„Multitalent“ Biogas unter Druck
Landwirtschaft
Biogas im BMU-Dialog
Am Montag fand im Bundesumweltministerium der 2. EEG-Dialog statt. Im Fokus stand das „Multitalent“ Biogas, das sowohl Strom, als auch für Wärme und Mobilität sorgen kann.Da sowohl die Ausgangssubstrate als auch das Gas speicherbar sind, kann Biogas die Fluktuationen von Wind und Sonne ausgleichen. Seit 2007 hat sich die Anzahl der Biogasanlagen in Deutschland auf 7.600 verdoppelt. Von den geschätzten 2,5 bis vier Millionen Hektar, die in Deutschland für Biomasse genutzt werden können, ist die untere Grenze bereits erreicht. Da die kostengünstige Potenziale für die Produktion von Biogas bereits erschlossen sind, steigen die Erzeugungskosten an: Seit 2001 von 9,1 auf 17,5 Cent je kWh, rund doppelt so teuer wie Energie aus Wind und Sonne.. Biogas kann zu Biomethan veredelt werden und passt hervorragende in die Erdgasinfrastruktur Deutschlands. Aber auch hier fallen noch einmal drei Cent je Kilowattstunde Erzeugungskosten an.
Wie geht es weiter mit Biogas, das Umweltminister Peter Altmaier für eine unerlässliche Erfolgsgeschichte hält? Vor allem die Bauern haben ihren Platz in der Energiewende gefunden und zeigen auf, wie Energie dezentral produziert werden kann, erläuterte Altmaier.
Schleswig-Holstein am Limit
Staatsekretärin Ingrid Nestle aus dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume für Schleswig-Holstein verweist auf den Zuschnitt ihres Ministeriums. Da können alle Antworten zu den drängenden Fragen gefunden werden. Es gibt zwar noch Regionen ohne Biogasanlagen, aber das Land sei durch den Boom der vergangenen Jahre an ein Limit gestoßen. Die Strategie lautet: Biogas muss stromoptimiert veredelt und effizient erzeugt werden.
Horst Seide vom Fachverband Biogas sieht bundesweit kein Potenzialproblem. Es sei mehr eine gesellschaftliche Debatte, wie viel Biogas produziert werden soll. Das resultiert aus einer „Angstdebatte“ der Nutzungskonkurrenz - wie teuer wird noch das Bier? Der beste Regulator zwischen Brötchen und Strom sei der Markt.
In der Tat dürfen die Bauern sich freuen, bekannte Rainer Tietböhl, Präsident des Landesbauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Er bewirtschaftet auf seinem Hof eine 220 kW-Anlage mit täglich 13 Tonnen Gülle und sieben Tonnen Mais. Die Wärme wird an Verbraucher im Dorf abgegeben, weswegen die Gemeinde bereits rund ein Drittel an Energiekosten einsparen kann. Die Preissituation sei bei Energie und Nahrungsmittel so, dass die Bauern endlich selbst entscheiden können, was sie in welchem Umfang anbauen können. Die Politik dürfe bei Biogas nicht den gleichen Fehler wie bei Biodiesel machen, wo nach einer euphorischen Ausbauphase die Besteuerung den Markt schnell wieder zusammen brechen ließ.
Grundsätzlich skeptisch ist Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland. Es habe in einigen Regionen bereits erhebliche Fehlentwicklungen gegeben. Der Mais nimmt die Hälfte des Ackerlandes ein, die Zahl der Feldvögel ist um 75 Prozent zurückgegangen: „Der Druck zur Änderung ist so massiv geworden.“
Effizienz ist einer der Fürsprecher künftiger Biogasanlagen. Die heutigen Anlagen weisen nur einen Wirkungsgrad von 37 Prozent auf. Bei einem Wirkungsgrad von 45 Prozent bei den neuen Anlagen werde die gleiche Menge Biogas auf 200.000 Hektar Land weniger produziert, erklärte Horst Seide. Bauer Tietböhl erwartet von der Forschung nicht nur im Anlagenbau, sondern auch bei den Pflanzen Nachholbedarf. Mais sei wegen seiner ökonomischen Effizienz dominant. Hirse und Zuckerrüben sind als Substitute noch nicht so weit. Probleme bekommen allerdings die Anlagenbetreiber, die Substrate zukaufen müssen. Sie haben ihre Anlagen zu einem Zeitpunkt gebaut, wo die Tonne Mais 20 Euro kostete. Heute bringt der Preis von 40 Euro je Tonnen die Kalkulationen durcheinander. Anlagen mit Substraten aus eigenem Anbau stehen nicht unter Druck und sind regional eingepasst.
Bayerns Dreistufenplan
Als Regelenergie bleibt Biogas für die Energiewende weiterhin unverzichtbar, stellte Martin Neumeyer aus dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bayern fest.
Bayern hat nach einer Analyse seiner 2.400 Biogasanlagen und dem Strombedarf einen Dreistufenplan ausgearbeitet. Bis 2020 will der Freistaat die Hälfte seiner Energie regenerativ erzeugen und ist mit einem Anteil von 34 Prozent schon auf gutem Wege. Bayern will die Biogasanlagen intelligenter nutzen. Die Anlagen sollen vormittags und nachmittags jeweils für vier Stunden direkt für den Strombedarf produzieren und liefern in den anderen Zeiten die Energie in einen Speicher, der sie für 16 Stunden auf Vorrat hält. Das soll rund 700 Megawatt mehr Energie bringen. Für die Umsetzung müsse jedoch der Anlagenbegriff im EEG neu definiert werden, damit solche Anlagen auch in den Genuss der Einspeisevergütung kommen. In einer zweiten Stufe müssten Motoren und Speicher an den neuen Produktionsrhythmus angepasst werden. Neue Zündstrahlmotoren könnten bei Bedarf auch fossile Brennstoffe einsetzen können. In einer dritten Ausbaustufe sollen neue dezentralen Anlagen auf Hofebene Gülle und pflanzliche Reststoffe weitere 900 MW liefern.
Die Zukunftsfähigkeit liegt nach Daniel Hölder, Vorstandmitglied Bundesverband Bioenergie, auch stärker in der Kosteneffizienz der Systemkomponenten. So behält Biogas seine bedeutende Rolle in der Energiewende.
Roland Krieg