Mit den Kühen tanzen

Landwirtschaft

Warum Biokühe Hörner tragen

>Im äußerst harten Winter 1885/86 kamen in weiten Teilen der USA bis zu 85 Prozent der Texas Longhorn um. Einen Winter später löschte ein Blizzard fast den Rest dieser Rinderrasse aus. Einige tausend Tiere erinnern heute noch, das sie vormals auf breiten Trails durch die USA getrieben wurden, um im Nordosten des "Wilden Westens" vermarktet zu werden. Der Name Texas Longhorn beschreibt bereits die weit ausladenden Hörner der Tiere. Die Galloways aus dem Süden Schottlands oder das Aberdeen Angus sind hornlose Rinderrassen, während bei den Deutschen Angus Hornlosigkeit natürlicherweise auftreten kann und gezielt darauf gezüchtet wird.
Bei den meisten Rindern gehört allerdings das Horn zur Physiognomie der Tiere dazu und dient auch als Unterscheidungsmerkmal der Rassen. Die Hörner können kurz und gedrungen sein, nach oben oder unten gebogen.

Fehlt da nicht etwas?
Viele Kühe tragen heute jedoch keine Hörner mehr. Nicht selten sind Kinder dann überrascht, wenn sie erfahren, das eigentlich fast alle Rinder Hörner haben. In Werbeprospekten sind die Tiere immer mit Gehörn zu sehen, wenn auch die Realität auf den Betrieben anders aussieht.
Seit den 1980er Jahren wird Milchvieh vermehrt in Laufställen gehalten. Wegen der Verletzungsgefahr und weil mehr Tiere auf engerem Raum gehalten werden können, werden bei Kälbern die Hornansätze verätzt oder verbrannt: Die Hornbildung wird eingestellt und die Tiere haben "nackte Köpfe". Dr. Martin Bienerth, Agrarjournalist, Senn und Hirte in der Schweiz, beschreibt, dass ein Bauer auf der Alm seine Tiere zu enthornen begann, als er einmal von einem Stier schmerzhaft an die Wand gedrückt wurde. Mittlerweile folgen viele Bauern dem Trend aus der Flachland-Laufstallhaltung und enthornen ebenfalls.
Die Haltung des ältesten ökologischen Anbauverbandes Demeter ist eindeutig. Bauer Michael Köhnken formuliert es so: "Meines Erachtens gehört zu einer artgerechten Haltung, dass das Tier so belassen werden kann, wie es ist und ihm nicht ein Körperteil abgeschnitten oder abgetrennt werden muss." Die Tiermediziner der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) haben auf ihrem Kongress Anfang April (Herd-und-Hof.de vom 04.04.2005) ebenso daraufhingewiesen, dass im Tierschutz nicht nur Platzbedarf oder Schrammen an den Flanken betrachtet werden müssen. Gehört zur Würde des Tieres nicht auch eine funktionsfähige Fruchtbarkeit dazu? Auch die Frage, Tiere trotz Domestikation zu belassen wie sie sind, gehört zur anspruchsvollen Diskussion.
"Es darf nicht der Weg sein, das Tier nach den baulichen Gegebenheiten des Stalls auszurichten. Vielmehr muss der Stall den Bedürfnissen der Tiere angeglichen werden", so Michael Köhnken weiter.

Raumangebot und Verletzungsgefahr
Laufstallhaltung muss jedoch nicht das Enthornen der Kühe bedeuten. Ein großzügigeres Platzangebot kann die Individual-Distanz zwischen behornten Tieren auch ermöglichen. Ausweichmöglichkeiten, keine engen Durchgänge, keine Sackgassen: Das kann im Stallbau verwirklicht werden. Blessuren bei den Tierbetreuern gehören zu Beginn dazu, aber sie lernen mit den Kühen zu "tanzen". Martin Bienerth bewegt sich mittlerweile unfallfrei zwischen den Tieren, die von verschiedenen Höfen kommen und eine gemeinsame Herde bilden müssen. Der Senn muss ständig alle Tiere im Auge behalten.
Überhaupt ist der Kontakt zu den Tieren besonders wichtig. Auf Betrieben mit zutraulichen Kühen gab es seltener Personalwechsel, die Kühe wurden meist regelmäßig gestriegelt, die Landwirte kannten alle Tiere des Stalls mit ihrem Namen: Sie halten eine geringere Ausweich-Distanz.

Warum gibt es denn Hörner?
Hörner haben verschiedene Funktionen. Dabei sind sie nicht in erster Linie eine Verletzungswaffe, sondern üben eine Haltefunktion beim Kampf aus. Feinden gegenüber werden in der Regel die Füße eingesetzt. Das Tier erreicht mit dem Horn natürlich auch Körperstellen zum Kratzen, die ansonsten unerreichbar wären und mit dem Alter und der Größe des Horns bestimmt es die soziale Rangordnung innerhalb der Herde.
Mit der Ausbildung des Wiederkäuermagens verändert sich das Gebiss. Im Oberkiefer verschwinden die Eck- und Schneidezähne und die Stirnbeinaufsätze vergrößern sich. Daraus entsteht das Kuhhorn. Je rohfaserreicher das Futter ist, desto größere Hörner tragen die Kühe, weswegen für Demeter die Kuh ihr ganzes Bewusstsein auf die Verdauung lenkt: Im Gegensatz zur Haut reflektieren die Hörner die Kraftströmungen wieder in das Tier hinein. "Die Kuh hat Hörner, um in sich hineinzusenden dasjenige, was astralisch-ätherisch gestalten soll, was da vordringen soll beim Hineinstreben bis in den Verdauungsorganismus, so dass viel Arbeit entsteht gerade durch die Strahlung, die von Hörnern und Klauen ausgeht, im Verdauungsorganismus." So beschreibt es Rudolf Steiner in den "Geisteswissenschaftlichen Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft.

In Süddeutschland gibt es den Arbeitskreis Hörner tragender Kühe des Bio-Ring Allgäu. Unter www.bioring-allgaeu.de gibt es zwei Broschüren über die Kuh und ihre Hörner. Die Zitate der Demeterbauern stammen aus den Heften.

Damit die Lektüre über Hörner bei Milchkühen nicht so trocken daherkommt bietet Slow Food Deutschland ein uraltes "Milchrezept", dass vermutlich aus dem Vorgebirge der Eifel stammt und in Bonn vor allem Freitags noch sehr geschätzt wird:
Bottermelleschbunnezupp (Buttermilch-Bohnensuppe)
500 g grüne Stangenbohnen gut abfasern, fein schneiden und blanchieren. 500 g Kartoffeln schälen und in kleine Stücke schneiden. Beides mit wenig Wasser weich kochen. Wenn nötig Kartoffeln etwas durchdrücken, aber nicht pürieren. Mit 1/2 Liter Milch auffüllen und 1 Becher süße Sahne gut unterrühren. Langsam aufkochen lassen und zum Schluss 1/2 Liter Buttermilch einrühren. Mit Salz, Pfeffer, etwas Essig und gehackter Petersilie abschmecken. Anstelle der Buttermilch kann auch saure Sahne verwendet werden.

Guten Appetit

VLE

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