Modellregion Spreewald

Landwirtschaft

Sechstes Regionalforum „Biologische Vielfalt“

Mit dem 1992 in Rio de Janeiro geschaffenen Übereinkommen über die biologische Vielfalt sollen Lebensräume und wildlebende Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen geschützt, die gezüchteten Arten nachhaltig genutzt werden und der Zugang zu genetischen Ressourcen gerecht verteilt sein. In Vorbereitung zum UN-Gipfel der biologischen Vielfalt in Bonn verabschiedete das Bundeskabinett im November 2007 die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“, zu deren Umsetzung sieben Regionale Foren durchgeführt werden. Am Montag fand das sechste zum Thema „Biodiversität im ländlichen Raum und naturverträgliche Regionalentwicklung“ im brandenburgischen Lübbenau, mitten im Biosphärenreservat Spreewald statt. Das Ziel formulierte Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN): Es geht bei der Mannigfaltigkeit des Lebens nicht nur um den Schutz, sondern auch um die nachhaltige Nutzung von Ressourcen. Der Spreewald zeige modellhaft wie andere Regionen, wie regionale Wirtschaft in Großschutzgebieten beachtliche Beiträge liefern können. So hat nach einer Analyse des BfN der Müritz-Nationalpark 261 Arbeitsplatzäquivalente geschaffen, der Naturpark Hoher Fläming 211 und der Naturpark Altmühltal 483 – wobei hier nur die Auswirkungen des Tourismus bewertet wurden.

Landwirtschaft in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Ziele:
„Bis zum Jahre 2020 ist die Biodiversität in Agrarökosystemen deutlich erhöht. Bis 2015 sind die Populationen der Mehrzahl der Arten (insbesondere wildlebender Arten), die für die agrarisch genutzten Kulturlandschaften typisch sind, gesichert und nehmen wieder zu.
„Bis 2015 nimmt der Flächenanteil naturschutzfachlich wertvoller Agrarbiotope (hochwertiges Grünland, Streuobstwiesen) um mindestens 10 Prozent gegenüber 2005 zu. In 2010 beträgt in agrarisch genutzten Gebieten der Anteil naturnaher Landschaftelemente (z.B. Hecken, Raine, Feldgehölze, Kleingewässer) mindestens 5 %
„Von GVO geht auch in Zukunft keine Gefährdung für die biologische Vielfalt, insbesondere Schutzgebiete, aus.“

Drama und Katharsis im ländlichen Raum
Den Menschen ist oft nicht bewusst, wie es um die Artenvielfalt steht, sagte Dr. Dietmar Woidke. Trotz Seeadler, Otter und Wiederansiedlung des Störs in Brandenburg, gehen die Arten zurück. Brandenburgs Agrarminister nennt auch die Gründe aus der Landwirtschaft: Stoffeinträge, Verinselung der Populationen, Versiegelung der Flächen und hochintensive Landnutzung. Herman Graf Hatzfeld vom Forest Stewartship Council und Mitglied der Naturallianz beschreibt geschichtlich, wie der Mensch in seiner Entwicklung die Natur angeeignet hat und sie mittlerweile durchdringt und zurückdrängt. Die Tierhaltung schuf mit den organischen Düngern die Grundvoraussetzung für den permanenten Ackerbau, der seinen Artenreichtum durch die Umwandlung in monotone Flächen eingebüßt hat. Mensch und Natur müssen im ländlichen Raum zu einem neues Verhältnis finden. Dieser bildet die Bühne für das stattfindende Drama im Naturschutz und für die notwendige Katharsis der Zukunft.

