Nachlese Bundesrat
Landwirtschaft
Nachlese Bundesrat
LANDWIRTSCHAFT
Finanzhilfen für Tierhaltungsbetriebe
Nur Formsachse war am Freitag die Anpassung der Tiersonderbeihilfeverodnung. Die EU hat Deutschland 69,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, Liquiditätsengpässe auszugleichen. Da der Bund die rechtliche Umsetzung in einer Eilverordnung durchgeführt hat, entfiel die eigentliche Zustimmung des Bundesrates. Das ist erlaubt, begrenzt aber die Gültigkeit der Verordnung auf sechs Monate. Diese Frist endet am 19. Mai. Die Gelder können aber bis zum 30. Juni abgerufen werden. Zur Schließung dieser zeitlichen Lücke brauchte es die Zustimmung des Bundesrates: Formsache erledigt.
Ganzjährige Anbindehaltung
Weniger Formsache ist der Antrag Hessens, die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern über eine Entschließung für den Bundestag zu verbieten.
Milchkühe werden in Deutschland noch mindestens in den traditionellen Grünlandgebieten mehrheitlich im Sommer zum Weidegang „entlassen“. In einigen Regionen wurde ihnen dieser Freilauf verwehrt, weil die Flächen knapp werden und die Distanz zwischen Stall und möglichen Flächen zu groß ist. „Weidemilch“ ist ein neues Werbeversprechen geworden, bei der jedoch niemand weiß, wie oft und wie lange der Weidegang durchzuführen ist. Im Schatten dieser Diskussion wird auch der Blick auf die ganzjährige Stallhaltung geworfen.
Diese gibt es vor allem im Süden Deutschlands. Betriebe, die in engen Ortslage Milch produzieren und die Tiere „schon immer“ ganzjährig im Stall gehalten haben. Der Antrag des Landes Hessen sieht in dieser speziellen Form kein tiergerechtes Haltungssystem im Sinne des § 2 Tierschutzgesetz. Die Rinder haben keine Möglichkeit zur Fortbewegung, haben Probleme mit der Körperpflege und Thermoregulation und die Gruppenbildung der Herdentiere ist eingeschränkt. Gerichtsurteile aus Niedersachsen unterstreichen diese Ansichten. Selbst der Europarat hat empfohlen, Tiere so oft wie möglich im Freien zu halten. Wird die ganzjährige Anbindehaltung verboten sind vor allem kleine Betriebe betroffen, die entweder kaum finanzielle Möglichkeiten für einen Stallumbau haben, oder denen schlichtweg, innerhalb einer Ortschaft, der Platz für einen Umbau fehlt. Aus diesem Grunde schlägt Hessen eine Übergangsfrist von 12 Jahren vor. Nach Empfehlung des Agrarausschusses wurde die Entschließung zur Unterbindung der Anbindehaltung gefasst. Verbraucherschutzminister Helmuth Markov in Brandenburg hat zur Abstimmung folgende Protokollerklärung abgegeben: „Das Land Brandenburg unterstützt einen Ausstieg aus der Anbindehaltung von Rindern. Die im Antrag vorgeschlagene Übergangsfrist von 12 Jahren ist jedoch abzulehnen. Vielmehr wird der Ausstieg aus der Anbindehaltung in einem wesentlich kürzeren Zeitraum als wirtschaftlich möglich und tierschutzrechtlich dringend notwendig erachtet.“
Auch für den Deutschen Tierschutzbund ist die Übergangsfrist zu lang. Sollte die Übergangsfrist erst 2028 enden, sollten „Mindestvorgaben für bestehende Anbindeställe formuliert werden.“ Der Tierschutzbund hätte das Verbot gerne auch auf die saisonale Anbindehaltung ausgedehnt, bei der die Tiere nur in den Sommermonaten auf dem Grünland stehen.
Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz
Im Vordergrund dieses Gesetzentwurfes stehen im Rahmen der EU-Gesetzgebung hygienische Vorschriften für tierische Nebenprodukte, die nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen sind. Die Ländermehrheit hat alle fünf fachspezifischen Fragen zum Gesetzentwurf gebilligt.
