Nachlese Bundesrat
Landwirtschaft
Wind, Wolf und GAP im Bundesrat
Windenergie
„Nicht über die Köpfe hinweg entscheiden, was sich später über den Köpfen dreht!“ Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke brachte es auf den Punkt, worum es derzeit bei der Windenergie geht. Lärm, Schattenwurf und sinkende Attraktivität des Landschaftsbildes wehen der Windkraft bürgerlichen Gegenwind in die Rotoren. Vor allem im Norden und Osten sind Windräder sehr präsent. Brandenburg hat 3.750 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 6.900 MW aufgestellt und nimmt daher Platz 2 in der bundesweiten Leistungstabelle ein. Bezogen auf die Einwohnerzahl steht Brandenburg sogar auf Platz eins. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, sagte Woidke vergangenen Freitag in der Bundesratssitzung und wirbt für einen Antrag, der Kommunen mehr Entscheidungsrechte bei der Planung von Windrädern gibt. Es gehe schlicht um einen „fairen Austausch zwischen energiepolitischen Zielen und Bürgerinteressen.“ Brandenburg will in einem Länderantrag die Privilegierung des Windradbaus im Außenbereich der Städte und Gemeinden streichen und damit das Baugesetz ändern. „Es bedarf heute keiner Privilegierung mehr“, erklärte Woidke, der aber keine Schwächung der Windkraft nicht möchte. Außerhalb von Wohnbereichen soll das Privileg erhalten bleiben.
Woidke unterstützt damit auch den Länderantrag Nordrhein-Westfalens, mit einer Länderöffnungsklausel für eine höhere Akzeptanz zu sorgen. Damit könnten die Bundesländer innerhalb von fünf Jahen eigene Mindestabstandsregeln von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung festlegen. Die Länder könnten die Planungen auch zwei Jahre aussetzen, wenn sie es benötigten. Die Windkraft werde wesentlicher Bestandteil des Energiemixes bleiben, betont Bauministerin Ina Scharrenbach aus NRW. Die Länder sollen jedoch Spielräume für ihre Bevölkerung nutzen können.
Das stößt auf Widerstand der Verbände für erneuerbare Energien. Dr. Simone Peter unterstützt als Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) die Forderung des Bundesverbandes Windenergie, beide Ansichten abzulehnen. „Sowohl der Vorschlag NRWs als auch der Brandenburgs würde zu einer Verschärfung der schon heute angespannten Genehmigungssituationb für Windenergieprojekte führen und damit den Ausbau ins Stocken bringen, wie dies bereits in Bayern geschehen ist.“ Vor allem stört Peters der Zeitpunkt der Anträge. Sie wurden in den Bundesrat nur wenige Tage nach dem Sonderbericht des Weltklimarates eingebracht, der mehr Unterstützung zur Einhaltung es 1,5.Grad-Zieles einforderte [1]. Auch Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und Abgeordnete aus Brandenburg kritisiert: „War Brandenburg noch vor einigen Jahren Vorreiter bei der Energiewende, setzt die rot-rote Landesregierung nun ihre Rolle rückwärts bei der Energiewende fort. Umso bedauerlicher, dass dies in einer Situation geschieht, wo im Rahmen der Kohlekommission über den Strukturwandel hin zu mehr Klimaschutz und zukunftsfähiger Jobs im Rahmen der Energiewende beraten wird.“ Zusammen mit Die Linke bildeten mit den Sozialdemokraten in Brandenburg „ein fossiles Schutzschild über die klimapolitische Kohle“. Der Bundesverband Windenergie (BWE) geht von erforderlichen 4.500 bis 5.000 MW Leistung Wind aus, die für die Pariser Klimaziele noch aufgebaut werden müssen. Mit der Aufnahme des 2-Prozent-Flächenzieles sei eine Planungssicherheit für die Kommunen gegeben. Bei rund 500 Tagen, die zwischen Antragstellung und Genehmigung einer Windanlage vergehen, müssten die Genehmigungshemmnisse eher beseitigt werden. „Die Windkraft – von hier“ ist die bundesweite Kampagne, mit der Bürger und Gemeinden eine stärkere Teilhabe an der Wertschöpfung erhalten können. Das würde die Akzeptanz ebenfalls verbessern.
