Mit Speichel Siebröhren sabotieren

Landwirtschaft

Blattlausspeichel sabotiert pflanzliche Abwehr

Blattläuse sind kleine Insekten, die jedoch auf Grund ihrer großen Zahl jährlich beträchtliche Schäden in Gartenbau und Landwirtschaft anrichten. Es gibt zwar eine Vielzahl unterschiedlichster Bekämpfungsmittel, aber die saugenden Insekten bilden bald Resistenzen und heben die Wirkung wieder auf. Daher sind Giessener Biologen auf der Suche nach neuen Wirkungsmechanismen. Dabei müssen sie immer tiefer in die Interaktion zwischen Blattlaus und Pflanze einsteigen, um Wirkmechanismen zu verstehen. Torsten Will und Prof. Dr. Aart J.E. van Bel von der AG Zellbiologie der Pflanze am Institut für Allgemeine Botanik der Justus-Liebig-Universität haben in Zusammenarbeit mit der Universität Wageningen jetzt gezeigt, dass Blattläuse Speichel produzieren, der die übliche Reaktion der Pflanze gegen Verwundung außer Kraft setzt.

Nahrung aus den Siebröhren
Mit ihren rüsselartigen stechend-saugenden Mundwerkzeugen beziehen Blattläuse ihre Nahrung aus den tief im Blatt liegenden Siebröhren der Pflanze. In diesen Siebröhren transportiert die Pflanze aus den Photosynthese betreibenden Blättern die gewonnenen Nährstoffe in andere Pflanzenteile. Da die Siebröhren praktisch überall in der Pflanze vorhanden sind, dienen sie auch als Infrastruktur für Langstreckensignale bei äußeren Reizen. Beispielsweise sind sie mit speziellen Schutzmechanismen ausgestattet. Verletzte Siebröhren können verschlossen werden, um den Verlust der kostbaren Nährstoffe sowie das eindringen von Krankheitserregern zu verhindern. Für die Blattläuse bedeutete das ein ende der Nährstoffquelle – wenn sie nicht einen speziellen Trick erfunden hätten, diesen Verschlussmechanismus außer Kraft zu setzen.
AG Zellbiologie Torsten Will

Eine ausgewachsene Blattlaus der Art Megoura viciae in einem Versuchsaufbau zur Beobachtung des Blattlausverhaltens mittels "Electrical penetration graph"-Technik. Die Blattlaus ist auf der Ballunterseite einer Saubohne platziert. Auf ihrem Rücken befindet sich ein dünner Golddraht, der mit einem winzigen Tropfen Silberkleber befestigt ist. Die Pflanze wird über eine Bodenelektrode im Topf verkabelt. Indem man Pflanze und Blattlaus in einem Stromkreis (Gleichstrom) einbindet, kann das Blattlausverhalten über Änderungen des elektrischen Widerstandes im Stromkreis beobachtet werden (Bild: Torsten Will)

Speichel bindet Calcium
Zu Beginn eines jeden Siebröhrenanstichs wird eine große Menge Speichel in die Siebröhren abgegeben. Dieser Speichel spielt eine zentrale Rolle beim Unterbinden der wundinduzierten Reaktion der Pflanze.
Verhaltensversuche mit Blattläusen sowie eine Reihe von biochemischen Untersuchungen am isolierten Speichel zeigten, dass er Proteine enthält, die in der Lage sind Calcium zu binden. Normalerweise wird Calcium von der Pflanze bei einer Verwundung in die Siebröhren frei gesetzt und aktiviert den Verschlussmechanismus. In Schmetterlingsblütlern (Fabaceen) haben die Wissenschaftler demonstriert, wie der Verschluss funktioniert. Große Proteinkörper, Forisome genannt, dehnen sich in Anwesenheit von Calcium wie ein aufgeblasener Luftballon auf und schließen die entsprechende Siebröhre. Blattlausspeichel hingegen hat das Calcium rechtzeitig gebunden und das „Aufblasen“ der Forisome verhindert: Die Nährstoffquelle floss für die Insekten weiter.
Jetzt hoffen die Experten, dass diese Erkenntnis für die Entwicklung neuer Wirkmechanismen gegen Blattläuse hilft.

Lesestoff:
Die ausführliche Arbeit wird gerade im Proceedings of the National Academy of Science (PNAS) publiziert: Torsten Will, W. Fred Tjallingii, Alexandra Thönnessen and Aart van Bel: Molecular sabotage of plant defense by aphid saliva; PNAS – in press.

roRo; Foto: Torsten Will

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