Neue Biokraftstoffe 2010

Landwirtschaft

Biokraftstoffe: Die Technik bietet zahllose Möglichkeiten

Das Symposium des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) in Zusammenarbeit mit der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in der vergangenen Woche hat gezeigt, dass trotz der Diskussion um und der neuen Forschungsplattform für die Elektromobilität, Biokraftstoffe nach wie vor unverzichtbar sind, die Klimaschutzziele zu erreichen. Forschung und Technik haben auch gezeigt, dass die Möglichkeiten, Biokraftstoffe zu produzieren, noch nicht ausgeschöpft sind.

Kein einfacher Übergang
Nach Dr. Klaus Picard vom Mineralölwirtschaftsverband behalten fossile Kraftstoffe auf Grund ihrer hohen Energiedichte, der einfachen Handhabung und des flächendeckenden Versorgungsnetzes noch ihren Einsatzvorteil. Der Verkehrssektor ist aber in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, weil der Straßenverkehr noch zu über 90 Prozent von mineralölstämmigen Kraftstoffen angetrieben wird. Speiseöl, Biodiesel und Synthesegas treiben trotz ihrer öffentlichen Wahrnehmung nur einen kleinen Teil der Motoren an.
Im Jahr 2009 wurden 51,6 Millionen Tonnen Kraftstoffe getankt. Der Anteil von Biokraftstoff lag bei 5,5 Prozent.

Kraftstoffmengen und -anteile 2009

Diesel

28,714 Mio. t

56 %

Benzin

19,370 Mio. t

38,5 %

Biodiesel

2,517 Mio. t

4,2 %

Bioethanol

0,903 Mio. t

1,1 %

Pflanzenöl

0,101 Mio. t

0,2 %

Q: BMELV und FNR

Der Anteil der Biokraftstoffe ist aber nicht gleichmäßig angestiegen, sondern seit 2007 sogar wieder rückläufig, wie Clemens Neumann aus dem BMELV darlegte. Nachdem der Anteil sich zwischen 2005 und 2007 von 3,6 auf 7,2 Prozent verdoppelt hatte, sank er in den beiden letzten Jahren über 5,9 auf 5,5 Prozent ab.
Auch innerhalb des Biokraftstoffsegments ist Bewegung. So brach der Markt für Biodiesel ein, die Bioethanolwirtschaft hingegen hatte in diesem Jahr Grund zur Freude. Pflanzenfett ist derzeit kaum noch gefragt. Wirksam werden hier politische Steuerungsmechanismen, die den Markt in Richtung reinen Biokraftstoff, Biomethan und eventuell BtL und E85 lenken wollen. Nach Neumann greifen hier steuerliche Regelungen in den nächsten Jahren:

Energiesteuer

... für Biodiesel (cent/l)

für Pflanzenfette (cent/l)

2008

14,9

9,9

2009

14,3

18,2

2010 bis 2012

18,6

18,5

ab 2013

45,0

45,0

Q: BMELV

Zahllose Lösungen
Technisch gesehen gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, um aus komplexen Molekülen verschiedener Ausgangsstoffe „definierte Kohlenwasserstoffe“ zu erhalten, die Motoren antreiben: Von Lignin enthaltenen Ausgangsstoffen, wie Holz, über Gräser oder multifunktionellen Ackerkulturen wie Zuckerrüben, Ölsaaten oder Stärkehaltige Kartoffeln bis zu einer Resteverwertung aus Sägewerken, Bioabfälle und der Biotonne aus Privathaushalten. Mit Algen erschließen sich die Techniker sogar die aquatische Biomasse. Die Ausgangsstoffe werden thermochemisch behandelt, pyrolysiert, eventuell noch vorbehandelt und konditioniert und auch schon mal enzymatisch behandelt. Am Ende stehen wahlweise Fettsäuremethylesther, Flüssigkeiten, Methanol oder Buthanol sowie Synthesegas oder Wasserstoff. Das Fischer-Tropsch-Verfahren hat mächtige Konkurrenz bekommen. Die Technik ist auf dem Weg, Kunden maßgeschneiderte Endprodukte anbieten zu könnenFür das CUTEC-Institut aus Clausthal-Zellerfeld fängt die Energieeffizienz bei der energetischen Nutzung von Biomasse bereits bei der strategischen Planung an. Biomasse wird dezentral produziert, weswegen zentrale Aufbereitungsanlagen positive Klimaeffekte durch den Transport wieder zunichte machen können. Dezentrale Anlagen hingegen sind teurer als Großanlagen. Die Lösung wäre ein Aufteilen technischer Prozesse, bei der die Biomasse dezentral zu einem transportwürdigen Zwischenprodukt aufbereitet wird, um sie einer zentralen Kraftstoffherstellungsanlage zuzuführen.