Energiewende in urbanen Zentren
In einer Entschließung folgt der Bundesrat in leicht geänderter Fassung den Länderanträgen aus Berlin und Thüringen. Die Energiewende in urbanen Zentren soll durch den Ausbau von Photovoltaikanlagen flächenschonend umgesetzt werden. Mieterstromanlagen und Quartierkonzepte sollen wichtige Elemente der Energiewende werden. Dazu sollen im EEG entsprechende Vermerke aufgenommen werden. Die Begrenzung von Mieterprojekten auf 100kWp installierte Leistung pro Gebäude sei zu klein und führe zu einem verzögerten Ausbau. Daher soll auch die Deckelung des Ausbaupfades auf 500 MW Mieterstromprojekte fallen.
Afrikanische Schweinepest
Mit einem eindeutigen „Ja“ hat der Bundesrat den Änderungen des Bundesjagdgesetzes und dem Tiergesundheitsgesetzes zum Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP) zugestimmt. „Die reale Lage in Europa zeigt, dass die Afrikanische Schweinepest eine reale Bedrohung ist,“ sagte Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern. Belgien kann nach dem jüngsten Ausbruch kein Fleisch mehr in Drittstaaten exportieren [2]. Für Deutschland, das rund 30 Millionen Schweine selbst erzeugt und 30 Prozent davon exportiert, sei das eine Katastrophe. Es geht im Wesentlichen um die starke Beschränkung von Personen- und Kraftverkehr, um Einzäunungen und Verbot der Ernte in betroffenen Gebieten. Backhaus fordert aber auch mehr Forschungsgelder für die Entwicklung eines Impfstoffes.
Derweilist die Zahl der infizierten Wildschweine in Belgien auf 104 Tiere gestiegen und die Regierung hat ein Sperrgebiet von 63.000 Hektar ausgewiesen. In der Kernzone besteht, Betretungs- und Jagdverbot sowie ein Fütterungsverbot. Die Suche nach Wildschweinkadavern wurde intensiviert. Sie wurde allerdings vier Wochen nach dem ersten Fund auf 12.000 ha verkleinert. Die anschließende 29.000 ha große Pufferzone darf nur eingeschränkt betreten werden. Forstmitarbeiter dürfen rein. Hier ist auch ein Zaunbau geplant. Lediglich in der Zone drei sind Jagd und Bewirtschaftung möglich. Auch Wanderer dürfen hinein. Die Jagd allerdings bleibt verboten, damit die Wildschweine nicht in andere Regionen ausweichen.
Aktuell ist in den Herbstferien wieder Reisezeit. Aus diesem Grund hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner erneut auf die zahlreichen Informationsangebote für Landwirte und Reisende hingewiesen: „Sorg- und Aufmerksamkeit sind gefragt, von uns allen“ Bisher haben wir noch keinen Fall von Afrikanischer Schweinepest in Deutschalnd feststellen müssen, und wir tun alles dafür, das auch zu verhindern.“ Sie verweist auf die Webseite des Ministeriums: www.bmel.de/asp Das Virus ist für Wildschweine und Hausschweine tödlich, für den Menschen ungefährlich. In den Bunesländern steigen die Jagdstrecken auf Schwarzwild. Meckenlenburg-Vorpommern hat in diesem Jahr die Rekordzahl von mehr als 86.000 Stücken gezählt.
Rheinland-Pfalz hatte zusätzlich einen Länderantrag gestellt. Darin wurden Ausgleichsmaßnahmen für Gemeinden und Jäger vorgestellt, die im Rahmen der ASP-Vorsorge höhere Aufwendungen haben. Der Antrag fand keine Mehrheit.
Ferkelkastration
Endlich hat Landwirtschaftsminister Till Backhaus einen Antrag für den Bundesrat formuliert, der sich, wenn auch verklausuliert, für den 4. Weg der Ferkelkastration, der Lokalanästhesie einsetzt. Der Minister aus Mecklenburg-Vorpommern hatte das bereits vor einem Jahr angekündigt. Doch vor dem Hintergrund der Diskussion auf der Bundesebene [3] wurde der Antrag von der Tagesordnung kurzerhand abgesetzt.