Naturparkplanung ist für die Arbeit der Naturparke von zentraler Bedeutung. Hier werden die künftigen Entwicklungsziele und geplanten Projekte definiert und in der Region abgestimmt. Die Naturparkpläne sind daher ein wichtiges Instrument, um die im Bundesnaturschutzgesetz und den Landesnaturschutzgesetzen formulierten Ziele und Aufgaben der Naturparke umzusetzen. Der Verband Deutscher Naturparke (VDN) hat jetzt den Leitfaden „Optimierte Umsetzung von Naturparkplänen“ erarbeitet, der die Ergebnisse des gleichnamigen vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) zusammenfasst.
Die Pläne sind die Weiterentwicklung des 2002 entstandenen „Leitfadens für die Praxis“. Erfolgsfaktoren für eine verbesserte Realisierung werden analysiert und Vorschläge erarbeitet, wie diese in die Praxis umzusetzen sind. Es gibt Checklisten zu verschiedenen Handlungsfeldern der Naturparkplanung, weiterführende Erläuterungen, Good-Practise-Beispiele sowie Tipps und Literaturhinweise. Der Ergebnisbericht kann kostenlos unter www.naturparke.de abgerufen werden.
VDN

Überdüngung, Stalltierhaltung, Futtermittelimporte und der Strukturwandel zu wenig mehr als 300.000 landwirtschaftlichen Betrieben haben das meiste Artensterben hervorgerufen, sagt Hatzfeld. Für die gemeinsame Nutzung des ländlichen Raums durch Produktion und Erholung gibt es in der ökologischen Landbewirtschaftung Alternativen, die jedoch oft genug noch brach liegen. Graf von Hatzfeld sieht nicht in der Landwirtschaft den Schlüssel zur Entwicklung des ländlichen Raums, weil die Anzahl der Arbeitskräfte gegenüber den anderen Sektoren in der Minderheit ist. Das sei beim Berufsverband noch nicht angekommen, kritisiert Hatzfeld den Deutschen Bauernverband. Die Neuerungen beim agrarpolitischen Health Check mit dem Ausbau der zweiten Säule in Richtung der Entwicklung des ländlichen Raums sei lediglich in der Größenordnung noch ungenügend.

Die Ochsen des Teufels
Der Spreewald rund 100 km südöstlich von Berlin weist auf 475 km2 Fläche 1.575 Kilometer Fließe auf. Die Geologen sehen in dem Netz der Fließe ein großes Binnendelta der Spree aus der letzten Eiszeit, die Legende erzählt von den Ochsen des Teufels, die durchgegangen, mit ihrem Pflug tiefen Furchen hinterließen, auf denen heute die Touristen mit den hölzernen Spreewaldkähnen die vielen Inseln und Libellen genießen.
Landwirtschaft im SpreewaldDie Landwirtschaft war schon immer kleinteilig im Spreewald, mühsam und der Tourismus nur ein Zubrot. Heute besuchen knapp vier Millionen Menschen die Region, die neben ihren berühmten Gurken vor allem Milch, Rind- und Schweinefleisch produziert. 50.000 Menschen leben in 37 Dörfern, 50 Betriebe bearbeiten 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch. Sie müssen aber großen Aufwand betreiben, denn bei der Bearbeitung des Grünlands sind Schutzzeiten für Bodenbrüter einzuhalten, die traditionelle Trocknung des Grases auf Holzgestellen nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, erzielt nicht die beste Qualität und die kleinen Flächen erfordern einen hohen Logistikbedarf. Zudem schlagen die gestiegenen Betriebskosten negativ auf die Bilanzen durch. Bislang von der EU gefördert, fallen diese Gelder nun weg, weil die Spreelandwirtschaft zu kleinteilig ist.
Die Förderung basiert auf der Spreewaldrichtlinie, die ursprünglich auf die Betriebe in den Ortschaften Lehde und Leipe ausgerichtet war. Brandenburg sucht nach Angaben Woidkes händeringend nach Alternativen. Denkbar ist eine Verknüpfung an die 2007 gegründete Bürgerstiftung „Kulturlandschaft Spreewald“. Die Landwirtschaft im Kerngebiet des Spreewalds ist auch „eher touristenwirksam“, weil sie die traditionelle Bearbeitung aufzeigt.

