Molkereien verraten ihre Milchbauern

Landwirtschaft

Milch: Es geht noch tiefer

Erst vor einer Woche haben die Agrarminister in Mecklenburg-Vorpommern die Milchbranche „zum letzten Mal“ aufgerufen, die Milchmenge freiwillig zu begrenzen, damit die Preisschraube nach unten ein Ende hat [1]. Zwischen den Zeilen war vor allem deutlich zu hören, dass die Branche selbst angesprochen ist und aufhören sollte, mit dem Finger auf andere, wie beispielsweise den Lebensmitteleinzelhandel zu zeigen.

Doch haben die Molkereivertreter zwei Ohren. Nur eines ist für die Aufnahme von Informationen bereit. Norddeutsche Genossenschaftsmolkereien hatten havelländischen Milchbauern im März bereits Milchpreise um die 19 Cent für diesen Sommer angekündigt [2]. Sie werden es halten und haben in der letzten Woche mit dem Handel nicht für möglich gehaltene Milchpreise angeboten.

Trinkmilch wird ab Mai im Handel zwischen zehn und zwölf Cent preiswerter. Auch Quark und Frischkäse werden deutlich billiger, meldete die Lebensmittelzeitung (LZ). Trotz Bauernproteste und Politikappelle. Schon 2009 lagen die Milchpreise auf diesem Niveau. Die ersten halbjährigen Kontrakte sind wegen des hohen Mengendrucks bereits früh abgeschlossen worden. Laut LZ von Lidl bereits am 08. April.

Selbst das Eingreifen von Bauernpräsident Joachim Rukwied im letzten Herbst verkehrt sich ins Gegenteil. Sein „Deal“ mit Lidl, die Preise nicht weiter zu senken, hat sogar zu einer leichten Preiserhöhung geführt. Nach LZ-Analyse war das aber ein Mengensignal in den Markt gab [3].

Die Molkereien drücken die Preise nach unten, um keine Marktanteile zu verlieren. Die Solidarität im freien Markt hat ihre Grenzen.

Weigerung Mengenbegrenzung

Derzeit sind Marktanteile wichtiger als Milchviehbetriebe. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hatte das Deutsche Milchkontor (DMK) vor den Neuverhandlungen auch mit Blockaden der Zufahrtswege zu einer Mengenbegrenzung aufgefordert. „Doch die DMK-Spitze lässt alles weiter laufen wie gehabt und trägt damit wissentlich dazu bei, dass die Erzeugerpreise der Milchbauern weiter fallen“, bedauert Ottmar Illchmann, stellvertretender AbL-Vorsitzender.

Selbst der Deutsche Bauernverband bezeichnet die Trinkmilchabschlüsse als „Bankrotterklärung“. Die Molkereien nutzen die Möglichkeiten zur Bildung von Verkaufskontoren nicht, bedauert DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Damit würde sie auf Augenhöhe mit dem Handel stehen. Die Milchpreise liegen derzeit auf einem Niveau, „das für die Milchbauern nicht im Ansatz eine Perspektive bietet.“

Genossenschaften unter Druck

Im Hintergrund geraten die Genossenschaften unter Druck. Das Bundeskartellamt hat eine Überprüfung der Lieferbedingungen angekündigt, für die Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) kein Verständnis zeigt. Das sei ein Eingriff in „bewährte gesellschaftsrechtliche Strukturen“, sagte er am Donnerstag. Die Milchbauern müssen alle Milch an die Genossenschaft abliefern und die Genossenschaft verpflichtet sich zur Annahme der gesamten angebotenen Menge. Die Landwirte entscheiden „als Eigentümer der Molkereigenossenschaften selbst über ihre Lieferbedingungen wie Vollablieferungspflicht, Kündigungsfristen und Qualitätskriterien“, sagte Nüssel. Das Kartellamt vermutet ein bundesweites Netz an langen Vertragszeiten, die nicht ausreichend auf wettbewerbsrelevanten Situationen reagieren können.

So schaut sich das Bundeskartellamt in einem Pilotverfahren zunächst einmal Lieferbedingungen der DMK GmbH und ihrer Muttergesellschaft DMK eG an. Der Wegfall der Milchquote hat die Verträge in ihrer Natur nicht verändert. Der Lebensmitteleinzelhandel hat bei langfristigen Verträgen mit Abnahmepflicht leichtes Spiel durch ein transparentes Preissystem: „Der Wettbewerb der Molkereien um den Rohstoff Milch wird hierdurch möglicherweise eingeschränkt und eine wirksame Mengensteuerung über den Markt behindert. Das ginge zu Lasten der Landwirte", sagt Präsident Andreas Mundt

Lesestoff:

[1] Starker Appell mit Europabremse

[2] Der Markt gehört den Mutigen

[3] Agrarminister feiern sich selbst

Roland Krieg

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