Neue Optionen braucht das Land
Landwirtschaft
Der kritische Agrarbericht: LWS und Klimawandel
Die Globalisierungskrise sitzt morgens mit am Frühstückstisch. Rückstände in Lebensmitteln, knappe Trinkwasserreserven, subventionierte Exporte, die lokale Märkte in Übersee zerstören und hochtechnisierte Agrarwirtschaft, die mehr Ressourcen verbraucht, als zur Verfügung stehen. Hinzu kommt der „Kasinokapitalismus“, der auf schnelle Renditen setzt und negative Wirkungen externalisiert.
Vor diesem Hintergrund kam im letzten Jahr der Weltagrarbericht als Studie der Vereinten Nationen gerade recht, die ressourcenschonende Landwirtschaft als neue Option in der Welternährung einzuführen. Denn: „Business as usual is just not an option“, so der Bericht.
Die Studie gibt Nichtregierungsorganisationen starken Rückenwind, denn, so Frieder Thomas vom AgrarBündnis, er fasst Forderungen zusammen, die von der Agraropposition schon lange eingefordert werden. Plötzlich sind Themen wie Bodenfruchtbarkeit in der hohen Politik ein Thema.
Druckfrisch an Ilse Aigner
Der Weltagrarbericht der Weltbank und der Vereinten Nationen (IAASTD) wurde heute morgen druckfrisch an Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner übergeben, weil Deutschland ihn noch nicht unterschrieben hat.
Das Thema Landwirtschaft und Klimawandel des neuen kritischen Agrarberichts des AgrarBündnis, der siebzehnte in seiner Form, widmet sich schwerpunktmäßig mit dem gleichen Themenkreis. Jedes der elf Kapitel von der landwirtschaftlichen Produktion bis zum nachhaltigen Einkauf stellt mindestens ein Thema in den großen Zusammenhang.
Darin wird verdeutlicht, dass die Menschen nicht hungern, weil zu wenig produziert wird, sondern weil das Falsche erzeugt wird. Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft und Mitautor des IAASTD prognostiziert, dass 2009 mehr als eine Milliarde Menschen hungern, obwohl auch die Weltagrarproduktion steigt.
Ressourcenverteilung
Die Zahlen des weltweiten Anteils ökologischer Landwirtschaft an der Agrarproduktion sind zwar ernüchternd, aber Haerlin warnt davor, die Zahlen überzuinterpretieren. Die Statistik bezieht sich nur auf den zertifizierten Landbau, doch ist der ressourcenarme Anbau ohne Zertifizierung größer. Und darum gehe es. Die Zertifizierung sei wichtig für den europäischen und nordamerikanischen Anbau und ein Leitbild für die Entwicklungsländer, doch die ressourcenschonende Produktion der Kleinbauern ernähre die Hungernden auch ohne Zertifizierung vor Ort. Da sei sogar noch viel Wachstumspotenzial vorhanden.
Ein Umdenken müsse in der Agrarlehre stattfinden. Die etablierten Lehrkräfte halten sich zurück, doch die Studenten der Agrarwissenschaften fragen nach: „Was sollen wir lernen, um Morgen nützlich zu sein?“. Die Hohenheimer Gruppe Fresh sei nur die erste, die sich gegründet hat, die Agrarlehre mit neuen Inhalten aus dem Weltagrarbericht zu erweitern.
Das Thema Agrarlehre ist dem kritischen Agrarbericht ein eigener Bericht wert (S. 152), der die „Erosion der institutionellen Grundlagen“ beklagt.
Ernährung und Klima
In den Industrieländern verbrauchen die Menschen mehr landwirtschaftliche Fläche als ihnen zusteht. Fleisch ist dabei ein wichtiger Aspekt. Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund beschreibt Fleisch als Imageprodukt, das in Wachstumsländern wie Indien und China stärker nachgefragt wird. In Europa bleibt der Konsum auf unverändert hohem Niveau. Doch schon ernährungsphysiologisch ist dieser hohe Konsum nicht notwendig und hat zusätzlich einen negativen Einfluss auf das Klima. Die Ernährungswissenschaftler Dr. Karl von Koerber und Jürgen Kretschmer haben den nachhaltigen Konsum als Beitrag zum Klimaschutz beschrieben:
Vollwerternährung (Gießener Konzeption; UGB) |
CO2-Äquivalent/Kopf/Jahr |
VWE, o. Fleisch, biol. |
336 |
VWE, o. Fleisch, konv. |
458 |
VWE, wenig. Fleisch, biol. |
468 |
VWE, wenig. Fleisch, konv. |
596 |
VWE, viel Fleisch, biol. |
634 |
VWE, viel Fleisch, konv. |
863 |
Q: Kritischer Agrarbericht 2009; S. 284 |
Klimaalarm beim Fleischexport
Die Bundesregierung sieht den Agrarexport von veredelten Waren als Wirtschaftsoption für Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe. Die Produzenten müssen Eiweißfutter importieren. Nach Hubert Weigert, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz, müsse das einen Klimaalarm auslösen, weil der Anbau dieser Futtermittel in Übersee den Lebensraum vor Ort und den Regenwald zerstöre. Aus diesem Grunde müssten auch die Exportsubventionen abgebaut werden. Sie erhöhen den Druck auf die heimischen Erzeuger, mehr Fleisch in weniger werdenden Betrieben zu produzieren. Der Situationsbericht des Deutschen Bauernverbandes hat bei den Schweinehalter aktuell ein minus von 16 Prozent ausgewiesen.
Lesestoff:
Der kritische Agrarbericht; 304 Seiten; ISBN- 978-3-930 413-36-2; ABL-Verlag; 19,80 Euro; verlag@bauernstimme.de
roRo
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