Darunter zählt, dass Pferde, die für die Verbrennung bestimmt sind, vor Abholung vor Witterungseinflüssen geschützt werden müssen. Zudem soll beseitigungspflichtiges Material so aufbewahrt werden, dass weder Menschen unbefugt noch Tiere mit ihm in Berührung kommen. Als beseitigungspflichtig deklariertes Wild, das auch nicht unbedingt krankheitsverdächtig sein müsse, muss „auf jeden Fall der Melde-, Überlassungs- und damit der Beseitigungspflicht unterliegen“. Parallel dazu wurde die Verantwortlichkeit für Überwachungsprogramm und -pläne bezüglich tierischer Nebenprodukte beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erweitert.
Tierseuchenverordnung
Im Rahmen der fünften Veränderung der Tierseuchenverordnung sollen verschiedene Vorschriften der Praxis angeglichen werden.
Der Agrarausschuss des Bundesrates sieht allerdings in der Änderung der Viehverkehrsverordnung erheblichen Beratungsbedarf. Wegen der Dringlichkeit zur Blauzungenbekämpfung sei eine Vertagung allerdings nicht in Betracht gekommen. Unzufrieden sind die Parlamentarier auch mit der Änderung der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung, da sie mehr Kontroll- und Dokumentationsvorgaben als ihre Vorgängerin enthält. Werde sie aber nicht an die EU-Verordnung angepasst, bestehe das Risiko eines Rechtsverstoßes mit Sanktionen gegen die Bundesrepublik. Den Verordnungen wurde zugestimmt aber auch gleichzeitig eine Entschließung gefasst.
ERNÄHRUNG
Eierkennzeichnung in verarbeiteten Lebensmitteln
Mittlerweile kennt fast jeder Verbraucher die Kennzeichnung 0, 1, 2 und 3. Ein Ei mit der Null steht für ein Bioei, die eins für ein Ei aus der Freilandhaltung, die zwei für die Bodenhaltung und die drei für die noch zugelassene Großkäfig- und Volierenhaltung. Eier werden jedoch auch für Lebensmittel verarbeitet, ohne dass die Herkunft der Eier gekennzeichnet werden muss. Das wollen NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz ändern. Nicht nur national, sondern am Ende auch europaweit. Nach Empfehlung des Agrarausschuss wurde die Entschließung gefasst.
Rund 40 Prozent der in Deutschland produzierten Eier landen nach Angaben des Deutschen Tierschutzbunds in verarbeiteten Produkten und sind nicht kennzeichnungspflichtig. Nach Blick auf das Kaufverhalten bei Kennzeichnung loser Eier fordert Präsident Thomas Schröder: „Der Verbraucher hat bereits gezeigt, dass er keine Käfigeier wünscht, auch nicht versteckt. Selbst der Bundesverband Deutsches Ei hat sich gemeinsam mit uns an den Bundesminister gewandt und sich für solch eine Kennzeichnung ausgesprochen.“
ENERGIETHEMEN
Rettet die Bürgerenergie
Die neuen Energien stehen vor einem Paradigmenwechsel. Die feste Einspeisevergütung wird durch ein Ausschreibungsmodell ersetzt. Dabei droht ein Grundgedanke der Energiewende verloren zu gehen. Bürger können dezentral vor Ort, „ihre“ Energien selbst erzeugen, werden Energieerzeuger und Energiehändler. Dieses Element hebt nicht nur die Oligarchie der existierenden deutschen Energieversorgungslandschaft auf, sondern fördert die Akzeptanz lokaler Energiequellen. Sei es bei einer Biogasanlage, einem Windrad oder einem Solarfeld. Das Bundeswirtschaftsministerium berücksichtigt beim neuen Ausschreibungsmodell diese Form der Energieerzeugung durch Sonderregelungen. Aber für die Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein nicht genug. Die Länder stehen zum Ausschreibungsmodell, unterstreicht Staatssekretär Franz-Josef Pschierer aus dem bayerischen Energieministerium. Der Ausbau der neuen Energien solle aber auch „qualitativ“ stattfinden. „Wir haben deshalb ein großes Interesse an Bürgerenergieprojekten.“ Sie seien das „Gesicht der Energiewende“
Die neuen Energien werden nach Umweltminister Robert Habeck aus Schleswig-Holstein zur Hälfte von Bürgergenossenschaften oder Bürgerinitiativen getragen. Die großen Energieversorgungsunternehmen tragen nur einen Anteil von 12 Prozent. Der Antrag greife nicht in die derzeit umstrittenen Nord-Süd-, Quotenfragen und Ausbaukorridore ein. Die Länder wollen die Bürgerenergie grundsätzlich berücksichtigt wissen.