Die Tragfähigkeit der Preise
Während Preise im eigentlichen die Knappheit eines Gutes widerspiegeln, gibt es den Trend die gesellschaftlichen Aufgaben wie Arten- und Umweltschutz über die Lebensmittelpreise und den Bauern verrechnen zu lassen. Er erfüllt neben der Produktion der Lebensmittel mit einer nachhaltigen Produktion diese Ziele. Bevölkerungswachstum und der Bedarf an erneuerbaren Energien zeitigen jedoch eher Intensivierungsstrategien in der Agrarwirtschaft, den steigenden Bedarf an Nahrung und Energie zu decken. Herd-und-Hof.de wollte wissen, wie lange das Modell der Entlohnung gesellschaftlicher Aufgaben über die Lebensmittelpreise noch funktionieren kann, während das Verbraucherbudget derzeit recht angespannt ist.
Eine Trennung zwischen Landwirtschaftsförderung und Umweltschutzförderung kommt für Dr. Woidke nicht in Frage. Die EU beschreite mit der 2005 eingeführten Cross Compliance den richtigen Weg, der bei internationaler Anwendung auch nicht wettbewerbsverzerrend ist. Die Direktzahlungen werden sich auch in die Richtung weiterentwickeln, dass die Landwirte noch mehr für die gesellschaftlichen Aufgaben bezahlt werden, prognostiziert Woidke. Daher sei die Niederlegung einer Nachhaltigkeitsverordnung für den Anbau erneuerbaren Energien erforderlich.
Dr. Elsa Nickel, Ministerialdirigentin aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit fügt hinzu, dass die während der Regionalforen angesprochenen Regionen Modellcharakter für eine Bewegung haben sollen. Die Verbraucher müssten sich darüber klar werden, dass ihr Konsum Auswirkungen auf die Gestaltung des ländlichen Raums haben.

Gewässerrandstreifenprogramm Spreewald
Nicht auf den ersten Blick zu eschließen: Das Wasser im Spreewald ist knapp geworden. Das Klima wird immer trockener, in vielen Fließen steht das Wasser mehr als es fließt, die Fließe sind strukturarm und die Moorböden mineralisieren. Zur Lösung dieser Probleme hat der Zweckverband Gewässerrandstreifenprojekt Spreewald in Lübbenau sich vorgenommen, die Fließe wieder für die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu reaktivieren. Insgesamt soll die Wasserverteilung so verbessert werden, dass wieder untereinander verbundene fließende Gewässerstrecken entstehen. Dazu werden Altarme angeschlossen, entschlammt oder in eingetieften Gewässern raue Sohlstrukturen eingebracht, um eine eigenständige Rückhaltung der Sedimentation zu erzielen. Genauso werden befestigte Uferstrukturen wieder zurückgebaut. Über eine Vielfalt an Strukturen erhofft sich das Projekt eine Vielfalt der Arten. Wird die Wasserrückhaltekapazität der Moorböden verbessert, dann kann das gespeicherte Winterwasser bei Sommertrockenheit den Tieren, Pflanzen und der Landwirtschaft besser zur Verfügung stehen.

Bio-Karpfen aus Sachsen
Acht Prozent der sächsischen Landwirtschaftsfläche sind Teiche. In der Heide- und Teichlandschaft der Oberlausitz haben sich die bis zu 800 Jahre alten Teiche fast schon zu natürlichen Seen entwickelt, sagt Peter Heyne vom Biosphärenreservat .Hier ist der Tisch für Seeadler und Otter reich gedeckt. Durch die Intensivhaltung hat allerdings der Karpfen an Image verloren, weswegen in der Binnenaquakultur der sächsische Bio-Karpfen dem Tier zu neuem Glanz verhelfen soll. In diesem Jahr werden die ersten Fänge an Land geholt. So steht zusammen mit der regionalen Gastronomie der 13. September in Warta ganz im Zeichen des Karpfengenussfestivals.

Lesestoff:
Die „Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt“ und kann unter www.bmu.de bezogen werden.
Informationen zu den Regionalforen gibt es unter www.biologischevielfalt.de

Roland Krieg; Foto: Spreewaldbroschüre

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