Nachhaltige Bioenergieerzeugung

Landwirtschaft

BBE-Symposium in Potsdam

Dem Imperativ Nachhaltigkeit ging das Symposium des Bundesverbandes BioEnergie e.V. (BBE) am Mittwoch in Potsdam auf den Grund.

Nachhaltigkeit nicht nur für die Bioenergie
Helmut Lamp, Vorstandsvorsitzender des BBE, sieht den Bereich der Nachhaltigkeit in den Anforderungen des Cross Compliance bereits erfüllt. Fruchtfolgen mit mindestens drei Kulturgliedern, Begrünung von Brachflächen und das Aufzeichnen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie Maßnahmen gegen die Bodenerosion seien Beispiele, die über die „Gute Fachliche Praxis“ auf den Betrieben bereits realisiert werden. Lamp wehrt sich dagegen, dass das Thema Nachhaltigkeit erst durch die Bioenergie zum Thema wird. Solange die Palmölplantagen für die Margarine- und Kosmetikindustrie auf Kosten des Regenwaldes ausgebaut wurden, war das Interesse daran geringer. Die Zertifizierung solle nicht nur für die Bioenergie gelten.
Verdeutlicht wurde das durch Dr. Matthias Nickel von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), der auf Grund der nationalen Umsetzungen der Nachhaltigkeitsverordnungen darauf verwies, das ab dem 01. Juli 2010 nur noch zertifizierte Bioenergie verwendet werden dürfe. Doch gelte das nicht für die Nahrungsproduktion, die mit Raps und Ölpalmen auf gleicher Fläche die gleichen Pflanzen nutze.
Hintergrund ist die Nachhaltigkeitsverordnung 2009/28/EG, die von den Mitgliedsländern bis Ende 2010 umgesetzt werden muss. Deutschland hat am 23. Juli mit der Biomassestrom- und am 16. September mit der Biokraftstoffverordnung Teile bereits umgesetzt.
Das Problem der Rapsbauern aber bleibt – als Biodiesel muss er zertifiziert werden, für die Lebensmittelindustrie nicht.
Die Zertifizierungen selbst hält Dr. Monika Heiermann vom Leibniz-Institut für Agrartechnik aus Potsdam-Bornim für „erfüllbar“. Aufwand falle im In- und Ausland jedoch zusätzlich an.

Energiemix 2030
Insgesamt stellt die Natur jährlich 2.000 EJ Energie bereit. Die Menschheit nutzt rund ein Viertel davon. Biomasse kann davon einen Teil beisteuern, beschreibt Dr. Michael Sterner vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WGBU). Die traditionelle Biomasse könne rund 40, die Rest- und Abfallstoffe noch einmal 50 EJ beitragen. Über den Wert der Energiepflanzen seien sich die Studien nicht einig. Hier variieren die Werte zwischen 30 und 120 EJ.
Bezogen auf den Klimawandel und den Reduzierungszielen für die Treibhausgase hat der WBGU die nachhaltige Landnutzung in dem Buch „Welt im Wandel – Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung“ analysiert. Bezogen auf die CO2-Vermeidung komme dem Raps für den Nahrungsanbau eine andere Kohlendioxidbilanz zu, als im Energiepflanzenanbau. Dadurch werde eine Flächenänderung vollzogen, weil die Nahrungsmittel woanders angebaut werden müssten.
Untersucht hat das WBGU auch die Energieeffizienz. Nach Sterner ist die Umwandlung in Treibstoff mit einem Ausbeutegrad in Höhe von 15 Prozent recht ineffizient. Die Umwandlung der Biomasse in Strom weise mit 30 Prozent einen deutlich höheren Nutzungsgrad auf. Im Ergebnis solle Biomasse kohlenstoffintensive Energieträger Für Deutschland wäre das die Steinkohle, während es in Brasilien der fossile Diesel ist, weil das lateinamerikanische Land für seine Verstromung auf großen Wasserkraftwerke zurückgreift.
Die Studie hält einige Empfehlungen bereit. So sind mehrjährige Kulturen und Graslandsysteme für die Bioenergienutzung empfehlenswert. Priorität sollte die Nutzung der Rest- und Abfallstoffe erhalten sowie die Nutzung degradierten Landes für den Energiepflanzenanbau. Letzteres könne die Degradierung stoppen und die Biodiversität erhöhen.
Fazit der Studie ist aber, dass Biomasse lediglich bis zu 20 Prozent der Treibhausgase einsparen könne, würde alle Energie aus Biomasse erzeugt. „Alleine reicht die Biomasse nicht aus“, so Sterner.
Auch Lamp sieht die Biomasse nur als Teil des künftigen Energiemixes. Erdgas und Kohle würden auch in 20 Jahren noch Hautenergieträger sein. Energien aus Wind und Sonne ordnet Lamp hinter der Biomasse ein.