Wolf
Der Wolf kommt in den Umwelt-Ausschuss des Bundesrates. Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt fordern ein bundesweit einheitliches Wolfsmanagement. 80 bis 90 Prozetn aller Wolfsrudel befinedn sich in den Ländern, die den Antrag gestellt haben, sagte Sachsens Agrarminister Thomas Schmidt. Seit 1996 der este Wolf auf einem Militärgelände gesichtet wurde, hat sich das Tier auf der Hälfte der Landesfläche ausgebreitet. Einen Tag nach einer erneuten Anhörung im Bundestag [4], hat ein Tier mehr als 40 Schafe auf umzäunter Weide gerissen. „Sie können sich vorstellen, wie es in der Region brodelt“, gibt Schmidt die Stimmung in der Bevölkerung wieder. „Es ist inzwischen laut genug“, ergänzt Umweltminister Olaf Lies aus Niedersachsen. Er wird deutlich, was hinter dem Begriff „Entnahme“ steht und spricht der Ehrlichkeit halber von Tötung einzelner Tiere. Der Herdenschutz könne kein Hochsicherheitsgebeit sein, aber auch die „wolfsfreie Zone“ sei ein schwieriges Wort. Am Ende brauche Deutschland einen Umgang mit dem Wolf, wenn sich der Bestand wie gewünscht sicher etabliert hat. Frankreich gehe einen Weg, der gesellschaftsfähig und damit ein Vorbild für Deutschland sei. 60 Rudel mit jeweils zehn Wölfen bei einer Reproduktionsrate von 30 Prozent bedeuten, dass pro Jahr 180 Tiere hinzukommen, rechnet Till Backhaus vor:. „Das müssen wir ernst nehmen.“ Sowohl die Umwelt- als auch die Agrarministerkonferenz seien sich bei der Eingrenzung einig. Die Sciherheit von Mensch und Weidehalter komme zuerst. Außerdem: „Die Bevölkerung will Tiere auf der Weide sehen.“
Demgegenüber ist der Bund etwas zurückhaltender. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesumweltministerium Rita Schwarzelühr-Sutter hat mit der Ausbreitung des Wolfes auch die Zunahme von „Wolfskritikern“ bemerkt. In den nächsten Wochen werden die Populationszahlen aus den Jahren 2017 und 2018 veröffentlicht, die wohl eine weitere Ausbreitung in Richtung Süden aufzeigen. Damit steigen Sorgen und Ängste bei den Mensche. „Das nehmen wir sehr ernst“, sagte sie. Dennoch sei der Wolf ein Gewinn für die Umwelt. „Beim Menschen gelte „safety first“, was mit Entnahme und Vergrämung erreicht werden könne. Bei den Schäfern fällt ihre Wortwahl defensiver aus, wenn sie auch bekennt: „Wir wollen die Weidewirtschaft erhalten.“ Auch weil, die Schäfer nicht zu den „Gutverdienenden“ gehören. Hier müsse der Herdenschutz verbessert werden. Aber: Man solle sich in der Diskussion nicht durch die Angst treiben lassen.
Schon vor der Sitzung hatte sich Brandenburgs Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger den Forderunen angeschlossen, die Entschädigungen bei der EU von 80 auf 100 Prozent zu erhöhen. Der Deutsche Jagdverband begrüßt die Anträge ebenfalls: „Ein nationales Konzept soll Interessenskonflikte ausgleichen. Der rasant steigenden Bestands erfordere eine Bestandsregulierung. In der Praxis biete das Bundesjagdgesetz die besten Voraussetzungen dafür. Der Deutsche Bauernverband sieht in den Anträgen einen längst überfälligen Schritt: „Wir müssen endlich anerkennen, dass eine uneingeschränkte Ausbreitung des Wolfes perspektivisch das Aus für die Weidehaltung von Schafen, Ziegen, Pferden und Rindern bedeutet“, so der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken.