Generationenübergreifend
Während die Politik offenbar noch bei der ersten Generation der Biokraftstoffe Probleme hat, sind Forschung und Technik schon viel weiter. Mit der ersten Generation von Biokraftstoffe, wie Biodiesel aus Raps, wird die EU ihre Klimaziele nicht erreichen können. Dominic Boot aus den Niederlanden vertrat bereits 2008 auf einem Workshop der Internationalen Energieagentur1) die Meinung, dass die Fläche dazu nicht ausreicht. Auch würden diese Kraftstoffe künftigen Motoren nicht genügen. Effizienter seien bereits die Kraftstoffe der zweiten Generation, die Pyrolyseöl oder Synthegas direkt in den Raffinerien erzeugen.

Wie viel Kilometer weit kommt ein Schwerlaster mit... ?

Rapsmethylester (aus Rapsöl):

2.000

Ethanol aus Weizen:

4.000

Ethanol aus Weiden (Salix):

4.100

Salix zu synthetischem Diesel:

5.000

Salix zu synth. Diesel über Black Liquer:

6.100

Methan aus Salix:

9.000

Salix zu Dimethylether (Dieselersatz):

9.000

Methan aus Salix über Black Liquer:

10.200

Salix zu Dimethylether über Black Liquer:

10.200

Black Liquer: Entsteht, wenn aus dem Holzbrei die Papierpulpe durch Entfernen von Lignin, Hemicellulose cellulosefrei gemacht wird.
Q: Vortrag von Erik Rensfelt, Växjö Värnamo, Schweden

Algen werden sogar schon als „dritte Generation“ der Biokraftstoffe bezeichnet. Mehr als 10.000 Tonnen werden jährlich bereits für die Nahrungsmittel- und kosmetische Industrie erzeugt. Werden Spirulina, Dunaliella und Chlorella auch noch für die Kraftstoffproduktion eingesetzt, würden die Anlagekosten von derzeit 10.000 US-Dollar je Tonne auf unter 1.000 US-Dollar fallen – prognostiziert der Amerikaner John Benemann2).
Nach Dr. Heike Frühwirth von der BioDiesel International AG auf dem Berliner Symposium ist das Potenzial der Algen vor allem abhängig von der Produktionsart. Im Gegensatz zum offenen Teich steigt die Volumenproduktion in geschlossenen Röhren auf Land von täglich 0,035 auf 0,56 kg je Kubikmeter und die Biomassekonzentration von 0,35 auf 1,02 kg je Kubikmeter an, aber auch der Energieverbrauch: Im offenen Teich liegt er bei 3,72 Watt, in Röhrensystemen bei 2500 Watt je Kubikmeter. Das Nettoenergieverhältnis sinkt bei der Biomasseproduktion durch Algen von 8,34 im Teich auf 0,2 in einer Röhrenanlage.
In Kultur können zwischen einem und zehn Kilogramm Algenkonzentrat je Kubikmeter erzielt werden. Sie können als Ausgangsstoff für alle Biokraftstoffvarianten genutzt werden und haben den Vorteil, dass für sie keine zusätzliche landwirtschaftliche Fläche beanspruchen. In der Summe fordern die aquatischen Bewohner die landgestützten Rohstoffe für die Kraftstoffproduktion heraus, so Dr. Frühwirth - für die Ölerzeugung allerdings setzen Algen eine ausgereifte Technologie voraus.

Lesestoff:
Übersichten verschiedener Technologien bieten die Plattformen der FNR www.fnr.de und die Technologische Plattform für Europäische Biokraftstoff www.biofuelstp.eu
1) „Biofuels for Transport – Part of a Sustainable Future?“, Workshop der Internationalen Energieagentur (IEA) in Oslo, 14. Mai 2008 (Workshop 8): www.ieabioenergy.com à Workshops
2) “Algae – The Future for Bioenergy?” Workshop der Internationalen Energieagentur (IEA) in Liege, 01. Oktober 2009 (Workshop 11): www.ieabioenergy.com à Workshops

Roland Krieg

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