Ungenutzte Potenziale nutzen
Die Eckpunkte der Brandenburger Biomassestrategie sehen bis 2020 einen Anteil an erneuerbaren Energien an der Primärenergie in Höhe von 20 Prozent vor, erklärte Dr. Günter Hälsig aus dem Brandenburger Landwirtschaftsministerium. 40 Prozent sollen dabei aus Biomasse stammen. Das entspricht einem Ertrag von 13.622 GWh. Seit 2006 ist der Anteil der Energiepflanzen auf 190.000 Hektar gestiegen. Rund 300.000 Hektar gelten in Brandenburg als nutzbar. Derzeit halten sich die Pflanzen Raps, Getreide und Mais beim Anbau in etwa die Waage, doch sieht Dr. Hälsig deutlich den Trend zum Anbau von Mais. Mit 16 Prozent Anteil an der Ackerfläche häuften sich derzeit jedoch die „Bürgerproteste gegen die Monokulturen“.
Landesbauernpräsident Udo Folgart hingegen hält den Begriff für überzogen. Auf der Fläche des heutigen Brandenburgs wurden 1989 genauso viel Mais angebaut.
Dr. Hälsig und Folgart halten die Potenziale für die Energienutzung für noch nicht ausgeschöpft. Folgart sieht anbautechnische Reserven durch moderne Technik und Vermeidung von Flächenverlusten. Bundesweit werden täglich etwa 130 Hektar Land aus der Produktion genommen, Dieser Flächenverbrauch müsse deutlich minimiert werden. Dr. Hälsig wies darauf hin, dass die Energieeinsparung noch das größte Potenzial beinhalte und intensiviert werden müsse.
Brandenburgs Waldwirtschaft ist nach Aussage von Dr. Hälsig bereits nachhaltig ausbilanziert. Kommen neue Marktteilnehmer wie Choren mit seiner BtL-Anlage in Schwedt oder der Berliner Energieversorger Vattenfall mit seinen Biomasseplänen hinzu, dann müssten sie hauptsächlich schon woanders suchen.

Landwirt bleibt Rohstofflieferant
Neben dem Anbau von Pflanzen zur Nahrungsgewinnung und energetischen Versorgung gewinnt die stoffliche Nutzung immer mehr an Bedeutung. Dr. Hälsig sieht zwischen der energetischen und stofflichen Nutzung keinen Wettbewerb. Die Kaskadennutzung ergänze die beiden sogar. So soll Holz vor der energetischen Verwertung zunächst verbaut werden. Lamp sieht fossiles Erdöl sogar bald in vergleichbarer Situation: Bevor es damit wirklich zu ende gehe, werde die stoffliche Nutzung noch eher verstärkt, bevor die Polymere letztlich verbrannt werden.
Über den Stoffstrom nach der Ernte entscheide der Markt, so Lamp. Werde der Landwirt damit nicht zum Rohstofflieferanten „degradiert“, der am Ende nur die Tonne Biomasse liefere?
„Das ist sein Los“, sagte Lamp zu Herd-und-Hof.de „Ich backe auch keine Brötchen“, fügt er als Landwirt Lamp. Die Bauern haben mit Scheitholz ihre Direktvermarktungsmöglichkeiten, aber die Pelletsproduktion müsse man den „Profis“ überlassen.
Letztlich ist das auch regional unterschiedlich. Die großen Betriebe in Ostdeutschland haben die Möglichkeit eigene Biogasanlagen mit eigener Biomasse zu betreiben, so Dr. Hälsig. In Südwestdeutschland hingegen sind die Betriebe kleiner und produzieren mehrheitlich für den Eigenbedarf.

Forderungen an die neue Regierung
Der BBE sieht in dem vorliegenden Koalitionsvertrag „eine gute Grundlage für einen weiteren Ausbau der Bioenergie“. Handlungsbedarf allerdings sieht der Verband im Bereich der Biokraftstoffpolitik. Die Besteuerung von Biodiesel und Pflanzenöl als Reinkraftstoff müsse umgehend auf ein Maß zurückgeführt werden, das die Wettbewerbsfähigkeit und somit eine Wiederbelebung des Marktes erlaubt, forderte der BBE zur Tagung.

Lesestoff:
Den BBE erreichen Sie unter www.bioenergie.de. Dort werden auch die Vortragsfolien der Tagung veröffentlicht.
Die aktuelle Forschung über nachhaltige Fruchtfolgegestaltung der Energiepflanzen finden Sie unter www.tll.de/vbp
Die WGBU-Studie „Zukunftsfähige Bioenergie“ kann kostenfrei unter www.wbgu.de
Zur stofflichen Nutzung der Biomasse hat Brandenburg in diesem Jahr die Bioraffinerie-Plattform gegründet.

Roland Krieg

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