Netzborke und Maserknollen

Landwirtschaft

Schwarzpappel ist Baum des Jahres 2006

>Seit 1989 kürt das Kuratorium "Baum des Jahres" eben diesen, um die Vielfalt der Bäume aufzuzeigen und mit Hilfe der auserwählten Hölzer wissenschaftliche Neugier zu wecken. Mit der Stieleiche fing es an und für 2006 wurde im Oktober die Schwarzpappel benannt. Traditionell beginnt Herd-und-Hof.de das Neue Jahr mit einer erinnernden Vorausschau.

Populus nigra
Nach der griechischen Mythologie entstand die Pappel aus den Heliaden, den Schwestern des Phaeton. Dem Sohn des Sonnengottes Helios gelang es nicht, den Sonnenwagen zu zügeln, weswegen Zeus ihn mit einem Blitzschlag tötete. Seine Schwestern erstarrten aus Trauer zur Pappel. Den wissenschaftlichen Namen erhielt der Baum von den Römern. Dort galt die Pappel dann auch als Baum der Trauer und der Unterwelt, weswegen er den Vornamen Populus erhielt. Die dunkle Rinde gab der Schwarzpappel schließlich seine Farbe. Botanisch gehört die Schwarzpappel zu den Weidegewächsen und gibt es mit einer eigenen Art auch in Nordamerika. Weltweit existieren 60 Pappelarten. Die seit 250 sehr beliebte Pyramidenpappel als spontane Mutation der Populus nigra brachte mediterranen Flair nach Nordeuropa und ersetzte die nicht winterharten Säulenzypressen im Landschaftsbild.
Der Habitus ist für den Baum prägend. Die Krone ist sehr hoch und sehr breit. Der stamm weist zudem tief ansitzende Äste auf, weswegen die richtige Schwarzpappel fast ein hohes Rechteck bildet. Gegenüber anderen Pappeln siedeln keine Misteln auf der schwarzen Variante.
Der Stamm bildet im Zeitlauf eine netzartige Borke heraus, die eine Identifizierung erleichtern kann. Gruppenweise zusammen stehende Pappeln bilden so genannte Maserknollen aus, die für Pappeln charakteristisch sind. Im Verlauf der Evolution hat die Pappel einige intelligente Besonderheiten entwickelt. So ist der lange Blattstiel seitlich zusammen gedrückt und flattert dadurch im Wind. Die Zitterpappel kann das sogar an warmen Sommertagen bei Windstille. Der Effekt kühlt die Blätter und verbessert den Gasaustausch über die Stomata, den Blattöffnungen. Dadurch erzielt der Baum ein schnelleres Wachstum. In Trockenperioden wirft die Pappel an vorgesehenen Stellen Zweige mit grünen Blättern ab, um die Verdunstungsfläche zu verringern. Diese Absprünge können auf dem Wasser verbreitet werden und bilden nach dem Anschwemmen an Land Wurzeln und dienen somit der Verbreitung der Art in einer Notsituation.
Die Blütenkätzchen der Schwarzpappel erscheinen im April vor dem Laubaustrieb. Für windbestäubte Bäume ist das von Vorteil, da der Pollentransport nicht durch die eigenen Blätter behindert wird. Pappeln sind erstaunlich widerstandsfähig gegen Streusalz, stäube und Schwermetalle. Sie reichern Zink, Blei, Aluminium oder Cadmium in ihrem Holz und den Blättern an und dienen auf diese Weise auch als Bio-Indikator. Pappeln werden gezielt zur Entgiftung von Böden angebaut.

Auf der Roten Liste
Trotzdem steht die Schwarzpappel auf der Roten Liste. Die Schwarzpappel gehört in die Auenwälder der Flüsse. Die Rodungen für landwirtschaftliche Nutzflächen und das Trockenlegen zur Landgewinnung oder die Begradigung der Flüsse hat zu einem dramatischen Rückgang der Überschwemmungsflächen geführt - und damit auch für den Rückgang des Lebensraums.
Außerdem sind bei genauerer Betrachtung die meisten Pappeln keine Schwarzpappeln. Angebaute Wirtschaftspappeln zur Gewinnung von Weichholz haben durch wildes kreuzen den Bestand der Populus nigra auf bundesweit nur noch etwa 3.000 reine Schwarzpappeln reduziert. Die angebauten und wild entstandenen Hybride erschweren eine Unterscheidung zwischen den Pappelarten - meist werden sie nur noch über eine DNS-Analyse identifiziert.
So ist die bei Wittstock auf dem Scharfenberg 1636 zur Erinnerung an den Sieg über die Schweden angepflanzte Schwedenpappel keine Schwarzpappel, sondern eine nordamerikanische Spätpappel (Populus serotina), wie Prof. Dr. Hans-Friedrich Joachim von der Landesforstanstalt Eberswalde in seinem Buch über den Baum in Brandenburg geschrieben hat.
Mit dem Trockenlegen des Oderbruchs durch Friedrich II. Mitte des 18. Jahrhunderts verschwand mit dem Auenwald auch die Schwarzpappelpopulation. Reste des Auenwaldes gibt es aber noch bei Frankfurt/O. und bei Bedów in Polen. Das Landwirtschaftsministerium Brandenburg zählt noch etwa 1.000 Schwarzpappeln entlang der Oder - bis 35 km vor der Mündung in das Stettiner Haff. Brandenburg hat auf vier Hektar im Nationalpark Unteres Odertal neue Schwarzpappeln angebaut, die auf natürliche Weise die Erosion in den Überschwemmungsgebieten verhindern.
Prof. Joachim kam in seinem Buch bereits zu dem Schluss, dass die Schwarzpappel nicht nur über die Erhaltung der Restbestände zu wahren ist. Dazu gehört der Restbestand auf der Insel Küstrin-Kietz und seiner Ausweisung als Flora-Fauna-Habitat (FFH-Gebiet) und der Weichholzaue Untere Elbe. Dazu gehört, den Nutzungsdruck durch Weidenutzung oder Mähen zu vermindern.

