Mit den Bienen verschwinden die Pflanzen

Landwirtschaft

Studie belegt Rückgang von Wildbienen und ihren Pflanzen

Die Imker haben viele Sorgen. Varroa-Milbe, Blütenarmut in den Kulturlandschaften im Sommer und eigene Nachwuchssorgen. „Um junge Menschen dauerhaft für die Bienenhaltung zu begeistern, brauchen sie Erfolge und Freude bei der Imkerei“, betonte jüngst Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller bei der Jubiläumsfeier zum 30-jährigen Bestehen der Imkerschule in Kaufbeuren. Dabei geht es nicht nur um wertvollen Honig und Wachs, sondern auch um eine „Nebenleistung“ des kleinsten landwirtschaftlichen Nutztieres: Die Bestäubung. Bei der Honigbiene wird der Bestäubungswert eines Bienenvolkes mit 813 Euro ausgewiesen.

Bienenvielfalt geht zurück
Während hingegen die Sorgen der Honigbiene zumindest gelegentlich auch in der Tagespresse auftauchen, ist die Situation bei den Wildbienen noch weitestgehend unbekannt. Das hat jetzt eine StudieKnautien-Sandbiene, Weibchen auf der Knautienblüte - UFZ im renommierten Magazin Science vom 21.07.06 geändert. Die Vielfalt von Bienen ist in den letzten 25 Jahren signifikant zurückgegangen – und damit auch die Vielfalt der von ihnen bestäubten Pflanzen. Der Verdacht, dass der Verlust an Bienen auch Auswirkungen auf das Ökosystem hat besteht schon länger, aber Belege gab es meist nur für spezifische Lebensräume. Um einen generellen Trend zu belegen hat ein Forscherteam aus Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland hunderte verschiedener Lebensräume miteinander verglichen und festgestellt, dass die Vielfalt der Bienen in fast 80 Prozent der Gebiete zurückging. In England sind viele Bienen sogar bereits ausgestorben.
Hauptautor Koos Biesmeijer von der Universität Leeds: „Wir sind schockiert sowohl über den Rückgang bei den Pflanzen als auch bei den Bienen. Wenn sich dieses Muster andernorts auch bestätigt, dann droht der Verlust wichtiger „Dienstleister“ durch unsere Bestäuber, die wir geradezu selbstverständlich in Anspruch nehmen – und damit auch das Verschwinden von Pflanzen, an denen wir uns in der Landschaft erfreuen.“ Simone Potts von der Universität Reading schätzt den weltweiten Wert der Bestäubung auf jährlich 30 bis 60 Milliarden Euro.
Die Daten wurden in England und den Niederlanden aus zahlreichen Monitoring-Programmen, die seit Jahrzehnten laufen, von Experten und vielen Freiwilligen zusammen getragen. In Deutschland gibt es für Pflanzen ein flächendeckendes Monitoring, aber für eine spezielle Insektengruppe erst seit dem letzten Jahr mit dem Tagesfalter-Monitoring des Umweltforschungszentrum (UFZ) in Halle. Dazu sagt PD Dr. Josef Settele vom UFZ: „Der Verlust an Schmetterlingen ist speziell in Nord-West Europa bereits gut dokumentiert, während der Kenntnisstand für den Rest des Kontinents noch sehr dürftig ist. Zudem wird nun aber durch die vorliegende Studie klar, das auch andere Insektengruppen und ihre ökologischen Funktionen gefährdet sind.“