So soll der räumliche Bezugspunkt für die „Bürgerenergie“ nicht mehr an einer Landkreisgrenze enden, sondern auch landkreisübergreifend möglich sein. „Umkreis statt Landkreis“, forderte Habeck. Ebenso sollten Kommunen im Kreis der „Bürgerenergie“ stärker berücksichtigt werden. Das BMWi will vor allem das Zuschlagsrisiko mindern, um den Bürgerenergieprojekten eine faire Chance in der Ausschreibung zu geben. Erhalten kleine Akteure später keinen Zuschlag, bleiben sie auf den Kosten für die Vorentwicklung sitzen. Die Bundesregierung will mit speziellen Beratungsangeboten dieses Risiko mindern. Allerdings, so die Länder, würde „das Preis- und Pönalenverwirkungsrisiko“ nicht angemessen berücksichtigt. Die Länder wollen stattdessen eine Beteiligung der Bürgerenergiebieter an den Ausschreibungsrunden ohne Angabe eines Gebotspreises. Sie erhalten dennoch die Garantie eines Zuschlages. Sie werden quasi als Letzte gefragt, ob sie das Angebot eines Industrieakteurs mindestens einhalten können und bekämen dann die Order. Zudem sollen für alle Formen der neuen Energien die Modelle der Akteursvielfalt Anwendung finden.
Uwe Beckmeyer, SPD-Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium, hält von den Vorschlägen nicht viel. Das EEG 16 sei bereits eine Verbesserung aller EEG-Vorgänger und zeichne sich mit sinkenden Förderkosten in den Pilotausschreibungen aus. Die Ausbaukorridore sollten auch dergestalt eingehalten werden, dass sie nicht unterschritten werden. „Eine Energiewende ohne Bürgerenergie“ hält auch Beckmeyer für unmöglich, aber die eingerichteten Bagatellgrenzen seien ausreichend. Bis ein MW sind kleine Anlagen von einer Ausschreibung frei gestellt, was im Solarbereich die meisten privaten und Anlagen bei Landwirten umfasse. Auch landgestützte Windanlagen fallen darunter. Die Übertragung auf große Windanlagen an Land ist wegen hoher Kosten, und bei Wind auf See, wo Bürgerenergie gar nicht in Erscheinung trete, nicht sinnvoll. Das BMWi lehne auch das Umkreismodell ab. Die Bundesnetzagentur und auch die Projekte selbst müssen belegen, dass mindestens die Hälfte der Gesellschafter aus dem Landkreis komme, um einen Missbrauch zu unterbinden. Würde das Modell auf einen Umkreis umgestellt, müsste die Bundesnetzagentur um jede Anlage einen extra Radius legen und diesen überwachen. Das erhöhe die Administrationskosten.
Da bereits ein erweiterter Gesetzentwurf aktuell an Länder und Verbände gesandt wurde, beantragte Pschierer eine „sofortige Sachentscheidung“, also ohne Umweg über die Ausschüsse. Dem stimmte die Mehrheit der Länder genauso zu, wie der gesamten Entschließung.
Wärme- und Kälteerzeugung
Die EU verfolgt eine eigene Strategie zur Kälte- und Wärmeerzeugung. Verschiedene Ansätze sollen diesen Energiebereich beschleunigen. Ziel ist die Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid durch Renovierung des Gebäudebestandes, die Automatisierung der flexiblen Stromversorgung und die Nutzung von Abwärme und Abkälte. Einen hohen Einsparbereich sieht die EU in der Gebäudesanierung, weswegen sie die Mitgliedsstaaten zu Anreizen für Sanierung und Bündelung von Einzelprojekten auffordert. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme nach Empfehlung des Umweltausschusses die Aufnahme des Effizienzgedankens eingefordert, der in der Strategie stärker berücksichtigt werden müsse.
Roland Krieg