Nachlese Bundesrat
Landwirtschaft
Mobilfunk, Kameras, Tierkörperbeseitigung, Plastik und Klima
Der Bundesrat hatte am Freitag u.a. diese Themen beraten und abgestimmt.
Landwirtschaft
Kameras in Schlachthöfen
Was in Großbritannien seit dem letzten Jahr Pflicht ist, soll demnächst auch in deutschen Schlachthöfen eingebaut werden: CCTV-Anlagen, Kameras, die das Tierwohl im Schlachthaus beobachten [1]. Das will auch die Länderkammer. Zwar gebe es vielfältige Initiativen für den Tierschutz im Schlachtprozess, aber der Bundesrat hält Kameras für eine kontinuierliche Verbesserung als erforderlich. Damit soll das Ende der Akkordarbeit am Schlachtband und der Zeitdruck für die Arbeitnehmer eingeleitet werden. Für den Einsatz muss aber zunächst eine Rechtsgrundlage erarbeitet werden. Im Rahmen der Digitalisierung könne Künstliche Intelligenz die Auswertung der Bilder vornehmen. Die Rechte er Arbeitnehmer müsse gewahrt bleiben. Die Initiative kommt aus den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. „Eine freiwillige Vereinbarung in zwei Bundesländern reicht nicht aus“, ergänzte Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser aus NRW. „Der Bund muss jetzt einen klaren und einheitlichen Rechtsrahmen schaffen, damit bundesweit auf allen Schlachthöfen Transparenz für mehr Tierwohl geschaffen wird.“ Die Kameras sollen in besonders tierschutzrelevanten Bereichen des Schlachthofes installiert werden. Der Veterinär könne jederzeit über die Bilder auf seinem Smartphone eingreifen.
Tierschutz aus Befunden von VTN-Betrieben
Noch eine Entschließung, noch einmal aus Niedersachsen und wieder geht es um Tiere. Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast bezeichnet Kontrollen bei VTN-Betrieben als „Flaschenhals der Tierproduktion.“ In Verarbeitungsbetrieben Tierischer Nebenprodukte (VTN) werden Kadaver von Nutztierbetrieben angeliefert. Otte-Kinast will, wie die Mehrheit der Länder, Amtstierärzten ein Betretungsrecht geben, um die routinemäßigen Befunde an den Kadavern als Hinweis auf den Tierschutz in den anliefernden Betrieben nutzen. Das setzt die Rückverfolgbarkeit der Tierkörper voraus. Dann können fehlerhafte Nottötungen erkannt werden. Niedersachsen hat damit eine Empfehlung der Agrarministerkonferenz formuliert. Der Bund muss dafür eine Rechtsgrundlage schaffen und die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht prüfen oder gegebenenfalls einfordern. Aus den Befunden könne risikoorientiert die Betriebskontrolle verbessert werden.