Überraschend starke Trends
Für die Studie wurden Daten von vor und nach 1980 miteinander verglichen. So zeigte sich, dass in England und den Niederlanden die Bienenvielfalt zurück gegangen ist, während die Vielfalt an Schwebfliegen, die auch Pflanzen bestäuben, in England konstant bliebLanghornbiene auf einer Kleeblüte und in unserem Nachbarland sogar zunahm. Solange die Bestäubung einer Pflanze durch andere Insekten durchgeführt werden kann, erscheint das Verschwinden der Bienen weniger alarmierend. Aber dem ist nicht so, denn die Studie fand heraus, dass „Gewinner“ und „Verlierer“ bei Bienen und Schwebfliegen ökologisch ähnlich sind.
Insekten, die nur ein kleines Spektrum Pflanzen anfliegen oder sogar nur spezialisierte Habitatansprüche aufweisen, verzeichneten die meisten Verluste. Eine kleinere Anzahl von Generalisten ersetzt die große Anzahl der Spezialisten. Stuart Roberts von der Universität Reading fasst es so zusammen: „Selbst bei den Insekten werden die Armen ärmer und die Reichen reicher.“
Die Experten waren dann überrascht über den vergleichbaren Rückgang der Pflanzen. In Großbritannien mit einem starken Rückgang der Bienenvielfalt gingen auch 70 Prozent der Wildpflanzen zurück. Wind- und Selbstbestäuber drängten in die Lücke. In den Niederlanden mit steigender Schwebfliegen-Vielfalt gingen nur die Pflanzen zurück, die sich ausschließlich auf Bienen als Besucher spezialisiert haben.
Zusammen gefasst gilt: Es verschwinden die Pflanzen, deren Bestäuber auch verschwinden. Die Autoren der Studie halten ihre Ergebnisse für stichhaltig, nicht nur für eine zufällige Beobachtung.

Ernsthafte Schwierigkeiten
Die Studie kann nicht sagen, ob die Bienenrückgänge die Pflanzen verschwinden lassen, oder ob es umgekehrt ist – „oder ob nicht sogar beide in einem Teufelskreis miteinander verstrickt sind, indem sie sich gegenseitig negativ beeinflussen“. Über die Ursachen sind sich die Experten auch noch nicht ganz im Klaren: Es kann an er veränderten Landnutzung liegen, an landwirtschaftlichen Chemikalien oder am Klima. Dr. Biesmeijer: „Was auch immer die Ursache ist, die Studie zeigt eine beunruhigende Erklärungsmöglichkeit auf, bei der Rückgänge bei einigen Arten Kaskaden-Effekte lokaler Ausrottung unter anderen assoziierten Arten auslösen.“

Verluste bei den Honigbienen
Das Fachzentrum Bienen und Imkerei des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Westerwald-Osteifel hat in diesem Jahr folgende Zahlen veröffentlicht: Der zurückliegende kalte Winter hat etwa 22 Prozent der Bienevölker nicht überleben lassen. Im letzten Jahr lagen die Verluste bei 14 Prozent und im Jahr davor bei 12 Prozent.
Es gibt Pflanzen, die Fremd-, Selbst oder auch Windbestäubt werden. Das dieses aber nicht egal ist verdeutlicht das Bild verschiedener Erdbeeren aus der Brandenburger Bauernzeitung (19/2006, S. 16):

Erdbeeren nach Fremd, Selbst, Windbestäubung
Erdbeeren nach Fremd-, Selbst- Windbestäubung; Foto: K.Krewenka

Lesestoff:
Die Studie erschien in Science (21.07.06): Biesmeijer, JC, SPM Roberts, M Reemer, R Ohlemüller, M Edwards, T Peeters, AP Schaffers, SG Potts, R Kleukers, CD Thomas, J Settele, WE Kunin: Parallel Declines in Pollinators and Insect-Pollinated Plants in Britain and the Netherlands. Science
ALARM ist ein europäisches Forschungsprojekt, dass sich mit den wesentlichen Ursachen für den Rückgang der biologischen Vielfalt beschäftigt. Der Verlust an Bestäubern ist ein Teil davon: www.alarmproject.net
Das Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ) erforscht die
komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in genutzten und gestörten Landschaften und war Gast für Dr. Josef Settele (ALARM-Koordinator): www.ufz.de
Die Internationale Biodiversitätskonvention: www.biodiv.org/default.shtml
Wildbienen: www.wildbienen.info
www.tagfalter-monitoring.de

VLE; Fotos: Bienenfotos: Knautien-Sandbiene (Andrena hattorfiana), Haike Ruhnke/UFZ; Langhornbiene (Eucera nigrescens: Nico Vereecken; Erdbeeren: K. Krewenka, in Bauernzeitung BB 19/2006

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