Netzwerke für Agrarwissenschaften
Landwirtschaft
Erfahrungswissen der Landwirte besser nutzen!
Die Agrarwissenschaften sind für die Herausforderungen der Zukunft schlecht aufgestellt. Ein Dialog auf Augenhöhe zwischen Wissenschaft, Landwirten und landwirtschaftlichen Verbänden findet kaum statt, ist aber unbedingt nötig um Antworten auf drängende Fragen zu finden. Das AgrarBündnis spricht sich daher für partnerschaftliche und praxisnahe Netzwerke von Bauern, Wissenschaftlern, Verbänden und öffentlichen Institutionen aus.
Rund 100 Teilnehmer diskutierten am 9. und 10. Oktober in einer von AgrarBündnis, Evangelischer Akademie Hofgeismar und dem Dienst der evangelischen Kirche auf dem Lande veranstalteten Tagung über das Verhältnis von Wissenschaft, Landwirten und Verbänden.
Nicht nur Einzelaspekte betrachten
Die Tendenz der Agrarwissenschaften, nur noch Einzelaspekte zu bearbeiten und den landwirtschaftlichen Betrieb als Gesamtes mit allen seinen ökonomischen, sozialen, kulturellen und naturgebundenen Zusammenhängen aus dem Auge zu verlieren, wurde kritisiert. Diese Entwicklung habe zur gegenwärtigen Nachhaltigkeitskrise der Landwirtschaft mit ökologischen Problemen und einem permanenten Strukturwandel beigetragen.
Im Zentrum der Debatte stand daher die Frage, wie auf eine neue Art und Weise das vielfältige aber auch unterschiedliche Wissen von landwirtschaftlicher Praxis, Agrarforschung und Verbänden genutzt werden kann und wie man einen Dialog auf Augenhöhe und eine Zusammenarbeit organisieren kann, um den aktuellen und künftigen Herausforderungen gerecht zu werden,
Mit dem Weltagrarbericht stellte Benny Härlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft einen Bericht vor, der deutlich macht, dass weltweit die Erkenntnis gewachsen ist, dass das Wissensmonopol der Wissenschaft in Frage gestellt werden muss. So wichtig die landwirtschaftliche Grundlagenforschung ist: Die Aussagen eines auf einen einzelnen Aspekt reduzierten wissenschaftlichen Experiments hat mit den komplexen Fragestellungen eines landwirtschaftlichen Betriebs wenig gemeinsam. Daher sind viele Ergebnisse der Agrarwissenschaften zu wenig praxisrelevant.
Wissenschaftler wie Jürgen Heß von der Universität Kassel oder Nikolai Fuchs von der Freien Hochschule für Geisteswissenschaften am Goetheanum wiesen auf Ursachen dieser Entwicklung hin: Die Kriterien für den Erfolg eines Wissenschaftlers hängt nicht von der Praxisrelevanz seiner Ergebnisse ab, sondern u.a. von der Anzahl seiner Publikationen – und zwar in wissenschaftlichen Zeitschriften, die kaum ein Landwirt jemals liest.
Uni auf dem Hof
„Warum nicht die Universität auf den Hof bringen? Wir machen soviel Erfahrungen auf unseren Höfen, das würde ich gerne in die Forschung einbringen.“ So brachte sich ein Landwirt in die Diskussion ein. Beim Austausch unter Praktikern auf den Höfen – in Zusammenarbeit mit Forschung und Beratern – werden nicht nur die richtigen Fragen gestellt. Die praxisgerechte Umsetzung kann unmittelbar berücksichtigt werden.
Als Konsequenz aus dieser Situation wurden in Hofgeismar Netzwerke vorgeschlagen, in denen landwirtschaftliche Verbände, Landwirte, unabhängige Forschungseinrichtungen und Hochschulen zusammenarbeiten. Die Arbeitsweise solcher Zusammenschlüsse entspricht jedoch meist nicht den praxisfernen Vergabekriterien von öffentlichen Forschungsmitteln. Daher müssen diese Kriterien verändert und gleichzeitig andere Finanzierungsmittel – z.B. über private Stiftungen – akquiriert werden.
Lesestoff:
Die Vorträge und Diskussionen der Tagung werden voraussichtlich im Januar 2010 in der Reihe „Hofgeismarer Protokolle“ erscheinen. Evangelische Akademie Hofgeismar www.ekkw.de -> Akademie Hofgeismar
Dr. Frieder Thomas (AgrarBündnis)