Nachschub für die Weihnachtsbäckerei

Landwirtschaft

Rübenzucker hat die Welt verändert

Der Zuckerhandel hat eines der traurigsten Kapitel der Menschheitsgeschichte geschrieben. Bei einem Überfall auf eine Kamelkarawane um 1100 haben Kreuzritter als erste abendländische Menschen Zucker gesehen, den die Araber aus Zuckerrohr zu sieden gelernt hatten. 400 Jahre lang lag das Handelsmonopol für Importzucker bei Venedig. Die Portugiesen haben die Rohrstecklinge auf den Azoren und Madeira gepflanzt. Kolumbus nahm das Rohr mit nach Hispaniola, heute die Dominikanische Republik und Haiti. Europa importierte bald Rohzucker aus Brasilien und den USA, wo das Zuckerrohr von afrikanischen Sklaven in Plantagen gepflanzt und geerntet wurde.
Erst die Kontinentalsperre Napoleons gegen englische Waren unterband die Einfuhr des Kolonialzuckers ab 1806, der bei den Reichen schon in Form des Zuckerhutes auf allen Tischen stand. Das war die Chance für die Entdeckung des Berliner Chemikers Andreas Sigismund Marggraf, das auch die Runkelrübe Zucker enthält. Es dauerte aber noch 50 Jahre bis Franz Carl Achard, ein Schüler Marggrafs, Friedrich Wilhelm III vorrechnete, dass heimischer Rübenzucker preiswerter sei als importierter Kolonialzucker. Auf Gut Cunern in Schlesien wurde daraufhin im Jahr 1802 die erste Rübenkampagen durchgeführt. Nach Fall der Kontinentalsperre hatte der Rübenzucker zunächst keine Chance gegen den preiswerten Rohrzucker. Erst in den 1830er Jahren entstanden in Europa zahlreiche Zuckerfabriken, die der Rübe endgültig den Sieg über das Zuckerrohr bescherte.

Zucker auf dem Weihnachtsteller…

Heute ist Zucker im Alltag überall vorhanden, aber vom Image her noch immer überwiegend mit den süßen Leckereien zur Weihnachtszeit verbunden. Bis kurz vor Weihnachten sind die Rübenroder auf den Feldern unterwegs und die Rübenbauern fahren die Knollen mit Lkw oder zwei Anhängern hinter dem Traktor zur Zuckerfabrik. Die Rübe hat sich seit der Entdeckung ihres süßen Inhalts erheblich verändert. Moderne Rüben enthalten heute bis zu 20 Prozent Zucker.

… auch ein Erfolg der Pflanzenzüchtung

Die „alten“ Rüben hatten einen nur geringen Zuckerertrag von etwa fünf Prozent. „Ein weiterer Meilenstein in der Zuckerrübenzüchtung war die Entwicklung von Rüben mit genetisch monogermen (einkeimigen) Samen. Die erste deutsche monogerme Hybridsorte kam 1966 auf den Markt. Infolgedessen können die Samen einzeln und damit maschinell gesät werden. Auch das Vereinzeln der Rübenpflänzchen fällt weg“, erklärt Dr. Carl-Stephan Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP). Der Arbeitsaufwand ist von 600 auf 20 Stunden je Hektar zurückgegangen.
Standen früher vor allem Ertrag und Zuckergehalt im Vordergrund züchterischer Bemühungen, so sind heute die Verminderung unerwünschter Inhaltsstoffe, eine hohe Zuckerausbeute und verbesserte Resistenzen gegen Krankheiten wichtige Zuchtziele. So konnten zwischen 1983 und 2001 Rüben gezüchtet werden, die gegen drei bedeutende Krankheiten tolerant sind:
Rizomania ist eine Viruserkrankung, die durch einen Bodenpilz hervorgerufen wird. Den Namen hat die Krankheit durch den von ihr hervorgerufenen dichten Wurzelbart erhalten, der die Rübe im unteren Bereich auch regelrecht einschnürt. Ertrag und Zuckergehalt gehen zurück.
Als tierischer Schädling ist die Rübenzystennematode von ökonomischer Bedeutung. Die Fadenwürmer parasitieren. Die Rübe beginnt, vermehrt Seitenwurzeln zu bilden und die Pflanzen welken nesterweise.
Rhizoctonia solani ist ein bodenbürtiger Pilz, der nicht nur die Zuckerrübe befällt. Faulstellen des Rübenköpers enden mit einem sternförmigen Abwerfen der Blätter einzelner Pflanzen. Die Rübe schrumpft und mumifiziert.

Hybride mit dem „Plus“ an Ertrag

„Die Zuckerrübenzüchter setzen auf die Hybridzüchtung. Das Prinzip der Hybridzüchtung beruht darauf, dass geeignete, in zeitaufwändigen Verfahren gezüchtete Zuckerrübenpflanzen einmalig miteinander gekreuzt werden“, so Schäfer weiter. Die Nachkommen zeigen gegenüber der Elterngeneration ein üppigeres Wachstum und einen höheren Ertrag. Dieser Effekt wird in der Fachsprache als Heterosis bezeichnet. „Ob im Gewächshaus, Labor oder Freiland: die Züchter kombinieren durch Kreuzungen die Eigenschaften von Pflanzen, um eine neue, verbesserte Sorte zu schaffen. Dabei ist die Biologie der Zuckerrübe ganz besonders: die Zuckerrübe ist eine zweijährige Pflanze, das heißt, sie bildet im ersten Jahr die Wurzel als Speicherorgan und Ernteprodukt. Erst im zweiten Jahr beginnt die Zuckerrübe mit der Bildung der Blütenstände und der für die Züchtung so wichtigen Samen.“

Ertragsentwicklung

Erste Proberodungen im Rheinland im Juli zeigten einen durchschnittlich Ertrag von 55 Tonnen Rüben je Hektar. Der durchschnittliche Zuckerertrag lag nach Angaben des Landwirtschaftlichen Informationsdienstes Zuckerrübe bei neun Tonnen. Die Südzucker AG hat im August einen Durchschnittsertrag von 62,5 Tonnen Rüben und 9,7 Tonnen Zucker je Hektar erzielt. Die letzten Proberodungen der Rheinischen Rübenbauern im Oktober waren noch erfreulicher: Die Einzelrübe wog 955 Gramm, es wurden 91 Tonnen je Hektar erzielt und ein rechnerischer Zuckerertrag von mehr al 17 Tonnen ermittelt. Damit liegt der Ernteerfolg über dem Fünfjahresmittel.

Mehr als Zucker

Die Zuckerrübe liefert nicht nur Zucker. Bei der Zuckerherstellung fallen Nebenprodukte wie Melasse an, die als Futtermittel verwendet wird. Auch für Arzneimittel in der Human- und Tiermedizin, für chemische und synthetische Stoffe, wie thermoplastische Kunststoffe, wird der Zucker aus der Zuckerrübe verwendet. In der Futtermittelindustrie findet die Zuckerrübe für Zitronen- und Aminosäuren und als Fermentationsprodukte zur Hefeproduktion ebenso Absatz wie als Rohstoff für die Ethanolproduktion.

Lesestoff:

Zukunft der „Energierüben“

Berlin hat ein einzigartiges Zucker-Museum. Das zieht allerdings gerade um. Ende 2014 wird es im Deutschen Technikmuseum in Kreuzberg mit einer modernisierten Ausstellung wieder eröffnen. Einen Reiter auf der Museumsseite hat es schon: www.sdtb.de

Roland Krieg / BDP; Grafik: BDP

Zurück