Mobilfunk und Breitband
Bei der digitalen Grundversorgung gibt es in Deutschland eine große Diskrepanz zwischen Stadt und Land. Soll der ländliche Raum erhalten bleiben, dann sind Landwirtschaft und Handwerk, Versorgung und Haushalte auf eine starke Verbindung angewiesen. „Wir wollen uns nicht mit Mittelmaß zufrieden geben“, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie muss es wissen, denn das Flächenland Mecklenburg-Vorpommern hat mit der Landflucht stark zu kämpfen. Die Abdeckung bei den Haushalten reiche nicht. Weiße Flecken gibt es vor allem „zwischendrin“, wo die Menschen nicht wohnen. Alles, was die Kommunikationsunternehmen nicht abdecken wollen, müsse durch die öffentliche Hand finanziert werden. Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz (FDP) in Schleswig-Holstein sieht es genauso und beklagt, dass Deutschland bei der Digitalisierung „auf dem Stand von Angola“ steht. Es sei zwar „Schwung“ in der Gigabitförderung, aber desto mehr die Glasfaser in den ländlichen Raum gehen soll, desto höher werden die Tiefbaukosten. Buchholz forderte mit einem Länderantrag den Wegfall der 50-Prozent-Förderung, was die Länderkammer auch mit einer Mehrheit annahm. Mecklenburg-Vorpommern hatte am Freitag noch einen Antrag für einen Satz nachgeschoben: „Die Versorgung muss deshalb überall sichergestellt werden ohne weiße Flecken.“
Die Mehrheit ist dafür. Dennoch: Nordrhein-Westfalen hat einen „Mobilfunkpakt“ mit den Betreibern geschlossen. Die Erwartungen der Bevölkerung beim Mobilfunk seien dennoch zu hoch, schränkt Peter Biesenbach, Justizminister in Düsseldorf, ein. Einhundert Prozent flächendeckend kann der Ausbau nicht sein. Das sei weder technisch noch wirtschaftlich „realistisch“. Zusammen mit den Netzbetreibern müsse der Begriff „flächendeckend“ neu definiert werden. Das sagt auch Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium. Die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ arbeite daran. Der Ausbau sei besser als sein Ruf. Zudem müssen finanzschwache Kommunen ihren Anteil von zehn Prozent nicht bezahlen und können die Summe an die Länder übertragen. Seit 2016 werden 700 Ausbauprojekte für 320.000 km Glasfaser mit 4,2 Milliarden Euro gefördert.
Das einzige, was keine Mehrheit fand, war das nationale Roaming, das die Bundesnetzagentur allerdings bei der Ausgestaltung der Versorgungsauflagen für die Frequenzsteigerung auch nicht vorgeschrieben hat.
Das Verwaltungsgericht Köln hatte zur gleichen Zeit den Weg für die Frequenzversteigerung am Dienstag, den 19. März, freigegeben. „Die Internetversorgung auf Basis der Glasfaser- und 5G-Mobilfunktechnologie ist unabdingbare Voraussetzung für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land“, unterstrichen darauf hin der Deutsche Bauernverband (DBV), die Deutsche Industrie- und Handelskammer, der Deutsche Landkreistag und der Zentralverband des Deutschen Handwerks in einer gemeinsamen Mitteilung. Lücken seien aber nach wie vor in den nicht bewohnten Gebieten vorgesehen. Der Beirat der Bundesnetzagentur bis Mitte 2019 eingeforderte „Entwicklungspfad“ zum Netzausbau soll das ändern. Die Verbände erwarten, dass die Mobilfunkbetreiber auch die ihnen bereits zugeteilten Frequenzbänder in niedrigeren Frequenzbereichen unter einem Gigahertz für die 5G-Versorgung nutzen. Nicht alles wird in den nächsten Wochen versteigert. Für die nächste Versteigerung sollen „unrentable“ Gebiete im Wege einer Negativauktion vergeben werden, bevor es an die lukrativen Gebiete geht.
Mit Blick auf das Kölner Urteil forderte der stellvertretende Unionsvorsitzende Ulrich Lange: „Es ist gut, dass die Rahmenbedingungen in diesem Bereich nun geklärt sind und die Versteigerung beginnen kann. Alle weiteren noch offenen Fragen beim Mobilfunknetzausbau müssen wir jetzt in den kommenden Wochen bis zu Sommerpause unter anderem mit dem Mobilfunkkonzept zügig diskutieren und entscheiden. Funklöcher und ein Mobilfunkflickenteppich müssen zuverlässig verschwinden.“
Die Entschließung der Länderkammer wird dem Bundestag zugeteilt.
Handel
Mikroplastik verringern
„Klein, bunt und sehr langlebig.“ So bezeichnet Umweltministerin Anja Siegesmund aus Thüringen die Mikroplastik in Kosmetika. Es gibt zwar mehr als 51 Emissionsquellen. Die Kosmetikindustrie ist eine davon. Nach Umweltsenator Jens Kerstan aus Hamburg verwenden die Firmen jährlich 922 Tonnen, „die niemand braucht und ersetzt werden können.“ Wenn das Problem nicht in den Griff zu bekommen ist, müssten Hunderte Millionen Euro in die Nachrüstung von Kläranlagen investiert werden. Der Länderantrag aus Hamburg. Thüringen und Berlin sieht eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller vor, bis 2020 auf den Einsatz zu verzichten. Sollte das nicht der Fall sein, solle sich die Bundesregierung für ein EU-weites Verbot einsetzen. Das werde ein langwieriger Prozess, ergänzte Kerstan, aber Schweden gilt hier als Vorbild, dem Deutschland folgen könne. Der Antrag wurde der Bundesregierung zugeleitet.