Pappelholz soll härter werden
Alle Pappeln gehören zu den schnell wachsenden Hölzern. Schwarzpappeln schaffen 20 Meter in 20 Jahren - die Wirtschaftshybriden erriechen diese Höhe in nur zehn Jahren. Das bringt zwar eine Menge Holz ein, allerdings nur mit einer geringeren wirtschaftlichen Nutzfähigkeit. Die Raschwüchsigkeit macht das Holz sehr weich und leichter. Die Holländer machen ihre Holzschuhe aus der Pappel, weswegen er dort auch "Klompen-Boom" heißt.
Den Forschern am Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften der Universität Würzburg ist das nicht genug. Am Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie und Biophysik untersuchen unter der Leitung von Prof. Rainer Hedrich im Arbeitskreis von Peter Ache die molekularen Grundlagen des Holzwachstums. Die Pioniere auf diesem Wissensgebiet haben in der Dezemberausgabe von Planta bestimmte Proteine beschrieben, die als Kalium-Kanäle für das Holzwachstum verantwortlich sind. Diese Proteine regeln den Transport.
In einem Versuch haben die Biologen Pappeln mit der Kaliumversorgung knapp gehalten. Daraufhin blieben die Fasern und Gefäße des Holzes sowie die Zone der Holzbildung im Stamm kleiner und kompakter als normal. In der Pappel kommen die Kaliumproteine in den so genannten Strahlzellen des Holzes vor. Dort sorgen sie im Herbst für den Transport des Kaliums in das Holz. Im Verlauf des Wachstums sterben die Holzfasern langsam ab, was ebenfalls durch die Proteine gesteuert wird, indem sie überschüssiges Kalium abgeben.
Hier wollen die Experten ansetzen: "Wenn wir die Bäume genetisch so optimieren können, dass sie diese Kalium-Kanäle in verstärktem ausmaß produzieren, dann wachsen sie womöglich genauso schnell, liefern aber wegen des früheren Absterbens der Faserzellen feinporigeres, festeres Holz", prognostiziert Peter Ache. Wirtschaftlich ist das nicht uninteressant, denn pro Kopf werden weltweit etwa 0,66 Kubikmeter Holz verbraucht - die Hälfte davon als Brennholz. Und der Wald gilt als ausbaubare unerschöpfliche Energiequelle für erneuerbare Energie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert die weiteren Untersuchungen, was bei großer Kälte oder Hitze passiert oder was passiert, wenn sich die Nährstoffversorgung verändert.
Die Pappel ist nicht zuletzt wegen ihrer Schnellwüchsigkeit zum Vorzeigemodell für holzbildende Pflanzen geworden.

Lesetipps:
Warum die Amerikaner die Schwarzpappel Cottonwood-Tree nennen und welches Gedicht Bertolt Brecht dem Baum gewidmet hat, erfahren sie unter www.baum-des-jahres.de
Prof. Joachim hat im Jahr 2000 für sein Buch ?Die Schwarzpappel in Brandenburg? Oder, Elbe, Havel und Weichsel bereist und die Ergebnisse mit seinen Empfehlungen veröffentlicht. Das Buch ist online unter www.genres.de/fgrdeu/schwarzpappel/inhalt.htm verfügbar.
Die Pappelproteinforschung erschien in: Matthias Arend, Andrea Stinzing, Christa Wind, Katharina Langer, Andreas Latz, Peter Ache, Jörg Fromm, Rainer Hedrich: "Polar-localised poplar K+ channel capable of controlling electrical properties of wood-forming cells". Planta 223, Dezember 2005, Seiten 140-148

VLE

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