte der Ernte aus. Schlecht steht es auch um andere Herbstgemüsearten: Bei Möhren, Rote Bete und Sellerie erwartet die Branche mindestens 10 Prozent geringere Erträge als im langjährigen Durchschnitt.
Die verarbeitende Branche steht wegen Rohstoffknappheit unter enormen Belastungen. Sie können die Maschinen nicht auslasten, müssen kürzere Schichten fahren oder ganz ausfallen lassen. Und: Was nicht verarbeitet wurde, kann auch in den Lebensmitteleinzelhandel und die Gastronomie nicht geliefert werden. „Es ist nicht mehr auszuschließen, dass auch die Verbraucher die Folgen der Dürre spüren werden – und zwar am leeren Regal im Handel“, sagt BOGK-Geschäftsführer Christoph Freitag. Weil auch die Nachbarländer wie Belgien, die Niederlande, Polen und Frankreich von der Trockenheit betroffen sind, gibt es auch nur wenige Möglichkeiten für Zukäufe aus dem EU-Ausland.
Für das nächste Jahr muss die Gemüsewirtschaft neue Regeln für den Umgang mit Missernten finden. Der BOGK rechnet nicht damit, dass die Bundesregierung den Landwirten regelmäßig hilft. Allerdings sind auch die Landwirte gefragt, die vor allem im Gemüsebau Anbauverträge mit der verarbeitenden Industrie abgeschlossen haben.
Der BOGK fordert daher die Wiedereinführung der Missernteklausel in die Lieferverträge und wird das Thema zu einem Schwerpunkt seiner Jahrestagung 2019 in München machen.
In den Lieferverträgen gab es das Extrakapitel „Miß- oder Minderernten“. Danach ist der Erzeuger bei erkennbaren Miss- oder Minderernten verpflichtet, diese dem Käufer so früh als möglich mitzuteilen. Im Gegensatz zu einer Minderernte liegt eine Missernte vor, wenn der Ertrag mindestens 25 Prozent unter einer Normalernte liegt. Dann kann der Erzeuger von dem Vertrag zurücktreten – und die Industrie sich früh nach Ersatz umschauen. Wird trotz Missernte geerntet, besteht für den Erzeuger eine Andienpflicht. Der Käufer soll bei der Begutachtung der Missernte anwesend sein.
Diese Klausel gibt es in den Anbauverträgen nicht mehr. Auch zwischen Industrie und Handel ist die Klausel seit rund zehn Jahren verschwunden. So „schuldet“ der Hersteller dem Handel die vertragliche Lieferung und wird rechtlich nur nicht mit Schadenersatz bestraft, weil eine „Unmöglichkeit“ vorliegt. Ohne die Klausel sieht der BOGK die Händler im Vorteil, weil sie am längeren Hebel sitzen. Doch wegen der ansteigenden Gefahr von Wetterextremen ist, so Christoph Freitag zu Herd-und-Hof.de, „eine Neuverteilung des Risikos notwendig, ansonsten hält die Industrie das nicht lange durch.“
Neben der Missernteklausel könnten auch vertragliche Zusätze wie „solange der Vorrat reicht“, „unter Vorbehalt der Selbstbelieferung“ oder ein Rücktrittsrecht auf die ganze Lieferung oder eines Teils festgeschrieben werden.
Lesestoff:
Bonduelle vermerkt Lieferschwierigkeiten: https://herd-und-hof.de/handel-/fresh-cut-salate-sind-knapp.html
Roland Krieg