Nationales Hochwasserschutzprogramm

Landwirtschaft

Hochwasserschutz beginnt im Kopf

Acht Milliarden Euro stellt die Bundesregierung für die Schadensvergütung der Flut im Sommer 2013 zur Verfügung. Einen vergleichbaren Betrag hat die Flut 2002 gekostet. Der BUND-Umweltverband rechnet schon das Oderhochwasser im Jahr 1997 dazu und kommt auf die gewaltige Summe von 25 Milliarden Euro, die Hochwasser in Deutschland bereits gekostet hat. Das Hochwasserschutz neue Maßnahmen braucht hat sich gedanklich verbreitet. Die Wassermassen an Donau und Elbe im Sommer 2013 [1] haben den Umdenkprozess beschleunigt und zur Sonderkonferenz der Umweltminister in Berlin geführt. Am Montag haben Ulrike Höfken, Lucia Puttrich und der Vorsitzende Jürgen Reinholz, Agrarminister aus den Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen mit Bundesumweltminister Peter Altmaier über das Nationale Hochwasserschutzprogramm beraten. Konkretes gibt es erst im Herbst 2014, wenn die Bund-Länder-Arbeitsgruppe (LAWA) zusammen mit den Flussgebietsgemeinschaften Maßnahmen und Kosten ausgearbeitet haben. Aber die Konferenz hat gezeigt, dass alle Länder und der Bund gemeinsam mit den europäischen Nachbarn den Hochwasserschutz auf neue Füße stellen wollen.
Es wird nicht mehr toleriert, dass ein Oberlieger mit hohen Flussmauern das Wasser schnell an den Unterlieger abführt, der dann im Hochwasserscheitel absäuft. Ob dafür 200 Millionen Euro zusätzlich in die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz fließen werden – das ist offen. Reinholz betonte, dass erst die Maßnahmen formuliert werden müssen, bevor es um die Berechnung geht.
Der Bund wird sich stärker engagieren. Rheinland-Pfalz beispielsweise stellt rund 500 Millionen Euro für den Hochwasserschutz zur Verfügung. Lediglich 20 Millionen kommen vom Bund. Er wird sich nicht um die kleinen Nebenflüsse kümmern. Die Bundesregierung wird in die Pflicht genommen, sich stärker an den überregionalen Aufgaben zu beteiligen. Das bedeutet, nach dem Bau des Deiches auch Beteiligung an der Pflege. Offenbar wurde um das Finanzierungsmodell 60:40 gerungen. Durchgesetzt hat sich die Formel 70:30, wie es im GAK auch bereits verankert ist.

Konkret liegen vor:

Landwirtschaftliche Flächen sollen in Abstimmung mit den Agrarbetrieben künftig stärker zur Retention und als Flutpolder genutzt werden. Altmaier kündigte an, er werde sich, sofern er im Oktober noch das Umweltministerium vertritt, die Bauern an einen runden Tisch holen. Auch Lucia Puttrich unterstrich, dass vor Ort die Konflikte mit Anwohnern, Kommunen und Landwirten ausgeräumt werden müssen.

Zukünftige Konzepte sollen den prognostizierten Klimawandel berücksichtigen.

Die Zusammenarbeit mit den benachbarten Flussanrainern soll verstärkt werden.

Die Information und Beratung zur Notwendigkeit der Eigenversorgung von Privathaushalten, Unternehmen und Kommunen wird ausgeweitet.

Die LAWA wird zur Verbesserung der finanziellen Vorsorge der Betroffenen Vorschläge für eine größere Verbreitung der Elementarschadensversicherung zum Hochwasserschutz erarbeiten.

Die LAWA wird Empfehlungen für die Optimierung von Genehmigungsverfahren für Hochwasserschutz-Projekte erarbeiten. Vielen Menschen sei das Planungsverfahren zu lang, unterstrich Lucia Puttrich. Bayern und Sachsen haben bereits Anträge in den Bundesrat eingebracht.

Der richtige Hochwasserschutz

Während der NABU kürzlich für einen ganzheitlichen Hochwasserschutz demonstrierte [2], betonen Wissenschaftler und Hydrologen von deutschen Universitäten, dass „jedes Hochwasser ein Unikat ist“. Das Hochwasser 2013 resultierte aus extremen Regenmengen mit bis zu 200 mm innerhalb von drei Tagen, die auf extrem feuchte Flächen fielen. Auf technischem Hochwasserschutz, wie Deichbau und Deicherhöhung werde Deutschland nicht verzichten können, heißt es in einer gemeinsamen Resolution. Die Sonder-Umweltministerkonferenz hat gezeigt, dass die Politik die Forderung nach länderübergreifenden Hochwasserschutzkonzepten verstanden hat. Ob am Ende auch Verbote für den Ackerbau in Überschwemmungsgebieten, eine wirkliche Reduzierung der Flächenversiegelung und ein umfangreiches Bodenschutzgesetz, wie der BUND zur Konferenz forderte, stehen werden, bleibt abzuwarten.

Was zeichnet sich schon ab?

Ober- und Unterlieger sind sich auf Konferenz näher gekommen. „Notwendige Maßnahmen werden nicht an fehlenden Finanzmitteln scheitern“, versprach Altmaier und die GAK scheint als Mittel für Finanzierung und Maßnahmen avisiert zu sein. Die Bundesregierung wird sich stärker im Hochwasserschutz engagieren.

Reaktionen

Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack bezeichnete den Beschluss als „notwendigen Schritt“. „Wenn wir die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre kritisch auswerten, ist das die richtige Konsequenz.“ Genutzt werden sollten auch die EU-Fördermöglichkeiten für die Umsetzung des Nationalen Hochwasserschutzplans. Für Brandenburg will Tack prüfen, ob in der neuen Förderperiode bis 2020 der Hochwasserschutz in den operationellen Programmen berücksichtigt ist.

Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern erneuerte die Forderung nach 200 Millionen Euro für den Hochwasserschutz in der GAK und unterstreicht das Ergebnis, dass der Bund 70 Prozent der überregionalen Programme tragen muss.

Johannes Remmel, Umweltminister in Nordrhein-Westfalen forderte zusätzlich ein Verbot für das Bauen in Überschwemmungsgebieten: „Alle gesetzlich geregelten Ausnahmen sollten gestrichen werden.“ Konkret geht es um den Paragraphen 78 des Wasserhaushaltsgesetzes. Unter der Prämisse, dass neue Baugebiete mit Schutzanlagen versehen sind, dürfe auch in Überschwemmungsgebieten gebaut werden. Das verringert nach Remmel aber die Retentionsfläche und erhöht die Schadenssumme. Remmel will nicht zweimal öffentliche Gelder ausgeben: Für die Schutzmaßnahmen und für die Schäden.

Lesestoff:

[1] Schadensbereisung im Elbe-Saale-Winkel

[2] NABU fordert ganzheitlichesHochwasserschutzkonzept

Roland Krieg

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