Klimaschutz
Der Klimaschutzbericht 2018 fand eine Mehrheit im Bundesrat. Begrüßt wurde das Ziel, die Minderungsvorgaben der Treibhausgase bis 2020 zu erreichen, bedauert aber, dass es das die Minderung nicht erreicht wird. Keine Mehrheit fand der Zusatz, ein gesetzliches Verfahren zu verankern, nach dem „erkennbare Zielverfehlungen rechtzeitig zu korrigieren“ sind. Das absehbare Hin und Her hatte am Tag zuvor zur Gründung eines „Klimakabinetts“ im Koalitionsausschuss geführt. Dabei geht es schon gar nicht mehr um die Klimaziele 2020, sondern um die für das Jahr 2030. In der Runde sollen alle Minister zusammensitzen, die mit dem Thema Klimaschutz befasst sind, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert unscharf. Vorsitzende des Kabinettsformates wird die Bundeskanzlerin sein. Die Sprecherin des Bundesumweltministeriums widersprach sogleich, dass es sich dabei um eine Entmachtung des Ministeriums gehe, sondern eher als Stärkung angesehen wird. Svenja Schulze habe das Klimakabinett in den sozialen Medien ausdrücklich begrüßt. Schwerpunkt wird die „Konzertierte Aktion Mobilität“ sein, die auch in der Stellungnahme des Bundesrates eine Rolle spielt. Regelmäßige Spitzengespräche sollen “tiefgreifende Veränderungen der Automobilindustrie in den Blick“ nehmen, erklärte Seibert. Das Klimakabinett soll nach seinen Worten die Automobilindustrie dennoch stark halten.
Weniger positiv sieht Lukas Köhler von der FDP das neue Kabinett. „Das Klimakabinett ist der nächste durchschaubare Versuch der Bundesregierung, beim Klimaschutz Aktivität vorzutäuschen und auf Zeit zu spielen. Schon jetzt ist klar, dass Bundesumweltministerin Schulze jeden Wirtschaftsbereich bis ins Detail durchregulieren will, während ihre Kollegen aus der Union permanent ihre Plan- und Lustlosigkeit beim Klimaschutz zur Schau stellen“, warnt der klimapolitische Sprecher der liberalen Partei. Die FDP plädiert für einen CO2-Preis, nach dem „Treibhausgase dort eingespart werden, wo es sich am meisten lohnt.“
Die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, Dr. Simone Peter, begrüßt die Einigung, mit der das Klimakabinett noch in diesem Jahr eine rechtliche Regelung für 2030 umsetzen will. Gerade in den Sektoren Gebäude und Mobilität seien noch keine Fortschritte erzielt worden. Sie baut auf das Klimapapier von Schulze, das konkrete Maßnahmen in allen Ressorts festlegen will.
Katharina Reiche sieht das als Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) genauso: „Wir erwarten, dass sich das Gremium zügig des vereinbarten Kompromisses der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ annimmt und die notwendigen Voraussetzungen für den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 schafft: Dazu gehört unter anderem der Stromnetzaus- und Umbau, vor allem auf Verteilnetzebene, die Fortführung der Kraft-Wärme- und Fernwärmeförderung, eine umfassende Reform aller Abgaben, Umlagen und Steuern sowie Instrumente, die eine flexibel abrufbare, gesicherte Leistung anreizen.“
Lesestoff:
[1] Schlachthofkameras: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/schlachtkamera-gesetz-im-britischen-parlament.html
roRo, VLE