Müller suchen Qualitäten
Landwirtschaft
Getreideernte 2011 fordert Müller heraus
Rund
die Hälfte des Weizens steht noch auf dem Halm. Gab es in den letzten Wochen
ein ähnliches Sommerfenster wie diese Tage, reichte es trotzdem nicht aus, das
regennasse Getreide zu trocknen. Ein Ende der Getreideernte 2011 steht noch nicht
fest. Es gibt aber Regionen, die konnten alles einbringen und wer gute
Qualitäten produzieren konnte – der hat gewonnen. Denn in der Summe sinkt der
Getreideertrag nach Angaben des Verbands Deutscher Mühlen (VDM) auf 41
Millionen Tonnen und die Qualitäten sind sehr unterschiedlich. Hans-Christoph
Erling, Vorsitzender des VDM, versicherte am Dienstag in Berlin, dass es
deswegen aber keinen Engpass bei der Brotversorgung geben wird.
Mühlen suchen, Bauern warten ab
Für
die Mühlen steige jedoch der Aufwand, die richtigen Qualitätspartien
herauszufinden. Insgesamt sei die Ernte 2011 ausreichend für Qualitätsgetreide,
ohne das Aufmischweizen aus dem Ausland zugekauft werden muss.
Derzeit
liegt der Weizenpreis bei 210 Euro je Tonne. Wegen der knappen Qualitätspartien
wetteifern die Mühlen um jede Einzelne und die Bauern sind in der Lage, ihr
Qualitätsgetreide noch länger im Lager zu halten, um noch bessere Preise einzufangen.
So bewegt sich nach Erling der Preis in den nächsten Wochen eher aufwärts.
Aber
nicht alle Bauern haben Qualitätsgetreide geerntet. Und schon gar nicht zu dem
Zeitpunkt eines Vorvertrages. In der letzten Woche hatte der
rheinland-pfälzische Landesbauernpräsident Norbert Schindler angesichts der
widrigen Erntebedingungen die Verarbeiter gebeten, den Bauern entgegenzukommen.
Nach Hans-Christoph Erling wird das auch tatsächlich praktiziert. Allerdings
müssen die Verarbeiter mit den Bauern das im Einzelfall klären. So ist es
möglich, die Fälligkeit des Kontraktes auf das nächste Jahr zu verschieben.
Allerdings verbunden mit einem Preisabschlag.
Bisherige Qualitäten
Bislang kann der VDM die Getreideernte wie folgt qualifizieren. Die Anzahl der Schmachtkörner, die also nicht voll ausgebildet sind, ist gering. Das Hektolitergewicht ist in Ordnung. Bei Weizen liegt es zwischen 62 und 87 Kilogramm je Hektoliter. Je höher der Wert, desto mehr Mehlausbeute. Im Mangel sind die Fallzahlen. Hierbei wird gemessen wie schnell ein Messstab durch ein Mehl-Wassergemisch nach unten sinkt. Es gilt: Schlechte Wachstumsbedingungen erhöhen im Korn die Menge an alpha-Amylase. Deren Aktivität macht das Mehl-Wassergemisch dünnflüssiger, der Stab fällt schneller. Bei Weizenmehl sind 250 bis 300 Sekunden Fallzahl optimal.
Energiepflanzen
Ende 2011 wird in Deutschland etwa 7.000 Biogasanlagen geben. Vor vier Jahen hat sich mit dem Einsetzen des Biogasbooms die Anlagenzahl schnell verdoppelt, schwächte sich in den beiden letzten Jahren ab, wird aber für die Mühlen jetzt zum Dauerthema, so Erling. Es sei unverantwortlich, dass wertvoller Ackerboden nicht für die Nahrungsmittelproduktion, sondern für die Energiegewinnung genutzt werde. So berichtet Hans-Christoph Erling aus dem Thüringer Becken, dass dort sogar Solaranlagen auf bestem Ackerboden gebaut werden. Man müsse viel stärker nach Alternativen suchen und auch die Reststoffe aus der Müllerei verwerten. Hier müsse das EEG noch nachgebessert werden, so Erling.
Die Mühlen
Im letzten Jahr haben die Mühlen in Deutschland rund acht Millionen Tonnen Getreide zu 6,44 Millionen Tonnen Mehl vermahlen. Zehn Prozent der Weizenmehle wurden in das europäische Ausland verkauft. Rund 6.000 Beschäftigte haben 2,5 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Die Mühlen haben in der Krise keine Arbeitsplätze abgebaut, so Erling, und halten ihre Ausbildungsquote von zehn Prozent.
Täglich frisches Brot
Für
die Mühlen erfreulich ist das hohe Niveau des Brotverzehrs. Nach Dr. Heiko
Zentgraf, Ernährungswissenschaftler von der GMF Getreide-, Markt- und Ernährungsforschung,
greifen mehr als 90 Prozent der Deutschen täglich in den Brotkorb. Mit einem
leichten Plus auf 84,9 Kilogramm Backwarenverbrauch im Jahr erreicht der
Durchschnittsdeutsche wieder den mittleren jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 85
Kilogramm.
Wie
wichtig Kohlehydrate sind, die vor allem aus Getreide stammen sollen, zeigt der
wissenschaftliche Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ende Juni
hat die DGE die Kompaktfassung herausgegeben. Die Getreidekörner
sind auch für die Ballaststoffzufuhr wichtig. Rund 30 Gramm sollen es am Tag
sein, doch nach Dr. Zentgraf erreicht der Durchschnittsdeutsche gerade einmal
23 Gramm.
Daher sollen die Verbraucher die Vollkornvariante wählen. Aber auch weniger ist bereits deutlich mehr. Mit wenigen Rezeptmodifikationen im privaten Haushalt können die Ballaststoffe leicht erhöht werden.
Lesestoff:
Die
schwierige Ernte in diesem Jahr erschwert das Heraussuchen der Qualitätspartien
Getreide. Ein aktuelles Forschungsprojekt arbeitet daran, schon
beim Mähdrusch verschiedene Qualitäten zu trennen
Roland Krieg; Foto: roRo, Archiv