Natur- und Wirtschaftsgut Streuobst

Landwirtschaft

Liköre und Dörrobst von Streuobstwiesen

Ulrich Schroefel vom Landratsamt Reutlingen teilte in der Länderhalle 20 kräftig aus. Apfelsaft, Dörrobst, Gebäck, Liköre und Branntweine. Allen Produkten ist gemein, dass sie aus einer der beliebtesten Kulturlandschaft der Deutschen stammen: der Streuobstwiese. Die Realität der verstreut auf Grünland wachsenden Obstbäume sieht allerdings weniger rosig aus, weswegen Baden-Württemberg eine Streuobstsympathiekampagne gestartet hat und auf der Internationalen Grünen Woche Siegerfotos prämierte, die das Image der Streuobstwiese am besten widergeben.

Streuobstland

Die hälfte der deutschen Streuobstweisen befinden sich in Baden-Württemberg. Rund 100.000 Hektar sind es landesweit im Landkreis Reutlingen, dem Streuobstland sind es etwa 34.000 Hektar.
Im Gegensatz zum erwerbsbau, der mit arbeitsfreundlichen kleinen Bäumen hohe Erträge auf kleinem Raum erzielt, muss das Obst vom allein stehenden Baum noch per Leiter gepflückt werden. Damit fangen die Probleme aber erst an. Ein Besitzer hat nur wenige Bäume auf 100 Quadratmeter. Davon vielleicht nur zwei Bäume mit dem Reutlinger Streifling, einer Lokalsorte aus dem 19. Jahrhundert, die beispielsweise in den Zollernalbkreis im Tausch gegen Bauholz gelangt sind. Die beiden nächsten Bäume stehen erst ein paar Kilometer weiter. Wer also sortenreinen Apfelsaft aus dem Reutlinger Streifling herstellen will, der hat eine erhebliche Logistik zu bewältigen.
Die kleinen Parzellen mit nur wenigen Bäumen ziehen aber auch andere Problem mit sich: Oft werden sie vernachlässigt, weil die Bestandspflege so aufwändig ist. Den Beleg dafür hat die Bestandsanalyse des Landes gebracht, die im letzten Jahr veröffentlicht wurde. Fast 25.000 der rund 10 Millionen Obstbäume wurden unter die Lupe genommen. Der Anteil an alten Bäumen, die gefällt werden ist nur wenig kleiner als die anzahl der jungen nachgepflanzten Bäume. Zur Lebensdauer der Obstbäume allerdings trägt der Schnittzustand erheblich bei. Und der lässt zu wünschen übrig. 48 Prozent der untersuchten Bäume weisen überhaupt keinen Baumschnitt auf und 32 Prozent werden unregelmäßig geschnitten.

Imagekampagne

Dabei bieten die Streuobstwiesen alles, was sich Verbraucher von einer funktionalen Landschaft wünschen: Sie beleben nicht nur das Landschaftbild, Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Rudolf Köberle beschreibt, dass kaum ein Bild seines Ländle ohne Streuobst auskomme, die Streuobstwiesen beherbergen rund 3.000 alte Sorten die im Erwerbsgartenbau keine Chance haben. Damit verbunden weisen die bunten Wiesen mit 5.000 Arten die höchste Vielfalt auf und die Weiterverarbeitung basiert auf traditionelle Handwerkskunst.
Von Deutschlandweit 28.000 Schnapsbrennern befinden sich 23.000 im Baden-Württemberg, so Minister Köberle.
Daher ist es eine Erleichterung, dass das Branntweinmonopol noch einmal bis 2017 von der EU verlängert wurde. Es gibt bereits Gespräche, die kleinen Obstbrenner aufzufangen, wenn der Produktionsschutz fällt. Über Ergebnisse wollte Minister Köberle noch nicht berichten. Ohne eine eigene Streuobstförderung will Baden-Württemberg aber die Streuobstwiesen im landeseigenen Umweltprogramm MEKA etablieren. Das ist der Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich. Dann müssen die Streuobstwiesen auf eigene Füße stehen.
Das so genannte „greening“ der Agrarreform solle zwar der ersten Säule keine zusätzlichen Aufgaben überhelfen, aber, so Rudolf Köberle zu Herd-und-Hof.de, innerhalb der zweiten Säule und mit Hilfe von MEKA soll die Wertschöpfungskette Streuobst erhalten bleiben.
Wer verwilderte Streuobstwiesen wieder herstellt, der kann sich auf dem neu eingeführten Ökopunktekonto, die Streuobstpflege als Kompensationsmaßnahme eintragen lassen. Für eine Erhaltungspflege gilt das nicht.

Vermarktung

Im Bereich der Vermarktung höhlt der stetige Tropfen den Stein. Neben der Vielzahl kleinster Produktionsmengen für den umliegenden Absatzmarkt hat beispielsweise Edeka 600.000 Liter Streuobstsaft in sein Programm aufgenommen. Das ist nicht leicht, erklärt Reutlingens Landrat Thomas Reumann Herd-und-Hof.de. Aber Verbraucher gewöhnen sich auch in Supermärkten an kleine und nur saisonal verfügbare Produktmengen. Im Rahmen einer Aufpreisinitiative gibt es Landesmittel für die Vermarktung von Streuobstprodukten.
Der Schlüssel für den Erfolg der gesamten produktionskette liegt in der Kommunikation zum Verbraucher. Neben eine eigenen Internetseite und der Verzahnung mit dem Tourismus hat das Streuobstland Reutlingen für dieses Jahr noch besondere Projekte in Planung:
Im Frühjahr:
Schwäbisches Hanami. Hanami ist das japanische Kirschblütenfest. Die schwäbische Version will in diesem Jahr die vielfältigen Blütenfeste überregional bewerben und je Landkreis eine Hauptveranstaltung ausrichten.
Im Herbst:
Apfelsaftprojekt mit Schulklassen. Möglichst viele Schulklassen sollen auf Streuobstwiesen Obst auflesen und es kleineren Mostereien übergeben. Die Hälfte des Saftes können die Kinder selbst genießen, die andere Hälfte wird gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung gestellt.
Im Winter:
Gemeinsame Schnittaktion. Zusammen mit lokalen Biomasse-Firmen soll eine Schnitt- und Häckselaktion durchgeführt werden. Streuobsteigner bekommen Geld für das Schnittgut.

Lesestoff:

Mehr Informationen über Streuobst finden sie auf den Seiten www.streuobstwiesen.de mit den Siegerfotos des Wettbewerbes.
Sieben Landkreise haben sich zum www.streuobstland.de zusammengeschlossen.

Roland Krieg; Fotos: roRo

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