Die Gegenstimme kommt vom BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger: „Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland stellt die Weidetierhaltung ohne Zweifel vor große Herausforderungen. Wir rufen den Bundesrat auf, den Abschuss von Wölfen als einzigen Lösungsweg zurückzuweisen und endlich die wirklichen Herausforderungen bundesweit anzugehen: Vorbeugender Schutz von Herden etwa durch Schutzzäune muss kostendeckend gefördert werden und Schäden durch verletzte oder getötete Weidetiere durch große Beutegreifer müssen ausreichend und zeitnah ausgeglichen werden. Die Koexistenz von Wolf und Weidewirtschaft ist machbar, wenn der politische Rahmen stimmt.“
GAP
Die Gemeinsame Agrarpolitik war umfangeich mit vielen Abstimmungen Thema im Bundesrat. Zum einen geht es um den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Kohäsionsfonds. Für beide sollen Indikatoren formuliert werden, mit denen eine einheitliche Leistungs- und Ergebniskontrolle möglich ist und die Fokussierung auf eine nachhaltige Stadtentwicklung gelegt wird. Der Bundesrat betont in seine Entschließung, dass der EFRE bereits nachhaltige Ziele und Ungleichgewichte zwischen den Regionen ausgleiche. Eine Fokussierung könnte konvergenzfördernde Mobilität im ländlichen Raum beschneiden. Kritisch steht der Bundesrat der Förderung von Großunternehmen gegenüber, da die EU überall die Stärkung der Kleinen und Mittleren Unternehmen propagiert.
Grundsätzlich folge die GAP einem notwendigen Paradigmenwechsel hin zu öffentlichem Geld für öffentliche Leistungen. Die Länderkammer kritisiert jedoch die unverhältnismäßigen Kürzungen vor allem in der zweiten Säule. Damit könne das geplante Eco-Scheme nicht umgesetzt werden. Klarheit müsse zudem über das neue Delivery Model und dem Umfang der Entbürokratisierung erfolgen.
Till Backhaus befindet sich in einem Zwiespalt. Er ist zwar mit den bisherigen Vorschlägen nicht zufrieden, doch verbleibe keine Zeit, noch vor der Europawahl etwas grundlegend Neues auszuarbeiten. „Aber wir müssen mit dem Weiterarbeiten, was jetzt vorliegt.“
Life
Hinter der Abkürzung LIFE steht das einzige EU-Förderprogramm, das ausschließlich auf Klima- und Umweltziele ausgerichtet ist. In einer Stellungnahme begrüßt die Länderkammer, das LIFE in der Förderperiode 2021 bis 2027 weiter geführt wird. Allerdings dürfe die Verwaltungsvereinfachung nicht dazu führen, dass nur nur delegierte Rechtsakte für die Umsetzung erlaubt seien. Der Vorschlag, die Mitgliedsländer bei der Entscheidung durch einen Expertenrat zu ersetzen lehnen die Länder ab und fordern eine Festlegung der Kofinanzierungssätze. Diese Stellungnahme geht direkt an die EU-Kommission.
Brexit
In den Europaausschuss ging das so genannte Brexit-Übergangsgesetz. Darin soll für den Übergangszeitraum Rechtsklarheit für das Bundesrecht hergestellt werden, wenn Großbritannien die EU verlässt. Zudem soll eine Regelung getroffen werden, die vor Ablauf des Übergangszeitraums die britische und deutsche Staatsbürgerschaft bei einem Antrag auf Einbürgerung nach Deutschland oder Großbritannien stellen.
Lesestoff:
[1] 1,5 Grad noch erreichbar: https://herd-und-hof.de/handel-/jedes-zehntel-grad-zaehlt.html
[2] Virus hat Deutschland übersprungen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/asp-in-belgien-schneller-als-gedacht.html
Kommission will keine ASP-Zäune: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/kommission-will-keine-asp-zaeune.html
[3] Lange Bank für die Ferkelkastration: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/alles-auf-anfang-bei-der-ferkelkastration.html
[4] Wolf und Herdenschutz https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wolf-und-herdenschutz.html
Roland Krieg