Mit Hormonen Frost und Kälte trotzen

Landwirtschaft

Wie sich Pflanzen gegen Frost schützen

Pflanzen können sich nicht einfach an neue Standortbedingungen anpassen. Wenn der Winter kommt, dann nutzen sie ausgeklügelte molekulare Anpassungsmechanismen, um in das nächste Frühjahr zu gelangen.

Kälte ist Stress

„Kältestress gehört zu den Umwelteinflüssen, die direkte Auswirkungen auf das Wachstum und den Ertrag von Pflanzen zeigen“, sagt die Pflanzenmolekularbiologin Professorin Brigitte Poppenberger. Mit ihrer Arbeitsgruppe im TUM-Fachbereich für Biotechnologie gartenbaulicher Kulturen untersucht sie die Mechanismen, mit denen sich Pflanzen äußeren Einflüssen anpassen. Im Mittelpunkt ihr Forschungen stehen schon seit längerem die Brassinosteroide. Die genaue wirkweise blieb aber lange unbekannt.

Im Labor hat sie die Ackerschmalwand langsam sinkenden Temperaturen ausgesetzt. Sie beginnt bei zunehmender Kälte damit, in ihren Zellen sämtliche von der DNA in RNA umgeschriebene Gene zu verändern. „Dadurch verringert sich ihr Wachstum, wodurch sich ihre Überlebenschancen erhöhen“, erklärt die Pflanzenbiologin den natürlichen Schutzmechanismus der normalen Pflanzen.

Molekularer Weg zum Winterspeck

Ein anderes Ergebnis erhielten die Forscher bei ihren Versuchen mit genetisch veränderten Modellpflanzen, die Brassinosteroide nicht mehr selbst herstellen oder als Signal erkennen konnten. Während Wildtypformen Temperaturen von Minus sechs Grad noch oft überdauerten, zeigte der Großteil der Mutanten bereits deutliche Schäden, was die essentielle Funktion der Steroidhormone in diesem Prozess beweist. Wie die Forscher bei der Analyse des Vorgangs herausfanden, erhöhen Brassinosteroide die Frostresistenz, indem sie ein Protein namens CESTA regulieren. Dieses steuert in einer Signalkaskade die Expression von Genen, bei der DNA in RNA umgeschrieben wird. Auf diese Weise beeinflusst es in weiterer Folge die Proteinzusammensetzung der Zellen, was unter anderem zu einer veränderten Fettsäurekomposition führt. Dadurch wird auf molekularer Ebene dafür gesorgt, dass sich die Pflanze quasi einen Winterspeck zulegt, der sie vor Kälteschäden schützt.

Frost auch beim Klimawandel

Auch wenn die meisten bei globaler Erwärmung nur an das vermehrte Auftreten von Hitzeperioden denken, ist auch verstärkt mit Frostvorkommnissen wie Früh- und Spätfrost zu rechnen, welche verheerende Ernteausfälle zur Folge haben können. "Der konventionelle Weg resistentere Pflanzen zu züchten, ist bislang wenig erfolgreich gewesen, da Kälteresistenz und vermindertes Wachstum schwer zu trennen sind", sagt Brigitte Poppenberger. "Doch durch unsere Entdeckung, dass Brassinosteroide Wachstum und Kälteresistenz gleichermaßen fördern, bieten sich neue Möglichkeiten, beide Merkmale bei Pflanzen hervorzubringen", ist sie überzeugt. Auch sei es möglich Nutzpflanzen mit Brassionosteroiden zu besprühen, um beide Wirkungen zu erzielen. "Das könnte ein gangbarer Weg sein - jedenfalls legen die Ergebnisse das nahe."

Lesestoff:

Marina Eremina , Simon J. Unterholzner, Ajith I. Rathnayake , Marcos Castellanos , Sean T. May, Klaus F. X. Mayer, Wilfried Rozhon and Brigitte Poppenberger: Brassinosteroids participate in the control of basal and acquired freezing tolerance of plants, PNAS 2016. doi: 10.1073/pnas.1611477113

Prof. Dr. Brigitte Poppenberger, roRo

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